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Kommentar CSU und BetreuungsgeldTradierte Dickschädlichkeit

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Die Christsozialen in Bayern haben seit jeher einen Hang zur Verfassungswidrigkeit. Doch die früheren Schlappen zeigen: Ihre Misserfolge kommen an.

Will das Betreuungsgeld trotz Verfassungsgerichtsentscheid weiter in Bayern halten: der Ministerpräsident des Landes Horst Seehofer (CSU). Foto: dpa

D ie CSU bestand nicht auf das Grundgesetz. Im Gegenteil. Die ganze Nacht hindurch hatte der bayerische Landtag über die neue Verfassung diskutiert, über zu wenig Gott in der Präambel und zu wenig Einfluss für die Länder, und dann, am frühen Morgen des 20. Mai 1949, stimmte die CSU-Mehrheit einfach mit Nein. Ein unmissverständliches Statement: Dieses Grundgesetz wollen wir nicht. Nur über juristische Umwege trat es kurz darauf doch noch in Kraft, sogar in Bayern.

Für die Debatte um das Betreuungsgeld und das Bundesverfassungsgericht liefert das Abstimmungsverhalten des ersten bayerischen Landtags gleich zwei Schlüsse. Erstens: Dass Gesetze mit CSU-Handschrift an der Verfassung scheitern, zeugt von einer bemerkenswerten Konsequenz. Zweitens: Widerstandsgeist und Dickschädlichkeit haben in Bayern so tiefe Wurzeln, dass sich die Christsozialen auch über ihre jüngsten Schlappen freuen können. Ihre Wähler nämlich werden den Misserfolg goutieren.

Das sprengt freilich die politische Logik. Von jeder anderen Partei würden sich die Wähler abwenden, wenn sie eine Schlappe nach der anderen einfährt; wenn sie in den Koalitionsverhandlungen kaum eine Forderung durchbringt, wenn das eine Herzensthema (Autobahnmaut) an den europäischen Verträgen zerschellt und das andere Herzensthema der vergangenen Legislaturperiode (Betreuungsgeld) am Grundgesetz. Denn wozu braucht der Wähler schon eine Partei, die seine Interessen nicht in Gesetze umwandeln kann?

Als Regionalpartei unterliegt die CSU aber einer speziellen politischen Logik. Die Bayern prägt nicht nur der bemerkenswerte Widerstandsgeist, sie sind auch immun gegen Niederlagen.

Als bayerischer Nationalheld gilt bis heute ein Schmied, der vor 300 Jahren die Bauern gegen die österreichischen Besatzer aufwiegelte – obwohl der Volksaufstand nach wenigen Wochen in der Sendlinger Blutweihnacht ersoff. Der Widerstand der frühen CSU gegen das Grundgesetz war zwar letztendlich ein Rohrkrepierer – zum Dank darf die Partei aber seitdem mit kurzen Unterbrechungen den Freistaat regieren. Und die CSU mag 1976 mit dem Versuch gescheitert sein, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufzukündigen – aber den Mann hinter dem Kreuther Trennungsbeschluss (Franz Josef Strauß) wählten die Bayern zwei Jahre nach der Pleite erst recht zum Ministerpräsidenten.

Und so wird der CSU auch das Urteil zum Betreuungsgeld zugute kommen. Ihre Anhänger werden sich an der Wahlurne nicht daran erinnern, dass sich die Christsozialen mit ihrem Hang zu verfassungswidrigen Gesetzen jeden Gestaltungsspielraum raubten. Bei ihnen bleibt etwas ganz anderes hängen: dass Seehofer und Co den Saupreußen aus Berlin, Brüssel und Karlsruhe mit Herdprämie und Autobahnmaut mal so richtig die Stirn geboten haben.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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19 Kommentare

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  • Da gäbe es schon noch etwas, womit der Herr Seehofer sein angeschlagenes Image aufpolieren könnte: TTIP - Gegner unterstützen. Wie ich höre, ist in Bayern die Mehrheit der Bevölkerung gegen TTIP und seine geplanten Schiedsgerichte. Das wäre ein offenes Betätigungsfeld für ihn, sich zu profilieren und sein ramponiertes Image aufzupolieren.

     

    Auf geht's Buam!

  • Ist das Betreungsgeld mit Unterhaltsansprüchen verechenbar?

    .

    Sollte König Horst d.1. neben Parteitaktischen auch private interessen vorfolgen:-) Ne ist ja schon ein paar Jahre her.

    .

    Niemand hindert die Bayern daran ein Landesbetreungsgeld einzuführen, eine Ausländer-Maut für die Zugspitzbahn zu verlangen. in der Gstromńomie habe ich schon länger das Gefühl das es dort zwei Preise gibt...aber Bayern, lasst doch das nöhlen, das der Bund eure spielchen zahlen soll.

