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Kommentar EU-FlüchtlingspolitikDoppelmoral ist auch Moral

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die EU will, dass die Türkei ihre Grenzen für Flüchtlinge öffnet und schließt zugleich ihre eigenen. Aufgehen wird die Abschottungsstrategie nicht.

Wer es bis hierhin schafft ... eine Flüchtlingsunterkunft in Rottenburg (Baden-Württemberg). Foto: dpa

S o deutlich wie an diesem Wochenende wurde Doppelmoral selten gezeigt: Einerseits forderte die EU von der Türkei, ihre Grenze für zehntausende neuer Flüchtlinge aus Syrien zu öffnen. Gleichzeitig aber überlegte die EU, wie sie ihre eigenen Außengrenzen zur Türkei wirksam vor dem Flüchtlingszustrom sichern kann.

Als Optimist könnte man festhalten, dass Doppelmoral immer noch besser ist als völlige Skrupellosigkeit. Immerhin wird von der Türkei nicht verlangt, die Grenzen zu Syrien zu verriegeln, weil manche der Flüchtlinge sonst Richtung EU weiterreisen könnten. Zumindest von der Türkei wird also Hilfe für die syrischen Flüchtlinge erwartet.

Und man kann nicht sagen, dass die Türkei, die eh schon über zwei Millionen Syrer aufgenommen hat, völlig untätig bliebe. Sie öffnet zwar (noch) nicht ihre Grenzen, aber sie richtet doch Flüchtlingslager auf syrischem Gebiet ein. Was will die EU dagegen sagen?

So ähnlich will sie mit den Flüchtlingen ja auch verfahren: Diese sollen möglichst jenseits der eigenen Grenzen versorgt werden - zum Beispiel in der Türkei, die die EU gerne als großes Flüchtlingsheim am Rande Europas missversteht.

Doch auch künftig wird ein Teil der Flüchtlinge nicht in der Türkei bleiben wollen, egal was EU und türkische Regierung vereinbaren. Wenn dann aber an der geschlossenen Grenze von Mazedonien 100.000 Flüchtlinge lagern, die weder vor noch zurück können, die hungern und verzweifeln, dann wird auch in der EU, zumindest in Deutschland, die Stimmung wieder kippen.

Dann wird von Mazedonien eine Öffnung der Grenzen gefordert, so wie jetzt von der Türkei. Und natürlich wird der Großteil der Flüchtlinge wieder in Deutschland landen. Doppelmoral ist zum Glück nicht auf Dauer durchzuhalten.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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5 Kommentare

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  • Auch ich sehe schon die Bilder vor mir: zigtausende Menschen vor geschlossenen Grenzen. Aber ob wir bereit sind, noch einmal so viele aufzunehmen wie bisher, wage ich zu bezweifeln. Und es werden wohl nicht nur eine Millionen Menschen sein, denn was z. Zt.unterwegs ist, wird ein Vielfaches sein. Es ist nur eine Raum-Zeit Berechnung, wann diese Menschen vor unseren Aussengrenzen stehen.

    Spätestens dann müssen wir den Flüchtlingen sagen, dass Sie keinen Anspruch auf Weiterreise nach Europa haben. Wir werden es nämlich nicht mehr schaffen.

  • Was ist, wenn es den Menschen an der Grenze dreckig geht, und sich die "Stimmung" nicht dreht?

    Vernünftigerweise sollten die Flüchtlinge möglichst nah ihrer Heimat versorgt werden. Darauf sollte sich unsere finanzielle und personelle Hilfe konzentrieren.

    Und dann muss über geordnete Einwanderung durch Kontingente gesprochen werden.

    • @genosse2000:

      "Kontingente" sollten aber auch die Realität abbilden - denn Assad, Putin und IS werden bei der Produktion von Flüchtlingen wohl kaum Rücksicht auf von Schland festgelegte "Kontingente" und "Obergrenzen" nehmen.

  • 3G
    31955 (Profil gelöscht)

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  • "Zum Glück"? Was soll denn "Glück" sein an der Tatsache, dass "Doppelmoral […] nicht auf Dauer durchzuhalten [ist]"?

     

    Dass etwas Schlechtes nicht von Dauer ist, ist noch kein echtes Glück. Echtes Glück ist, wenn das, was nachher kommt, nicht noch viel schlimmer ist als das, was vorher war.

     

    "Glück" hätten wir also zum beispiel dann, wenn aus der nicht durchzuhaltenden Doppelmoral nicht ein völliges Fehlen jeglicher Moral wird. Der Mensch an sich hat schließlich einen blöden Hang zu Fehlentscheidungen. Der ist besonders stark, wenn mensch sich in die Enge getrieben fühlt und den Verstand abschaltet aus Angst oder Wut. Das hat er oft genug bewiesen. Ich drücke uns also ganz fest die Daumen, dass die, die sich gerade fürchterlich verrannt haben in ihrer Sturheit, das noch alleine korrigieren können, bevor sie jemand zwingt dazu. In dem Fall geht der Ärger nämlich bald wieder von vorne los. Mensch übt, so lange er noch nicht zufrieden ist mit sich. Erst dann hört er so langsam auf damit, die immer gleichen Fehler zu begehen.