Kommentar CCC-Kongress: Snowden muss weg
Die Fokussierung auf den Whistleblower schadet dem Kampf gegen die Überwachung. Der Hackerclub muss sich Neuem zuwenden.
E dward Snowden muss weg. Seine Ikonisierung ist dem Kampf gegen Überwachung schädlich. In ein paar Tagen beginnt das Jahr 2015. Größere Herausforderungen kommen, Freihandelsabkommen und Sicherheitsgesetze bedrohen die Privatsphäre in neuen Ausmaße. Wen interessieren da die Missstände der Nullerjahre, auf die sich die meisten Snowden-Veröffentlichungen beziehen? Smartphones waren da die meiste Zeit noch gar nicht erfunden, und die Gigabytes einer Festplatte von damals passen heute auf einen USB-Stick.
Mit einer Person als Hauptfigur lässt sich eine komplizierte Geschichte zwar einfacher erzählen, doch die Snowden-Story ist auserzählt. Jede neue Veröffentlichung ist nur eine von vielen, egal wie bedeutsam sie sein mag. Ein Beispiel: das Projekt Eikonal. Selbst wenn der Bundesnachrichtendienst Daten für die NSA von deutschen Telefon- und Datenleitungen abgezweigt hat, schreckt das auch hierzulande niemanden mehr auf. Debatten, ob der US-Amerikaner Snowden nun Asyl in Deutschland bekommen sollte oder nicht – illusorisch, unnütz und peinlich. Verliert eine Ikone an Aufmerksamkeit, schwächt das auch die Bewegung.
Der jährliche Kongress des Chaos Computer Clubs soll dagegen stärken. Das Motto des diesjährigen Chaos Communication Congress: A New Dawn – übersetzt etwa: Ein neuer (Tages-)Anbruch. Trotzdem hört man in vielen Veranstaltungen immer wieder Snowdens Namen fallen.
Auch der Hackerclub profitierte von der Aufmerksamkeit für das Thema Überwachung durch die Veröffentlichungen. Mehr Teilnehmer auf den Kongressen, mehr Mitglieder für den Club. Doch es wird Zeit, sich Neuem zuzuwenden. Viele sahen durch die Leaks ohnehin nur bestätigt, was die Szene seit Jahren predigt. Der Club macht seit über 30 Jahren tolle Arbeit. Einen Edward Snowden brauchte er dafür nie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku