Kommentar Dioxin im Hühnerei: Kriminelle Energie im Hühnerei
Keine Frage: Dioxinhaltige Rapsöle eines Biodieselproduzenten sind ins Futtermittel für Hühner gelangt. Die viel wichtigere Frage lautet: Wie kommt das Dioxin in die Biodieselherstellung?
K riminelle Vereinigung mit 21 Buchstaben? Richtig, Futtermittelindustrie! Skandalmeldungen gehören zu dieser Branche wie der Zopf zu Karl Lagerfeld. Jetzt wars mal wieder an der Zeit.
In Hühnereiern fand sich Dioxin, weil das Futter fürs Federvieh mit verseuchten Fettabfällen aus der Biodieselherstellung gestreckt wurde. Unsere Vorstellungskraft reicht schon lange nicht mehr aus, um uns ein Bild von den Inhaltsstoffen des Viehfutters zu machen. Erinnern Sie sich noch an Renate Künast berühmtes Reinheitsgebot, als vor elf Jahren die BSE-Krise eskalierte? In unsere Tiere kommt nur Wasser rein, Getreide und Gras, sagte sie. Denkste!
Tatsächlich werden Huhn, Schwein und Rind regelmäßig als Abfalleimer genutzt, um Entsorgungskosten zu sparen. Manches davon ist sinnvoll. Warum soll man die Molke aus der Käseproduktion oder die Trester der Brauereien wegkippen? Datumsware, also abgelaufene Lebensmittel, werden aber ebenso zu Futtermitteln verarbeitet wie Innereien und Abfälle aus der Fischproduktion. Und auch Altöl aus Fritteusen gilt als lecker Energiespender fürs liebe Vieh.
Jetzt also dioxinhaltige Rapsöle des Biodieselproduzenten Petrotec, weiterverarbeitet von der eher kleinen Firma Harles und Jentzsch. Dass man mit technischen Ölen Futtermittel veredelt, ist aber nur ein Teil des Skandals. Die viel wichtigere Frage lautet: Wie kommt das Dioxin in die Biodieselherstellung? Die ist nämlich rein chemisch betrachtet eher unproblematisch, wenn man von den Pestiziden auf den Rapsfeldern absieht. Also: Woher kommt das Ultragift?
Naheliegende Vermutung: Dem Rapsöl wurden dioxinhaltige Altlasten untergemixt, um die sündteure Entsorgung zu sparen. Aber von wem? Von Petrotec? Von Harles und Jentsch? Oder von einem Zwischenhändler?
Der "Fett-Spezialist" Harles und Jentsch zeigt sich bisher kooperativ. Auch die Selbstanzeige der Firma spricht eher dafür, dass die Dioxinquelle woanders zu suchen ist. Ein "natürlicher" Eintrag des Supergifts etwa durch die Düngung mit belastetem Klärschlamm auf den Rapsfeldern oder über die Abwindfahne einer Müllverbrennungsanlage ist eher unwahrscheinlich.
Gut möglich, dass sich dieser Futtermittelskandal noch in einen handfesten Chemieskandal verwandelt. In den verseuchten Hühnereiern steckt vielleicht mehr kriminelle Energie, als wir ahnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?