Kommentar Castorf und Feminismus: Mehr als alte Sackhaftigkeit
Frank Castorfs Theaterarbeit ist wesentlich vielfältiger und ambivalenter als das pauschale chauvinistische Bild, das jetzt von ihm entworfen wird.
U ff, da hat sich einer in die Scheiße geritten. Kurz vor seiner jüngsten Premiere, „Don Juan“ am Residenztheater München, stand ein Interview mit Frank Castorf in der Süddeutschen. Wie er sich dort über Regisseurinnen und Frauenfußball äußerte und Künstlerinnen und Sportlerinnen dabei – mit Ausnahme von Pina Bausch – jegliche ihn interessierende Qualität abspricht, hat ihm nun zu Recht viele Vorwürfe der Ignoranz und Frauenverachtung eingetragen. Dass er dagegen seine Hochachtung vor der Intelligenz seiner Schauspielerinnen stellte, die sich bei aller Sexyness im Auftritt stets gewandt durch anspruchsvolle Texte arbeiten, nützte nichts.
Zwei offene Briefe wurden geschrieben, einmal von der Dramaturgin Felizitas Stilleke, den die Welt mit einem Abdruck dokumentierte, und von einer „Initiative Solidarität im Theater“. Beide nehmen dabei Castorf als Repräsentanten für ein Theatersystem, das mit vielen Verkrustungen an patriarchaler Macht festhält.
Eine der Unterzeichnerinnen von Stillekes Brief, die Kulturwissenschaftlerin Simone Dede Ayivi, führt das auf taz.de noch einmal aus: „So entsteht Kunst, die ohnehin nur für einen erlauchten Kennerkreis gedacht ist, der sich immer wieder um sich selbst dreht. Dieses Theater ist nicht inklusiv, nicht queer, nicht vielfältig. In diesem Theater hat die Kunst von Frauen, Schwarzen Menschen, People of Color und anderen Marginalisierten keinen Platz.“
Da scheint das Fass der Feindschaft allerdings zu weit aufgemacht und Äußerungen eines Regisseurs und ehemaligen Intendanten höher bewertet zu werden als seine Arbeit. Zwar fehlten der Volksbühne Regisseurinnen, aber es gab viele Abende von René Pollesch, geliebt auch von einer großen queeren Gemeinde. Genderrollen infrage zu stellen, ist gefühlt ein Anliegen jeder zweiten Inszenierung überhaupt.
Und wenn Castorf sich vor der Inszenierung von „Don Juan“ in seiner alten Sackhaftigkeit etwas kokett ausstellt, so kann das doch in ein Spannungsverhältnis zu seinen Inszenierungen gestellt werden, die eben nicht erst jetzt von der Erosion des Männlichen erzählen, von seinem Verfall, und das Geniekonzept, das ihm jetzt unterstellt wird, von jeher äußerst heftig benagen.
Zudem hat er in seinen letzten Inszenierungen schwarze SchauspielerInnen zu den Ensembles dazugeholt und einen Fokus auf die Geschichte von Ausschlüssen und Grenzverläufen gelegt – also das thematisiert, was ihm nun zur Last gelegt wird. Seine Theaterarbeit ist wesentlich vielfältiger und ambivalenter als das pauschale Bild, das jetzt von ihm entworfen wird.
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