piwik no script img

Kommentar EU-Afrika-GipfelSchauspiel für Rechtspopulisten

Mit viel Geld und Druck versucht die EU, Menschen von ihren Grenzen fernzuhalten. Die Folgen sind schon klar: mehr Tote, mehr Internierung.

Ein Zaun reicht nicht, eine Mauer muss her: Merkel mit anderen europäischen Regierungschefs in Malta Foto: dpa

Eine der seltsamsten Eigenschaften der EU ist ihre Doppelmoral. Sie gefällt sich in der Rolle des besseren Teils der freien Welt. Gerade jetzt, wo die Trump-Regierung in Washington ein für liberal gesinnte Menschen abstoßendes Projekt nach dem anderen präsentiert, betont die EU gern die Werte, denen sie sich verbunden fühlt.

Aber was die Migrationspolitik betrifft, steht die EU bisher nicht besser da. Europas Mauer heißt Mittelmeer, und an ihr sind allein im letzten Jahr 25 Mal so viele Menschen gestorben wie entlang der Grenze zwischen den USA und Mexiko. Europa könnte daraus die Konsequenzen ziehen und es anders machen.

Doch sie tut das Gegenteil. Einmal mehr bittet die EU in diesen Tagen die ärmsten Staaten der Welt zum Gipfel nach Malta und versucht sie auf die Sicherung der europäischen Grenzen einzuschwören – mit viel Geld und mit Druck. Angela Merkels Deutschland ist die treibende Kraft in diesem Prozess. Dessen Folgen zeichnen sich bereits jetzt schon ab: mehr Tote, mehr Internierung.

All das nimmt Brüssel in Kauf, in vorauseilendem Gehorsam vor den Rechtspopulisten. Drei Treffen in nur einer Woche – und jedes Mal werden die Flüchtlinge aus Afrika als größte Gefahr für Europa dargestellt. Obwohl 2016 nicht mehr als etwa 180.000 Menschen kamen. Dieses politische Schauspiel dürfte Populisten wie Geert Wilders, dem Front Na­tional und der AfD eher nützen als schaden.

Bislang reagieren die meisten afrikanischen Staaten reserviert. Für sie gehören Entwicklung und Migration zusammen. Die reichen Industriestaaten profitieren ja auch seit Jahrhunderten von den Vorteilen der Migration und des freien Verkehrs. Gegenüber den Afrikanern aber macht die EU nun die gegenteilige Logik auf: Entwicklung oder Migration. Entweder ihr macht für uns eure Grenzen zu, auf eurem eigenen Kontinent – oder wir helfen euch nicht mehr.

Beim ersten Valletta-Gipfel 2015 war die Rede von Partnerschaft und gemeinsamen Interessen. Doch die afrikanischen Staaten monierten, dass ihre Vorschläge für Projekte der Partnerschaft mit der EU abgebügelt wurden. Dabei könnte es „Migrationspartnerschaft“ tatsächlich geben – sichere Fluchtwege, Arbeitsvisa, Flüchtlingskontingente. Das wäre dann tatsächlich der bessere Teil der freien Welt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Was einige anscheinend nicht begreifen, wie die EU jetzt ihr 'Flüchtlingsproblem' löst - durch abschotten, ertrinken lassen oder in nordafrikanischen Lagern verrotten lassen, könnte zum Modell für innereuropäische Krisen werden. Man erinnere sich, der Hauptgrund für das Ja der britischen Wähler zum Brexit war die angebliche 'Flut' polnischer Gastarbeiter in das Vereinigte Königreich. Spitzt sich die wirtschaftliche oder politische Lage in Bulgarien, in Polen, Kroatien oder Ungarn zu, eskaliert der Krieg in der Ukraine, werden viele Menschen dort Versuchen, in Richtung Westen zu entkommen. Dann werden die Hetzer in den westeuropäischen Staaten ihnen dieselbe 'Medizin' verschreiben. Und nicht vergessen: Die Zahl der Flüchtlinge in der EU befindet sich, gemessen an der Einwohnerzahl immer noch im Nullkomma-Bereich.

  • "Eine der seltsamsten Eigenschaften der EU ist ihre Doppelmoral."

     

    "Angela Merkels Deutschland ist die treibende Kraft in diesem Prozess."

     

    Ja, das entspricht wohl (fast) der bitteren Realität. Denn:

     

    Müsste der zweite Satz korrekterweise nicht lauten: "Angela Merkel ist die treibende Kraft in diesem Prozess."

     

    Die Kanzlerin persönlich (und nicht Deutschland) hat in den letzten Monaten sich selbst in eine Lage manövriert, die schlichtweg nur als außenpolitische Katastrophe zu bezeichnen ist: Stapelweise gravierende Entscheidungen zu treffen, ohne vorher unsere europäischen Partner zu konsultieren, anschließend diese „Partner“ zur Solidarität verpflichten, ohne deren spezifische Probleme zu berücksichtigen, mit der türkischen Regierung einen äußerst üblen Deal einzufädeln, den die EU dann pflichtgemäß mit Ankara abschließen „darf“, u.s.w., u.s.w..

     

    Worauf all diese hanebüchenen Vorgänge zurückzuführen sind, kann man nur spekulieren (vielleicht ist Merkel nur die Bezeichnung „mächtigste Frau der Welt“ zu Kopf gestiegen). Letztlich ist die Antwort auf diese Frage völlig nebensächlich, wenn man den entstandenen Schaden betrachtet: Trotz aller öffentlichen Verlautbarungen ist die Verärgerung über dieses Verhalten vielen Regierungen unserer Partnerstaaten noch immer gravierend. Das macht die Suche nach gemeinsamen Agieren aller EU-Staaten nicht gerade einfacher.

     

    Wie in obigen Artikel deutlich sichtbar wird, sind aber in erster Linie die Flüchtlinge Opfer dieser haarsträubenden Entscheidungen. Wirklich makaber ist es jedoch, dass gerade die sich als „flüchtlingsfreundlichste Staatenlenkerin der Welt“ gerierende Kanzlerin die Initiatorin für all diese Maßnahmen ist, die exakt diese Flüchtlinge noch weiter ins Elend stürzen.

    • @Urmel:

      Frau Merkel und ihre Regierungsmitglieder stellen sich in der Migrationskrise fortgesetzt über das Recht. Ich sags wieder:

      Nimm das Recht weg - was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande. Augustinus.

      HW Ludwig Fassadenkratzer und seine Anmerkungen vom 25.01.2017, kommentiert u.a. von Hans-Jürgen Papier, Dietrich Murswiek und Udi di Fabio.

    • @Urmel:

      Ihnen ist aber schon klar, dass dieses ganze Gequatsche von einem "gemeinsamen Europa" in diesem Fall eins bedeutet hätte:

      Grenzen zu für Flüchtlinge zu! - so wie die Mehrheit der anderen europäischen Länder.

       

      Was sie an "Solidarität" hier sehen ist nämlich eine rein exklusive deutsche Eigenschaft.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Diese von Ihnen angesprochene Form von "Solidarität" gab es vielleicht mal (als rein exklusive deutsche Eigenschaft).

         

        Der Wind hat sich inzwischen mächtig gedreht: Frau Merkel höchstpersönlich initiiert seit geraumer Zeit einen „immer wirksameren Schutz“ der europäischen Außengrenzen. Solidarität mit Flüchtlingen ist für die Kanzlerin gewissermaßen „outer als out“ – schließlich steht ja eine Bundestagswahl vor der Tür.

  • "Dabei könnte es „Migrationspartnerschaft“ tatsächlich geben – sichere Fluchtwege, Arbeitsvisa, Flüchtlingskontingente. Das wäre dann tatsächlich der bessere Teil der freien Welt."

     

    Wär ja kein Problem wenn es bei den Kontigenten bleiben würde. Kontigente zusätzlich zur unkontrollierten Migration sind völlig abwegig.

  • Die von Herrn Jakob angesprochene Doppelmoral ist abzulehnen. Kein Land sollte für die Sicherung der eigenen Grenzen kritisiert werden.