Kommentar CSU und Orbán: Welches Europa will die CSU?
Viktor Orbán, nun bei der CSU zu Gast, steht für ein anderes Europa. Sein Gastgeber Horst Seehofer weiß das – und es stört ihn nicht.
Der ungarische Premier Viktor Orbán ist das neue Idol aller Rechtspopulisten in Europa. Mit seinem harten Kurs in der Flüchtlingsfrage weiß er nicht nur die Regierungen etwa in Osteuropa hinter sich, die sich den Quotenplänen der Kanzlerin verweigern.
Für seine Begründung, er wolle in seinem Land einfach nicht mit Muslimen zusammenleben, denn die seien ein Sicherheitsrisiko, erhält Orbán auch Applaus vom ganz rechten Rand. Sein paranoides Weltbild, wonach durch muslimische Einwanderer jedem Land zwangsläufig über kurz oder lang die Überfremdung drohe, wird auch vom Front National, der FPÖ, Italiens Lega Nord und der Alternative für Deutschland geteilt.
CSU-Chef Horst Seehofer wird schon wissen, warum er ausgerechnet Viktor Orbán zur Klausur seiner Landtagsfraktion ins Kloster Banz eingeladen hat. Er hofft, damit der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, von der man in diesen Tagen tatsächlich erstaunlich wenig hört. Mit populistischem Trommelfeuer aus München stiehlt ihr Seehofer einfach die Show.
Doch dass Seehofer ausgerechnet in der Woche, in der Angela Merkel in Brüssel um eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa wirbt, Europas größten Spalter nach Bayern einlädt, ist mehr als eine symbolische Geste der Abgrenzung – es ist ein übles Foul an der deutschen Kanzlerin. Es zeigt, dass die CSU Merkel grundsätzlich das Misstrauen ausspricht.
Damit spaltet Seehofer nicht nur die Union. Denn Orbán steht ja nicht nur für Zäune und Stacheldraht, für Tränengas und Gewalt gegen Flüchtlinge. Er ist ein erklärter Gegner der liberalen Demokratie, verachtet Homo-Ehe und Minderheitenrechte, diskriminiert Roma und liebäugelt mit dem autokratischen System eines Wladimir Putin, kurz: Er lehnt die Werte der EU ab.
Viktor Orbán steht für ein anderes Europa. Die Frage ist: Für welches Europa steht die CSU? Und wie steht sie zu seinem Rassismus? Sie sollte langsam mal Farbe bekennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen