Kommentar Deutsche Wasser-Nitratwerte: Die EU klagt zu Recht
Deutschland muss schärfere Regeln gegen Überdüngung einführen. Auch wenn das teuer wird. Denn irgendwann explodiert diese Zeitbombe.
D ie Bundesregierung muss endlich die Regeln für die Düngung verschärfen. Weil der durchschnittliche Bauer zu viel von der Stickstoffverbindung Nitrat freisetzt. Weil diese Überdüngung Gesundheit und Umwelt gefährdet. Und weil die EU-Kommission nun ihre Klage gegen Deutschland wegen Verletzung der Nitratrichtlinie vorantreibt.
Vor allem die Landwirte sind Experten zufolge daran schuld, dass 2014 in 18 Prozent von Deutschlands repräsentativ ausgewählten Grundwasser-Messstellen mehr Nitrat war, als in Trinkwasser erlaubt ist. Das ist eine ernste Gefahr, weil Leitungswasser meist aus den Reservoirs tief unter der Erde gewonnen wird und Nitrat sich im Körper in giftiges Nitrit umwandelt. Belastetes Grundwasser erreicht oft erst nach einigen Jahren die Brunnen. Aber irgendwann explodiert diese Zeitbombe.
Ungerecht ist, dass wir alle dafür zahlen müssen – auch die Käufer von Bio-Lebensmitteln, die mit weniger Dünger erzeugt werden. Denn es treibt die Wasserpreise in die Höhe, wenn belastetes Brunnenwasser verdünnt oder gereinigt werden muss. Und: Wegen der Nitratbelastungen könnte der Europäische Gerichtshof Deutschland zu einer Milliardenstrafe verurteilen. Die Überdüngung geht auch auf Kosten der Natur: Zu viel Stickstoff trägt zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei.
All das ist schon lange bekannt. Doch das CSU-geführte Bundesagrarministerium sträubt sich, per Düngegesetz und -verordnung die Stickstoffmengen in der Landwirtschaft genügend zu senken. Zu groß ist der Druck des Bauernverbands und der Düngerindustrie. Ihr Argument, die Landwirte bräuchten die Mengen, um uns zu ernähren, ist falsch: Die Statistik zeigt, dass die Bauern im Schnitt pro Jahr etwa 100 Kilogramm mehr Stickstoff ausbringen, als die Pflanzen aufnehmen können. Oft geht es vielmehr darum, die Millionen Tonne Gülle aus Massenställen zu verklappen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen