Kommentar Brexit-Abstimmung: Theresa Mays Chance
Zum zweiten Mal ist Mays Brexit-Deal gescheitert. Ist das ihr Ende? Vielleicht. Sie hat es jedoch in der Hand, ihren Abgang mit einem Coup zu verknüpfen.
W ar's das? Es ist verlockend, aus Theresa Mays zweiter gigantischer Niederlage im Parlament für ihren Brexit-Deal auf das Ende der britischen Premierministerin zu schließen. Nach wochenlangem Hin und Her und spannungsgeladenen Gesprächen mit der EU immer noch Schiffbruch zu erleiden ist schließlich eine deutliche Abfuhr. Selbst wenn die Mehrheit gegen den Deal von 232 auf 149 Stimmen geschrumpft ist – es ist eine Niederlage historischen Ausmaßes.
Da bleibt der Regierungschefin doch nur der Rücktritt, könnte man meinen. Und es könnte tatsächlich so kommen – aber nicht als Eingeständnis des Scheiterns, wie man denken könnte. Das gehört nicht zum politischen Werkzeugkasten dieser Politikerin.
Theresa May wäre nicht Theresa May, wenn sie nicht versuchen würde, aus einer schlechten Ausgangsposition das beste zu machen. Sie ist noch nie zurückgewichen, wenn alles gegen sie sprach, sondern hat dann erst recht auf ihrem Kurs bestanden. Und auch die Abstimmungen der nächsten Tage – bei denen das Parlament sagen soll, ob es einen No-Deal-Brexit ablehnt und ob es eine Brexit-Verschiebung wünscht – haben es jetzt in sich.
Bei der Vorlage zur No-Deal-Abstimmung am Mittwoch hat die Premierministerin nämlich einen Trick eingebaut: der Regierungsantrag, laut dem das Parlament sich gegen einen No-Deal-Brexit ausspricht, enthält zugleich die Zurkenntnisnahme, dass das Fehlen eines Deals trotzdem zum No-Deal-Brexit führt. Heißt: Wer für diesen Antrag stimmt, stimmt sowohl gegen als auch für No-Deal.
Mays freundliche Erinnerung
Das ist Mays Art, die Abgeordneten daran zu erinnern, dass es ohne eine Zustimmung zu ihrem Vertragswerk kein Entrinnen aus der Brexit-Endlosschleife geben kann. Man kann No-Deal nicht vom Tisch nehmen – No-Deal ist die Leere, die bleibt, wenn alles andere vom Tisch heruntergefallen ist.
Und auch ein Antrag auf eine Verschiebung, der am Donnerstag auf der Tagesordnung stehen soll, wäre keineswegs unproblematisch. Die Bereitschaft in der EU, Großbritannien einen Aufschub zu gewähren, ist spürbar geschrumpft. Die Zeit für Kompromisse mit den Briten ist vorbei. Man will nicht mehr endlos über juristische Spiegelfechtereien in obskuren Unterparagraphen über hypothetische Zukunftsszenarien streiten, die kein vernünftiger Mensch mehr versteht.
Man will die Briten auch nicht mehr bei den Europawahlen dabei haben. Sollen sie doch gehen, ist die überwiegende Meinung; und wenn sie sich untereinander nicht einig sind, ist das ihr Problem und nicht das der EU. Europa möchte dem Trauerspiel namens Brexit ein Ende setzen.
Am Ende könnte es also doch so kommen, dass Mays Deal alternativlos ist. Ihm jetzt einfach mal zuzustimmen erscheint immer offensichtlicher als der einzige Weg für Großbritannien, endlich einen Schlussstrich zu ziehen und das leidige Europathema vorerst hinter sich zu lassen. Aber auch das ist natürlich ein Irrglaube, denn mit diesem Deal beginnt eine Reihe von Übergangsphasen und Interimslösungen, die über Jahre hinweg für weiteren Streit mit Europa sorgen dürften.
Mays möglicher zweiter Deal
Aber solange Großbritanniens Politiker nicht den Mut aufweisen, einfach erstmal aus der EU auszutreten und danach weiterzusehen, bleiben sie in der Endlosschleife gefangen. Und Theresa May hat noch einen Trumpf in der Hand: Sie kann ein Ja zu ihrem Deal mit ihrem eigenen Abgang verknüpfen. Die Premierministerin könnte sagen: Wenn ihr Ja sagt, trete ich zurück.
Dann könnte eine neue Regierungsmannschaft die Umsetzung des Brexit übernehmen. Dass es für die ganzen kommenden schwierigen weiteren Verhandlungen mit der EU über die Zukunft, über Nordirland, Freihandel, Sicherheitspartnerschaft und all die anderen Themen frischen Wind brauchen wird, ist schließlich schon lange klar,
Das Parlament in London könnte noch rechtzeitig zum 29. März von May vor eine verlockende Form der Vertrauensfrage gestellt werden: Stimmt entweder für mich oder für meinen Brexit-Deal. Dann wäre das Abkommen gerettet. Und Theresa May würde als Inbegriff der Selbstaufopferung in die Geschichtsbücher eingehen. Es wäre ein ebenso absurder wie würdiger Abgang, passend zu diesem merkwürdigen, geschichtsträchtigen, von Absurditäten begleiteten Vorgang namens Brexit.
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