    .

    Kopfschüttelnd

    Sikasuu

  • Der Artikel ist ja doch ein bissl schludrig abgefasst - zum einen hat der (sagenhafte und beileibe nicht historisch belegte ) Schmied von Kochel keineswegs die Bauern aufgewiegelt; dies war ein von betroffenen Bürgern und selbstbewussten Bauernführern initiierter Aufstand gegen ein unerträgliches Besatzungselend, der so vom Volke gesteuert war, daß der bairische Adel Thron und Altar in Gefahr sah und besser nicht mitspielte; zum zweiten regiert die CSU beileibe nicht seit 1949 ununterbrochen den Freistaat; der Name Högner sollte auch Nichthistorikern bekannt sein. Erst informieren, dann schreiben!

    • Tobias Schulze , Autor des Artikels, Parlamentskorrespondent
      @Dreiquartelprivatier:

      Danke für den Hinweis. Punkt zwei ist korrigiert. Was den lieben Schmied angeht: Laut der Legende wären die Bauern ohne ihn am Isartor ja gleich wieder umgekehrt. Als Aufwiegler lasse ich ihn also mal stehen, auch wenn es sicher ohne ihn genauso zum Aufstand gekommen wäre - wenn es ihn denn überhaupt gab.

    • @Dreiquartelprivatier:

      Da schau her - so gehts ah. Danke.

       

      &G'wiß - Der Hoegner Wilhelm -

      Des war scho einer; - &

       

      Aach - wann der Höcherl Herrmann -

      Dess doppel geschlitzte Schlitzohr - nich

      Oallweil des Grundg'setz - des daamsche Unterm Oarm droagen het;))

       

      &Naa - ihr Baazis -

      Die Erste&Einzige - Joha!! -

      Räterepublik - …ff

       

      kurz - Gelächter von außen - &

      Na Servus - im - Oskar Maria.

  • Der FCSU Bayern hat Fans - keine Wähler.

  • Was haben die Griechen und die Bayern gemeinsam?

    Die Dickschädlichkeit!

    • @Querdenker:

      Und die Farben der Staatsflagge, was kein Zufall ist.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @lichtgestalt:

        Ein Blick in Geschichtsbücher könnte weiterhelfen. Tipp: 19. Jahrhundert.

  • Wo ist das Problem mit dem Betreuungsgeld. Von der formalen Lage einmal abgesehen, ist es dem Gesetzgeber in Bund und Ländern überlassen, wie diese die Familien fördern wollen.

     

    Wenn die Mehrheit der Wähler in Bayern dies so wünscht kann man in anderen Parteien gerne anderer Meinung sein, aber dann bitte auch nicht jammern, wenn der Wähler wo anders sein Kreuz macht und damit den eigenen Gesellschaftsvorstellungen eine Abfuhr erteilt.

     

    Die Argumentation grenzt schon an Demagogie. Kernthese! Das Kind muss abgegeben werden können, damit Frauen wie Männer sein können! Das ist die Kernaussage von Schwesig und Co.

     

    Aber sorry diese Meinung teile ich nicht und werde ich nie!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @insLot:

      Zu Ihrer Frage, wo das Problem mit dem Betreuungsgeld liege: der bayerischen Haltung wäre dann zuzustimmen, wenn sie die Kosten dafür auch selbst übernehmen würden. Das wäre mal der Anflug von Konsequenz. Das will die CSU aber nicht.

       

      Sie möchte das Betreuungsgeld zwar auszahlen, finanzieren soll es hingegen der Bund.

       

      Nach der Trassenführung der neuen geplanten Stromtrassen und der Verteilung des deutschen Atommülls ist dies ein weiteres Kapitel aus der Geschichte "Bavaria und Sankt Florian".

       

      Die Bewertung überlasse ich gerne Anderen.

  • Das "Mia san Miiia" habe ich schon immer für einen überkompensierten Minderwertigkeitskomplex gehalten.

     

    Da ist mit Logik nix zu machen, denn was nicht logisch ist, ist psychologisch.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Bayern als Heimat der 'Besonderen'? Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Dagegen spricht schon allein, dass ich in Hessen lebe.

     

    Die Heimat der Besonderen habe ich bislang in Bayern nicht entdecken können. Die Bajuwaren mögen zwar habituell und optisch besonders wirken (welcher Mensch läuft schon nördlich des Weißwurstäquators freiwillig in Lederhosen und mit Gamsbart herum?), ihre Handlungen stehen aber nicht für Außergewöhnliches.

  • "Die Christsozialen in Bayern haben seit jeher einen Hang zur Verfassungswidrigkeit."

