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Kommentar Dopingfälle vor OlympiaDie Russen verprellt man nicht

Kommentar von Markus Völker

Wegen Doping alle russischen Athleten von den Spielen ausschließen? In der Funktionärslogik des IOC geht das nicht. Aber es gäbe eine Lösung.

Schwierig, einen Kumpel rauszuwerfen: IOC-Präsident Thomas Bach mit Wladimir Putin Foto: ap

G ewichtheber aus Bulgarien und Kanuten aus Rumänien und Weißrussland sind schon mal nicht dabei, wenn in Rio de Janeiro um olympische Medaillen gekämpft wird. Etliche Dopingfälle führten zum Ausschluss der Landesverbände. Diese Hemdsärmeligkeit im Antidopingkampf freut zum Beispiel die deutschen Kanuten, die nun mit mehr Athleten nach Brasilien fahren können.

Es könnte so kurz vor den Sommerspielen noch mehr Nachrücker geben, denn das Internationale Olympische Komitee berät darüber, sämtliche russische Athleten von den Olympischen Sommerspielen auszuschließen, also knapp 400 Sportlerinnen und Sportler. Es wäre eine Kollektivstrafe.

Der Report der Internationalen Antidopingagentur Wada, der sich auf die Aussagen des ehemaligen Leiters des Moskauer Dopingkontrolllabors, Grigori Rodschenkow, stützt, legt so einen Schritt nahe. Warum? Weil die Steuerung dirigistisch von oben nach unten erfolgte. Weil das Sportministerium um Witali Mutko in führender Rolle beteiligt war. Weil konkrete Dopingpläne ausgearbeitet wurden. Weil Proben ausgetauscht und vernichtet wurden. Weil positive Befunde vertuscht worden sind.

Die Ermittlungsergebnisse sind eindeutig. Sie zeichnen das Bild einer Sportnation, die den olympischen Medaillenkampf wieder in einer Weise politisiert und instrumentalisiert hat, wie man das nur aus Zeiten des Kalten Krieges kannte. Damals gab es auch Dopingstaatspläne und in den Laboren sogenannte Ausreisekontrollen, wodurch sichergestellt wurde, dass die Substanzen zur Leistungssteigerung nicht mehr nachweisbar waren, wenn die Sportler im Ausland zum Wettkampf antraten.

Was nun besonders für Empörung sorgt, ist die Tatsache, dass es wieder eine Zentrale der Manipulation gegeben hat, und nicht, wie in westlichen Demokratien üblich, dezentrale nichtstaatliche Dopingcluster wie etwa im Fall des Balco-Labors in den USA. Das russische Betrugssystem erscheint deswegen monumentaler und perfider, weil es wie in den 70er oder 80er Jahren von autokratischer Hand geführt wurde.

Russen in irgendeiner Form teilnehmen lassen

Das Internationale Olympische Komitee ist nun in der Bredouille. Es muss strafen. Es ist aber unfähig, mit letzter Konsequenz strafen. Der Wille, die Russen in irgendeiner Form teilnehmen zu lassen, schimmert bei den Erklärungen von IOC-Chef Thomas Bach deutlich durch.

In der Funktionärslogik des IOC geht es nicht ohne die Sportgroßmacht Russland, den Zweiten im ewigen olympischen Medaillenspiegel. So eine Klientel verprellt man nicht, zumal es über Jahrzehnte gewachsene Allianzen und Lobbystränge gibt.

Doch wenn das IOC den Russen die Tür nicht vor der Nase zuschlagen will, hilft vielleicht auch in diesem Fall der bisweilen verquere Pragmatismus des Sportrechts, den ja schon die bulgarischen Gewichtheber oder die weißrussischen Kanuten zu spüren bekommen haben.

Diese Verbände wurden wegen systematischen Dopings gesperrt, weil zwischen fünf und elf Athleten innerhalb kurzer Zeit positiv auf verbotene Substanzen getestet worden waren. Eine praktikable Lösung könnte nun zum Beispiel so lauten: Alle russischen Verbände, bei denen mehr als drei Dopingfälle vertuscht worden sind, werden mit einem olympischen Bann belegt.

Das beträfe nach dem McLaren-Report der Wada zuallererst die russischen Leichtathleten; ihr Einspruch gegen eine Olympiasperre wurde ohnehin am Donnerstag vom Sportgerichtshof CAS abgeschmettert. Zuhause bleiben müssten nach den Erkenntnissen der Wada aber auch die russischen Gewichtheber, Ringer, Kanuten und Schwimmer, die Ruderer, Boxer, Taekwondo-Kämpfer, Fechter, Triathleten, Modernen Fünfkämpfer und die Sportschützen.

Segler und Volleyballer jedoch oder die russischen Wasserballerinnen, die sich für Olympia qualifiziert haben, könnten nach Rio fahren. Es wäre nur ein kleines russisches Olympiateam, aber eins, das vielleicht sogar einen Trend setzen könnte. Denn eines ist klar: Diese Spiele müssen sich gesundschrumpfen.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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4 Kommentare

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  • Es ist eine politische Entscheidung. Wird mit gleichen Massstäben gemessen oder wird ein "Exempel" statuiert, weil die Russen sowieso unbeliebt sind.

    Wir wollen Frieden und die friedlichen olympischen Spiele sind Ausdruck des Friedens. Ausdruck der olympischen Spiele ist es natürlich auch Regeln einzuhalten. Strafe muss sein - aber die Russen ganz auszusperren eskaliert unnötig. Einzelne Verbände auszusperren wäre immer noch eine Kollektivstrafe, würde aber klar machen, dass die Russen generell willkommen sind. Eine Kollektivstrafe ist sowieso problematisch und ein ganzes Land dafür abzustrafen, dass dort Verbände das Doping organisiert haben, erscheint als eine rein politisch motivierte Überreaktion.

    Ansonsten müsste die Tour de France über ein Jahrzehnt lang ausgesetzt werden - aber da messen wir mit anderen Massstäben...

  • "Es wäre eine Kollektivstrafe." Siehe:

    Kollektivhaftung ist die rechtliche Verantwortung einer Gruppe für Handlungen eines oder mehrerer ihrer Mitglieder. Im Falle von Familien spricht man von Sippenhaftung. Sie widerspricht der aufgeklärten Grundhaltung europäischer Kulturtradition, wonach jeder für seine Taten eine individuelle Verantwortung trägt.

    • @niewiederspd:

      Nein, es ist keine Kollektivstrafe, denn wir befinden uns nicht vor einem Strafgericht. Es ist eine ordnungspolitische Maßnahme eines autonomen Verbands auf vereinsrechtlicher Ebene, so wie ein Verein bestraft werden kann, wenn sich seine Fans danebenbenehmen.

  • Es ist wie immer: besch... ist erlaubt, man darf sich nur nicht erwischen lassen. Und da bekanntermassen alle dopen, legt man die Latte besser nicht zu tief, denn sonst bleibt die Kundschaft aus.

    Mich interessieren diese und andere ähnliche Spiele deswegen schon lange nicht mehr. Hier werden keine menschlichen Leistungen gezeigt, sondern nur die Leistungsfähigkeit der Dopes. Es geht um Hundertstel und Tausendstel: wie gähnend langweilig. Vorbilder können diese Bioroboter schon lange keine mehr sein, die Wettbewerbe finden in einem eigenen Universum statt.

    Erfindet euch neu, dann reden wir wieder drüber. Alles andere ähnelt dem amerikanischen Wrestling: alles nur Show und Geldumwälzerei.

    Im Übrigen muss man aber eins berücksichtigen: die russischen Sportler sind Opfer ihres Systems und nicht von sich aus böse...z.T. zumindest.