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Kommentar Die Bienen und die GrünenSelbstironische Widersprüche

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Bienen schützen wollen, aber über teuren Honig klagen: Die Grünen müssen jetzt so unentschieden bleiben wie ihre WählerInnen.

Bienchen würden Blümchen wählen – oder doch Grünchen? Foto: photocase.de/soulstormer

D ie gute Nachricht für die Grünen: Ihr Spitzenkandidat hat Humor. Kurz vor der Wahl in NRW am Sonntag, bei der die Grünen ums politische Überleben kämpfen, empfiehlt Cem Özdemir seine Partei als „parlamentarische Vertretung der Bienen“ und antwortet auf die Frage, ob das den Bienen recht sei: „Ja, die Bienen haben eine Urwahl abgehalten. Das Ergebnis bei den Drohnen war allerdings sehr knapp.“ Souveräner kann man kaum mit dem Urteil der meisten Medien umgehen, dass der grüne Urwahlverlierer Robert Habeck der bessere Spitzenkandidat gewesen wäre.

Die schlechte Nachricht für die Grünen: Auch Özdemirs origineller Last-Minute-Einsatz für die Bienen wird Rot-Grün in NRW wohl nicht mehr retten. Und mit Blick auf die Bundestagswahl ist unklar, ob die WählerInnen einen solch selbstironisch-entspannten Umgang mit Zukunftsfragen wie dem Bienensterben goutieren werden.

Zu dieser lockeren Haltung gehört die Einsicht in die menschliche Unvollkommenheit – und die Bereitschaft zu suboptimalen Kompromissen. Diese Biegsamkeit ist bei den meisten Spitzengrünen inzwischen so weit ausgeprägt, dass sie nicht erst nach der Wahl einknicken, sondern schon vorher auf radikale Versprechen verzichten und nur noch realistische, also komplizierte Pläne schmieden.

Problem eins: Damit gehen sie medial unter, weil vor allem griffige Parolen Beachtung finden. Problem zwei: Die Grünen können gar nicht mehr radikal auftreten. Dafür ist ihre potenzielle Wählerschaft zu gespalten. Die einen sind ehemalige Hausbesetzer, die anderen Hausbesitzer, manche beides. Die einen wollen nicht noch mehr Geld an den Staat zahlen, die anderen haben gar keins. Das einzige Thema, bei dem die Grünen einig radikal sein konnten, hieß Atom und ist passé.

Den Grünen bleibt gar nichts anderes übrig, als kleine Schritte für Klima und Gerechtigkeit zu planen – und dabei genauso unentschieden zu bleiben wie die meisten WählerInnen, die theoretisch für Klimaschutz sind und praktisch zweimal im Jahr nach Gomera fliegen. Die theoretisch für offene Grenzen sind und praktisch gegen belegte Turnhallen. Die auch Bienen schützen wollen, aber über teuren Honig klagen. Özdemirs Tweet war ein Versuch, mit diesen Widersprüchen selbstironisch umzugehen. Doch wer kann und will da folgen?

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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6 Kommentare

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  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Alles falsch verstanden: Wer von Bienen spricht meint Schwarz-Gelb. Özdemir bereitet Jamaika vor!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @74450 (Profil gelöscht):

      Wohl wahr, aber überhaupt nicht witzig.

  • Treffende Analyse. Der/die typische Grüne fährt seine Kinder mit dem SUFF zum Kindergarten und anschließend zum Biosupermarkt, wo dann plastik-einzelverpackte Südfrüchte eingekauft werden, oder energetisierte Smoothies. Die Partei ist dementsprechend tot. Der Teutsche Grünenwähler hat vermutlich den doppelten CO2-Abdruck des Durchschnittsbürgers. Und Wölfe sind gefährlich für die eigene Brut! Lieber über Löwenabschüsse in Afrika mosern. Was bleibt? Eine Lücke für eine links-demokratische Umweltpartei.

    • @OhWeh:

      Ja, wie schön, wenn man mit den Wölfen heulen kann, da fühlt man sich doch gleich zu ...irgendwas...zugehörig, egal.

      Ihre schnittige Analyse "der Grünen" zeigt vor allem eins: dass die, die nicht viel verstanden haben (z.B. bzgl. der Bienen) ihr Meinung immer gerne auf handfesten Vorurteilen und bildgewaltige Unterstellungen gründen.

      Übrigens gibt es im BIO-Supermarkt keine in Plastik abgepackte Lebensmittel - das müssen nur die Dumping-Supermärkte machen, damit ihnen die betrugsfreudigen Durchschnittskunden nicht die teuren Biosachen als billiges Chemo-Gemüse auf's Band legen. In den meisten Biomärkten gibt es noch nicht mal mehr Plastiktüten.

      Aber in einem sind wir erstaunlicherweise einig: eine linksdemokratische Umweltpartei würde tatsächlich eine Lücke füllen. Aber bitte friedlich-demokratisch und ohne Bashing.

  • Unverschämtheit,

    den Bienen geht's weiter an den Kragen, auch da, wo Grüne in der Landesregierung sitzen. In RLP und Bawü werden genau so viele Insektizide ausgebracht , wie in Bayern.

    Die grüne Bewegung übt den Stillstand, die Freidenker sind raus, Katholiken an der Macht. Der letzte macht das Licht aus!

  • Nein, nein, also die Sachen mit den Bienen ist sehr wichtig, übrigens genauso wichtig, vielleicht noch wichtiger, als die Sache mit der Atomenergie, darüber sollte man sich - ob 'Hausbesetzer oder Hausbesitzer' (Artikel) - schon verständigen können - aber wenn man halt keine Ahnung hat und denkt, Kirschen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen werden irgendwie in der Fabrik montiert, dann schreibt man leider, nicht wahr, Artikel wie diesen ... seufz !