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Kommentar Contra BahnstreikGleicher Lohn für gleiche Arbeit

Kommentar von Richard Rother

Der GDL geht es nicht um höhere Löhne für die Lokführer, sondern um die Ausdehnung ihrer Macht. Die Folgen des Ausstands sind nicht angemessen.

GDL-Chef Weselskys Ziel: Dank der Streikmacht der Lokführer mehr für diese Berufsgruppen herausholen, damit viele zur GDL wechseln. Bild: dpa

G leicher Lohn für gleiche Arbeit – das ist ein Leitwert, der Gewerkschaften seit Jahrzehnten beflügelt. Diesen Grundwert missachtet der Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, ganz bewusst. Er möchte für alle bei ihm organisierten Beschäftigten – also etwa auch Schaffner, Kellner oder Rangierer – eigenständige Tarifverträge aushandeln. Und zwar unabhängig davon, was die Kollegen, die bei der DGB-Konkurrenzgewerkschaft EVG organisiert sind, für die gleiche Arbeit bekommen.

Weselskys Ziel: Dank der Streikmacht der Lokführer mehr für diese Berufsgruppen herausholen, damit viele zur GDL wechseln und so seine Organisation stärken. Deshalb lehnt er Tarifabsprachen, wie sie in anderen Branchen üblich sind, mit der EVG ab. Der GDL geht es nicht um höhere Löhne für Lokführer und andere, sondern um die Ausdehnung ihrer Macht. Dafür Millionen Menschen tagelang einzuschränken – das ist nicht angemessen. Und es ist unfair den Bahn-Beschäftigten gegenüber, die Weselsky links liegen lässt: Gleisbauer, Reinigungskräfte, Lokschlosser, Verwaltungsfachleute. Je mehr die GDL für ihre Klientel herausholt, umso weniger bleibt den anderen vom großen Kuchen – es sei denn, die Bahn erhöht die Fahrpreise.

Ärgerlich ist, dass der Deutsche Beamtenbund, dem die GDL angehört, Weselskys Kurs nach wie vor unterstützt. Wollen die Beamtenfunktionäre, die Weselsky mit einem Wort stoppen könnten, ein ganzes Land zum Stillstand bringen, um der DGB-Konkurrenz ein paar tausend Mitglieder abzuwerben? Oder ist es Rache im Voraus, weil das Tarifeinheitsgesetz kommt?

Sicher, die EVG hat sich häufig nicht mit Ruhm bekleckert. Aber zu glauben, dass die Vertretung von Arbeitnehmern künftig leichter wird, wenn sich eine Spartengewerkschaft auf DGB-Kosten stärkt – das ist naiv. Es waren die großen DGB-Gewerkschaften wie IG Metall, IG Chemie und ÖTV/Verdi, die in diesem Land für halbwegs anständige Löhne und gesellschaftlichen Fortschritt sorgten: vom arbeitsfreien Samstag über die 35-Stunden-Woche bis hin zur Altersteilzeit. Nicht Streik und Krawall sind entscheidend, sondern was am Ende herauskommt. Wem das nicht kämpferisch genug ist, der sollte den Lebensstandard eines Durchschnittsarbeitnehmers in Deutschland mit dem in streikfreudigeren Ländern vergleichen – etwa Frankreich, Belgien oder Italien.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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15 Kommentare

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  • Toll.

     

    Und wo kann ich mir die lt. Herrn Rother von den tollen Gewerkschaften in Kompromissbereitschaft erzielten angeblichen Vereinbarungen abholen?

    Ich war 30 Jahre lang im öffentlichen Dienst und habe nie eine 35-h-Woche gehabt. Die ist tariflich nie ausgehandelt worden, geschweige denn angesichts der Arbeistzeitverdichtung jemals erreicht worden. Da hat die Arbeitszeit eher zugenommen.

    Im großen Einheitsgesabbele haben die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern nur die Zusatzversorgung auf ein lächerliches Minimum gekürzt.

     

    Kurzum: Rother hat nicht die geringste Ahnung von dem, was verdi/ötv wirklich ausgehandelt haben oder stellt es absichtlich falsch dar.

    Bei solchen Artikeln fallen einem schnell Sprüche ein wie "Der sollte erstmal selber arbeiten gehen". Im Erziehungsdienst z.B.

  • Streiks sind nunmal unangenehm, nicht zuletzt für die Streikenden. Wenn sich die Mitglieder einer Gewerkschaft für Streik aussprechen, muss man das in einer Demokratie akzeptieren. Dabei ist es vollkommen egal, ob es sich um eine große oder kleine Gewerkschaft handelt. Auch Minderheiten haben das Recht, für ihre Interessen zu streiken. Es ist mir daher vollkommen schleierhaft, wie man ein Tarifeinheitsgesetz vor dem Verfassungsgericht durchbekommen kann. Aber mittlerweile ist hier zu Lande wohl alles möglich.

  • Haha, es ist mit Sicherheit im Sinne der neoliberalen Wirtschaftswelt, wenn die Tarifabschlüsse der EVG unter den Forderungen der GDL bleiben. Würde die Existenz der Spartengewerkschaft GDL im Sinne der DB sein, würde diese mit den GDLern sicher reden. Die DB ist offensichtlich nicht an der Zersplitterung des träge- braven Elefanten EVG interessiert. Ich glaube, sie vertauschen hier die Perspektiven.