    In NRW sind es SPD und Grüne, die jahrelang verfassungswidrige Haushalte vorlegten. Frau Kraft genießt dennoch weiterhin eine hohe Wählergunst. Also: wen schert's?

  • Mir san halt mir in Bayern, und ganz furchtbar stolz darauf.

     

    Es ist doch keine neue Erkenntnis, dass Rechte im Zweifel genau so gerne links klauen wie anderswo. Sie sind nicht kreativ. Sie müssen sich bei anderen bedienen. Und das ist manchmal auch nicht schwer. Es gibt schließlich kein Copyright auf Sprüche wie "Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt." Niemand wird vor Gericht ziehen und eine Geld- oder Freiheitsstrafe einklagen von der "Autorität", wenn selbstverliebte Bayern (oder Pegidisten) ihre Muttersprache erst entführen und dann fesseln, knebeln und schließlich auch noch vergewaltigen.

     

    "Scheiß doch auf's Grundgesetz, wenn da nichts drin steht, was dir nützen kann", rufen die selbsternannten Retter der angeblich Enterbten ihren schlicht rechts gestrickten Followern zu. Und diese honorieren so viel Aussicht auf Freiheit und billige Bedürfnisbefriedigung sogar dann noch mit Anhänglichkeit, wenn sie immer wieder in die Pleite führt. Schuld haben ja sowieso die Anderen. Der Bayer als solcher (auch, wenn er Dresdner oder Kölner ist) ist gerne so besonders, dass er keine Fehler machen kann. Am aller liebsten ist er Gottes Lieblingsvolk.

     

    Wozu der Wähler eine Partei braucht , die seine Interessen nicht in Gesetze umwandeln kann? Ganz einfach: Er braucht sie, um sich selber daran aufzurichten. Er wirkt dann größer, wenn er in den Spiegel schaut. Für Leute, die den aufrechten Gang noch nicht beherrschen, sind solche Stützen überlebenswichtig. Gesetze? Machen doch nur alle gleich. Die kann man nicht gebrauchen, wenn man größer wirken muss, weil man sich lebenslang hat kleinhalten lassen von Autoritäten, die genau so unkreativ sind wie man selbst.

  • Ich bin kein CSU-Fan, aber so satt wie Bayern nach Jahrzehnten der CSU-Herrschaft im Futter steht, kann man verstehen, dass es ihren Wählern mehr aufs grundsätzliche "Weiter So!" als auf den konkreten Sieg in einer Einzelfrage ankommt. Denn so ganz falsch scheint es die CSU im Ergebnis ja nicht zu machen. Und mal ganz ehrlich: Ein ausdrückliches "Macht doch, was ihr wollt!" aus Karlsruhe ist aus Sicht der "Mia san mia"-Fraktion keine wirkliche Niederlage...

     

    Entweder das oder Bayern ist ein Beispiel dafür, dass man man besser mit einer Regierung fährt, die tatenlos vor sich hindilettiert, als einer, die sich "kompetent" überall einmischt... ;-)

  • Hat der Autor eigentlich irgendetwas von dem Urteil des BVerfG verstanden? Das Betreuungsgeld selbst in NICHT verfassungswidrig, sondern der Bund war nicht zuständig. Das ist - offenbar schwer zu verstehen - ein Unterschied.

     

    In Bayern oder in jedem anderen Bundesland dürfte man selbstverständlich Betreuungsgeld zahlen, hat man übrigens auch schon vor der bundesweiten Einführung.

     

    Der ganze Kommentar geht daher ins Leere, außer dass mal jemand Frust ablassen durfte.

    • Tobias Schulze , Autor des Artikels, Parlamentskorrespondent
      @Dr. McSchreck:

      Weil der Bund nicht zuständig ist, war das entsprechende Bundesgesetz grundgesetzwidrig. Und um die bundespolitischen Maßnahmen der CSU geht es im Kommentar, nicht um die Familienpolitik der bayerischen Landesregierung.

      • @Tobias Schulze:

        Lieber Herr Schulze - seins mir nicht böse - Sie ham ja recht - & Mr.

        Dottore McSchrecklaßnach -

        is - rheinisch gesprochen - am sich

        Vergallopieren - ja

         

        Aber auch mir wurde beim ersten Lesen - a weng blümerant.

        Des Schwindeligschreiben via zu viel - doch leicht mittel auch schwer Disperaten entlang Verfassungsfragen - bei deren gleichzeitigen politischen Einordnung - nun -

        Des braucht schon einen

        sortierten kühlen Kopf.

        Da wär in diesem Beitrag noch was -

        Luft nach oben - doch.

         

        Nix für ungut - aber ein - ich sag mal -

        Christian Semler fehlt - &

        häufig eben auch sehr;

        z.B. - als nüchternder Sparringspartner.