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Kommentar Deutschland – GhanaDisparater Stoff

Kommentar von Johannes Kopp

Das deutsche Team ist derzeit im Grenzbereich zwischen Genie und Wahnsinn heimisch. Kreative Kontrolle kann jederzeit ins blanke Chaos führen.

Vieles spricht dafür, dass die deutsche Nationalmannschaft mit dem Spiel gegen Ghana einen weiteren Schritt nach vorn gemacht hat Bild: dpa

E s war ein opulentes Spiel. Mit Sicherheit nicht das beste, aber das reichhaltigste, das diese WM bislang zu bieten hatte. Erst gähnenden Langeweile, dann mitreißende Spannung, Chancen und Fehler in ungekannten Größenordnungen, erstaunlich starke und erschreckend schwache Momente. Aus deutscher Sicht lieferte das Aufeinandertreffen zwischen dem DFB-Team und Ghana derart disparaten Stoff, das sich aus dem Remis zwei völlig widersprechende Schlussfolgerungen aufdrängen.

Zum einen spricht vieles dafür, dass die zuweilen behäbige deutsche Defensive bei dieser WM wie schon vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft im entscheidenden Moment wieder einmal überrannt wird. Möglicherweise wieder wie 2012 begünstigt von einem Wechselfehler von Joachim Löw. Denn hätten die Deutschen am Samstagabend gegen Ghana verloren, wäre dem Bundestrainer gewiss nicht die Debatte erspart geblieben, warum er für den angeschlagenen Jerome Boateng nicht Philipp Lahm auf die Außenposition versetzte, sondern den unerfahrenen und entsprechend leicht verunsicherbaren Shkodran Mustafi ins Spiel brachte.

Löw hält Lahm im defensiven Mittelfeld offenbar für unersetzlich. Ein Dogma, das ihm angesichts seiner Alternativen auf der Außenbahn auf die Füße fallen könnte. Zum anderen spricht aber auch vieles dafür, dass die Nationalmannschaft nach dem Portugalspiel einen weiteren Schritt nach vorn gemacht hat.

Löw musste in dem Turnier nicht nur erstmals auf einen Rückstand reagieren, sondern auch auf die mangelnde Durchschlagskraft der deutschen Offensive. Er tat dies ganz undogmatisch, indem er mit Stoßstürmer Miroslav Klose dem deutschen Angriffsspiel eine andere Dimension gab. Dass die Maßnahme von Erfolg gekrönt war, stärkt das Vertrauen in die eigene Variabilität. Das dürfte von großer Bedeutung für die nächsten Begegnungen sein.

Die beiden möglichen Lesarten dieses Spiels offenbaren mehr denn je: das deutsche Team ist im Grenzbereich zwischen Genie und Wahnsinn heimisch. Maßgeblich hat das mit den offensiven Stärken und den defensiven Schwächen zu tun.

Auch Benedikt Höwedes lässt sich auf der linken Seite allzu leicht düpieren. Aus dem Spiel der kreativen Kontrolle kann jederzeit das blanke Chaos entstehen. Die Wahrscheinlichkeit erhöht sich immens, wenn wie bei der gestrigen Partie plötzlich beide Teams das Risiko suchen. Unterhaltsam ist all das in jedem Falle. Man darf sich auf die nächsten Spiele freuen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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2 Kommentare

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  • unterhaltsam-faires Spiel - in dem 'schlands Balltretern mal furztrocken&amüsant die Grenzen

    aufgezeigt wurden - hätte locker

    2:5 ausgehen können -

     

    und Danke -

    daß hier wieder begreiflich gemacht wird -

    warum Albert Einstein immer darauf bestand, lediglich neugieriger zu sein als andere -

    Genie aber fulminant zeitlebens abgelehnt hat;

     

    (statt dessen -

    hier 'n paar Blätter weiter für geistige Kleinrenter am Vorgartenzaun -

    die Abiturprüfung auf alle Ewigkeiten in die Tonne getreten hat;-))

  • Das Schlimme ist, dass Löw jetzt für seine Einwechslungen gelobt wird, obwohl er die Abwehr mit dem unerfahrenen Mustafi und dem Schneckentempo-Höwedes entscheidend geschwächt hat. Lahm hat international noch nie so schlecht gespielt wie bei dieser WM, offensichtlich ist das nicht seine Position. Und das Wichtigste: Die offensiven Mittelfeldspieler wollen keine Tore machen. Statt alleine vor dem Torwart auf's Tor zu ziehen, gehen sie nach außen, um zu flanken. Dann kommt der erste echte Stürmer nach 2 1/2 Stunden deutscher WM-Zeit auf's Feld und nach einer Minute macht er mit der ersten Ballberührung ein Tor. Özil produziert geniale tödliche Pässe, die Müller, Götze und Co. versieben, ihm fehlt ein richtiger Stürmer. Hätten Stürmer diese Vorlagen verwertet (der Pass auf Müller war auf den Centimeter genau), wäre er für die Assisst gelobt worden, so ist es Volkssport, ihn wegen angeblicher Trägheit bei 33°C zu dissen. Warum spielen gegen so schnelle und körperliche Kontermannschaften nicht Lahm und Durm hinten, va. wenn Boateng raus muss? Gegen Chile hätte Deutschland so klar verloren.