    • @lions:

      Antwort an @BETAZT

  • Schon seltsam mit welchem Wohlwollen CDU-Mitglied-Beamtenbund-GdL Weselsky rechnen kann. In der neoliberalen Wirtschaftswelt sind diese Sparten-Gewerkschaften ausdrücklich gewollt mit dem alleinigen Ziel die Gewerkschaftsbewegung zu zersplittern und damit machtlos zu machen. Wohin dieser Gruppenegoismus führt, das ist leicht auszurechnen, aber viele sind hier auf beiden Augen blind.

    • @beTAZt:

      Ich bin seit mehr als 40 Jahren Mitglied einer DGB-Einheitsgewerkschaft und gedenke dies auch nicht zu ändern. Aber ich sehe halt auch die Nachteile die solche Großgewerkschaften haben: für berufsspezifische Belange verschiedener Sparten fällt da zu oft wenig ab, weil man von der sog. "Stammmitgliedschaft" dominiert wird. Gerade deswegen auch mein ausdrückliches Lob an "meine" Gewerkschaft Verdi, die nicht nur endlich mal die bislang oft vernachlässigten Interessen von Erzieher/Innen tatkräftig aufgreift sondern es auch ablehnt den Streik der GDL zu kritisieren.

      Es ist falsch zu behaupten Sparten-Gewerkschaften wären in der neoliberalen Wirtschaftswelt willkommen. Das sind sie nämlich nur solange sie das Maul halten und nicht die Streikfahne schwingen. Im Kapitalismus jeglicher Ausprägung sind überhaupt keine Gewerkschaften willkommen!

      Und die ewig beschworene Kraft durch Einigkeit der Gewerkschaften wird zu einer hohlen Phrase, wenn diese ihre Kraft nicht auch bereit ist mittels Arbeitskämpfen einzusetzen.

      Ein zahmer Tiger ist halt nur ein Bettvorleger!

  • "Und zwar unabhängig davon, was die Kollegen, die bei der DGB-Konkurrenzgewerkschaft EVG organisiert sind, für die gleiche Arbeit bekommen."

    Seltsame Argumentation, könnte glatt von Nahles kommen.

    "Gleiches Lohn für gleiche Arbeit" wird von der GDL hier nicht in Frage gestellt, denn den EVG- Mitgliedern bleibt es offen, der EVG den Rücken zu kehren, wenn die nicht genug für sie tut.

  • "... der sollte den Lebensstandard eines Durchschnittsarbeitnehmers in Deutschland mit dem in streikfreudigeren Ländern vergleichen – etwa Frankreich, Belgien oder Italien." - Lokführer in Frankreich (=4100 €) und Spanien (=4300 €) verdienen jedenfalls mehr als in Deutschland (=2300€)!

     

    http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2014/11/streikzeitung2.pdf

  • nachdem der streik nun personalisiert ist, kann das subjekt beliebig ausgetauscht werden.

     

    mfg.

  • Es ist sogar gerichtlich festgestellt, dass die Streiks der GDL verhältnismäßig sind.

     

    Der DGB hat im übrigen längst die Seiten gewechselt, deswegen laufen ihm auch die Mitglieder scharenweise davon.

     

    Und von Funktionären wie Hansen, der nahtlos vom Transnetvorsitzenden in den DB-Vorstand gewechselt ist und zur Belohnung für den Verrat an den Beschäftigten eine Millionenabfindung kassiert hat, haben die Beschäftigten schon lange die Schnauze voll.

     

    Haltet durch liebe Lokführer, es geht um mehr als nur ein paar % mehr Lohn.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Weselskys Ziel: Dank der Streikmacht der Lokführer mehr für diese Berufsgruppen herausholen, damit viele zur GDL wechseln und so seine Organisation stärken."

     

    OK.

     

    Und jetzt die Folgerung...

     

    "Der GDL geht es nicht um höhere Löhne für Lokführer und andere, sondern um die Ausdehnung ihrer Macht."

     

    Genau. Jede Gewerkschaft, die sich für Ihre Mitglieder einsetzt und um MItglieder kämpft ist jetzt also machtversessen? Ist dies nicht Sinn einer Gewerkschaft? Jedenfalls, wenn wir eine Organisation meinen, die sich für die Interessen der Beschäftigten/Mitglieder, notfalls mit Streikaktionen einsetzt und nicht nur "verhandelt".

  • Selten so einen abwiegelnden, weltfremden und Wichtiges auslassenden Artikel gelesen. Die GDL soll also zahm bleiben und klein beigeben gegenüber einer notorisch handzahm auftretenden Konkurrenzgewerkschaft EVG, Nachfolger des DB-AG-Konzernarmes Transnet. Wo leben Sie eigentlich, Herr Rother? Siehe http://www.heise.de/tp/artikel/44/44842/1.html. "Die GDL streikt für uns alle".

    • @Ulrich Frank:

      Link funktioniert nicht.

    • @Ulrich Frank:

      Diese Egozentrik, eine GDL streikt doch nur für sich. Alles andere ist Nonsens und Klassenkampfromantik.

      • @TazTiz:

        Auch wenn die GDL es unwissentlich tun sollte, so tut sie es doch im Sinne von Herrn Frank.