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Kommentar EU-EmissionshandelEnde der Denkfaulheit

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Der Kompromiss zum Emissionshandel eröffnet Chancen für Deutschland. Aber dafür braucht es Mut und einen CO2-Mindestpreis.

CO2-Schleuder am Himmel: ein Learjet Foto: ap

D ie Hauptstadt der Sündenböcke heißt Brüssel. Wenn nationale Regierungen versagen, zeigen sie gern auf die EU, auf die angeblich wuchernde Bürokratie und den vermeintlichen Regulierungsirrsinn. Und auch der Kompromiss zum Emissionshandel ist kompliziert und lässt viele Wünsche offen. Die Emissionen sinken zu langsam für schnellen Klimaschutz, die Industrie ist wieder fein raus und die Bremser in Osteuropa haben ihren Willen bekommen. Aber die Regelung entkräftet zumindest einen der beliebtesten Vorwürfe gegen Energiewende und Kohleausstieg. Nämlich: Egal, was wir hier machen, es nutzt nichts.

Das hat einen wahren Kern. Denn bislang führt Klimaschutz kaum dazu, dass die Emissionen teurer werden. Die CO2-Zertifikate, die durch einen Kohleaussteig oder durch Öko-Energien nicht verbraucht werden, bleiben im Markt und können anderswo für Emissionen genutzt werden. Und sie erhöhen das Angebot, senken also die Preise. Das ist genau das Gegenteil von Klimaschutz.

Zwar stimmte der Vorwurf noch nie so ganz – denn der Zubau von Wind, Solar und Biomasse wurde bei der Obergrenze für die Zertifikate berücksichtigt –, aber jetzt öffnet der Kompromiss eine neue Tür. Wenn also Deutschland ab 2021 Kohlekraftwerke stilllegt oder seinen Strom zu großen Teilen grün erzeugt, kann es selbst die Lizenzen löschen, die es dafür aus Brüssel zugeteilt bekommt. Das wäre ein großer Fortschritt.

Aber das muss die deutsche Regierung dann auch wollen. Und: Das dauert. Deshalb muss ein Mindestpreis für diese Zertifikate den Markt schon vorher wieder zum Laufen bringen. Großbritannien hat es vorgemacht, die Niederlande haben es gerade festgeschrieben und in möglichen Koalitionsgesprächen einer Jamaika-Koalition muss das Thema ganz nach oben. Ein langsam steigender Preis in einer Allianz mit Frankreich, Benelux, Österreich und Skandinavien könnte den Klimaschutz voranbringen und den Investoren Sicherheit geben. Bisher sind viele der großen Konzerne von Zumutungen aus dem Klimaschutz verschont geblieben und haben sogar davon mit Milliardengewinnen profitiert, wenn sie ihre Gratis-Lizenzen verkauft haben.

All das könnte Jamaika richten, wenn es nur wollte. Ein Mindestpreis würde den Markt wieder herstellen, Innovation und Wettbewerb fördern, die Einnahmen des Staates erhöhen. Die Industrie würde sich schnell anpassen, Auswege finden oder die Kosten weitergeben. Unser Land würde Klimaschutz wieder ernst nehmen und sich modernisieren. All das sind Schlagworte, auf die sich Schwarze, Gelbe und Grüne gut einigen könnten. Sie müssten nur mit einer lieb gewordenen Gewohnheit brechen: Den Grund für die nationale Untätigkeit und Denkfaulheit in Brüssel zu suchen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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  • Wenn es endlich einen Mindestpreis gibt, dann muss die Politik nicht mehr beraten, wann welche Kohlekraftwerke in Europa abgeschaltet werden sollen. Der Emissionshandel führt automatisch dazu, dass die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, die am meisten CO2 im Verhältnis zum Wert des produzierten Stroms emittieren. Wenn der Emissionshandel auch noch auf Verkehr und Wärmemarkt ausgedehnt wird, dann werden ohne weitere Eingriffe grundsätzlich die Emissionen vermieden, die zu geringsten Kosten vermieden werden können. Siehe auch: http://thecompensators.org/de/2016/a-fixed-price-for-the-ets/