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Kommentar Bundeswehreinsatz im IrakKeine Intervention nach Gusto

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Irakeinsatz soll ohne internationales Mandat stattfinden. Der Bundestag sollte klarstellen, dass die bloße Einladung anderer Länder nicht genügt.

Versucht da jemand die Standards für Bundeswehreinsätze zu lockern? Bild: dpa

E s war eine der wirkungsvollsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. 1994 stellten die Richter fest, dass das Grundgesetz Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht verbietet, wenn sie im Rahmen der UNO, der Nato oder der EU stattfinden. Zugleich erfand Karlsruhe aber einen Parlamentsvorbehalt für solche Einsätze. Der Bundestag muss nun also jedes Mal gefragt werden, bevor deutsche Soldaten losgeschickt werden können. Die Deutschen sind zwar immer noch militärskeptisch, die einzelnen Einsätze werden aber akzeptiert. Die Von-Fall-zu-Fall-Entscheidungen des Bundestags geben der Gesellschaft ein Gefühl von Kontrolle.

Die Bundesregierung ist über den Parlamentsvorbehalt nicht unglücklich. Dass oft auch die Opposition aus Verantwortungsbewusstsein die Einsätze mitträgt, fördert die Akzeptanz zusätzlich. Auch in besonderen Zweifelsfällen, wie jetzt bei der Ausbildungshilfe für die irakischen Kurden, beantragt sie sicherheitshalber ein Mandat.

Umso erstaunlicher, dass die Regierung bei der militärisch gut gesicherten Rettungsaktion in Libyen 2011 partout auf eine Absicherung im Parlament verzichten wollte und jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden muss. Dass hier das Gefühl von Trickserei aufkam, hat Vertrauen zerstört.

Das Gleiche gilt für die Versuche von CDU-Politikern, der Regierung Vorratsbeschlüsse für internationale Militäreinsätze zu besorgen. Die SPD hat diese Aufweichung des Parlamentsvorbehalts zu Recht abgelehnt. Schließlich wird die Bundeswehr bisher fast immer in internationalen Strukturen eingesetzt. Und das sollte auch so bleiben.

Deshalb ist der Irakeinsatz heikel. Er beginnt ohne klares internationales Mandat, die Bundeswehr ist nur Teil einer losen Koalition der Willigen. Ein Einsatz im Rahmen von EU-Strukturen oder mit klassischem UN-Mandat wäre allemal vorzuziehen gewesen. Man kann nur hoffen, dass auf Regierungsseite nicht eine Strategie, hier die Standards zu lockern, dahintersteckt. Schon wird diskutiert, ob für Bundeswehreinsätze auch die bloße Einladung einer ausländischen Regierung genügen könnte.

Die Abgeordneten sollten diesen Donnerstag klarmachen, dass sie solche Nothilfemandate ablehnen und nicht erteilen werden. Die Bundeswehr darf keine nach deutschem Gusto frei einsetzbare Interventionsarmee werden.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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10 Kommentare

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  • Vielleicht läuft es wieder auf eine Gewöhnungstour hinaus. Was heute unmöglich erscheint ist irgendwann wie bei Interventionen seit 9/11 Dauerzustand "achso, da machen wir ja auch noch Krieg". Kann man gespannt sein.

     

    Die US-Erfüllungsgehilfen im deutschen Bundesrathaus sind eh genervt von diesen Militärskeptikern. Auch die Oberbürgermeisterin des Gau Deutschlands, Merkel, schätz ich.

  • Sie sind spät dran mit Ihrem Text, Herr Rath. Wenn "diesen Donnerstag" entschieden wird, dann ist das heute schon. Die Zeit zur Meinungsbildung fehlt also, vor allem unterhalb der engsten Zirkel. Woher soll der gemeine Abgeordnete nun wissen, was seine Wähler von ihm wollen? Er hat ja keine Zeit gehabt zu fragen - und sich im Anschluss abzustimmen. Auch das zerstört Vertrauen, fürchte ich.

     

    Natürlich kann ich es verstehen, dass sich die taz in Sachen Basis-Demokratie nicht zur "frei einsetzbare Interventionsarmee" machen lassen möchte. Sie ist ja nicht einmal gewählt. Zumindest ist sie noch nicht über 5% gekommen. DIE Bürger wollen also nicht in großem Stil, dass sie sich einmischt. Das muss sie, auch wenn's schwer fällt, akzeptieren. (;-D)

     

    Und nun zur Sache selbst: "Erstaunlich[]" ist es sicher nicht, dass die Regierung "bei der [...] Rettungsaktion in Libyen 2011 partout auf eine Absicherung im Parlament verzichten wollte." Der Ausgang wär zu ungewiss gewesen. Vielleicht war auch die Zeit zu knapp. Das ist wie bei der Feuerwehr. Die kann auch nicht erst lang fragen, ob sie denn löschen soll. Für das Dilemma gibt es bisher keine Lösung. Ich hoffe sehr, man findet eine, die nicht der Anfang ihres Endes ist für unsere Demokratie.

     

    Dass es allerdings am "Verantwortungsbewusstsein" liegt, wenn "oft auch die Opposition [...] die Einsätze mitträgt", halte ich für ein Gerücht. Das ist Akquise, weiter nichts. Die wollen alle an die Macht, sonst wären sie nicht in der Politik. Sie müssen also "Flagge zeigen". Das fördert zwar "die Akzeptanz" der Feuerwehr-Aktionen, es untergräbt jedoch die Akzeptanz der Politik – und ist in sofern brandgefährlich.

     

    Die Bundeswehr darf nicht zum Handlanger verkommen. Ihr Job ist wichtig für die Republik. Ich hoffe sehr, dass sie das weiß – und sich nicht freiwillig ein Seidenschleifchen binden lässt um ihren Sixpack, auf dass sie als Geschenk erkennbar sei von Herren, die man gnädig stimmen will.

  • Erinnern wir uns. das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (http://www.bundesrat.de/SharedDocs/texte/08/20081016-kurzes-verfahren.html) wurde innerhalb von 3 Tagen verabschiedet, gegengezeichnet und im Gesetzblatt verkündet. Schnellere Entscheidungen dürften auch unter extremen Situationen niemals erforderlich sein. Zudem hat sich der Parlamentsvorbehalt sehr gut bewährt. Schaut man weiter, hat sich der Stil der Führung seit Struck erheblich verändert, leider nicht zum Guten. Hieß es noch in den 1970er Jahren:"nie wieder Krieg," geht es heute nur noch um Kosten und Ausrüstung. Mit dem Irak geht es um den vierten Weltkrieg (gegen die Gesamtheit islamischer Staaten und Nordafrika). Der dritte ist bereits mit Russland in der Zielplanung.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Es gibt militärische Aktionen, die unter Geheimhaltung und ohne allgemeine Diskussion durchgeführt werden müssen. Bisweilen fehlt auch die Zeit. Ein bisschen Spielraum sollte man der Regierung schon einräumen.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Entweder sind sie schon über 80, obwohl die Menschen die über 80 und mit Menschlichkeit und emotionaler Intelligenz gereift sind solche kriegerische Einstellung nicht heben. Krieg trifft immer nur die Armen, die Untertanen. Ob auf der Seite der Angreifer und Räuber oder auf der Seite der Angegriffenen. Es nutzt immer nur den Tätern und Intriganten. Wahrscheinlich sind sie aber nur ein langjähriger Militarist, Herr Sommer. Krieg ist meiner ganz persönlichen Meinung nach immer inhuman und hat Zwischenstaatliche Probleme noch nie gelöst und nur Zerstörung der menschlichen Psyche und Phsysis gebracht vom materiellen Schaden für die Bevölkerungen ganz abgesehen. Ich wünsche Ihnen und uns noch viele friedliche Sommer.

      • 7G
        738 (Profil gelöscht)
        @Rita Dütsch:

        Schön für Sie, dass Sie im Frieden leben dürfen. Gerne dürfen Sie auch Ihren weltfremden Pazifismus propagieren. Leider ist die Welt kein friedlicher Ort und Soldaten müssen ihr Leben riskieren, damit andere zu Hause im Warmen über Frieden schwadronieren können. Wenn sie das aber dann tun, dann sollten sie das aber gut vorbereitet und auch unter Wahrung der Geheimhaltung durchführen. Ich hoffe, dass Sie selbst nie mit willkürlicher Gewalt konfrontiert werden oder ihr Leben riskieren müssen.

        • @738 (Profil gelöscht):

          "Leider ist die Welt kein friedlicher Ort und Soldaten müssen ihr Leben riskieren, damit andere zu Hause im Warmen über Frieden schwadronieren können."

           

          Aus welcher vor Pathos triefenden Hollywood-Kriegsschmonzette haben Sie denn diese tolle Passage ausgeliehen?

  • Wird hier die Vorbereitung getroffen auf Einladung der USA den dritten Weltkrieg beginnen oder einleiten zu können? Wieder einmal wird Deutschland benutzt und die deutsche Jugend den Kopf für die Amerikaner, (die ehemaligen "Befreier", die sich dann zu ewigen Besatzern umwandelte, im Vorausschauenden Blick auf größere Pläne),

    hinhalten? Meinen SIe, die Deutschen, das alles wollen sie nochmal, ein letztes mal?

  • "Dass oft auch die Opposition aus Verantwortungsbewusstsein die Einsätze mitträgt, fördert die Akzeptanz zusätzlich."

     

    Was soll das? Kriegseinsatz = verantwortungsbewußt. Im Umkehrschluß also: Kein Kriegseinsatz = verantwortungslos. Spricht hier die TAZ oder der Gauck?

    • @Dudel Karl:

      Gorbatschow hat sich zu Wort gemeldet. Auch er wirft Europa vor sich von den Amerikanern wieder in einen Krieg gegen Rußland hineinziehen zu lassen. Die Wiedervereinigung hat uns in diese Situation gebracht. Das Amerika den Zeitpunkt bestimmt hat bemüßigt die Frage wem nutzt sie. Die Wieder

      vereinigung. Diese Scharade nutzt nur USA und der Rüstungsindustrie. Aber vorher kommt Afrika und somit auch der Irak als Grund die Terrorstaaten. Aber die Wahrheit ist ja USA mit Hilfe Deutscheuropas.