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Kommentar Blatter-RücktrittDer Unabwählbare gibt auf

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Das System Sepp Blatter ist entlarvt worden. Das darf man feiern. Doch jetzt muss aufgearbeitet werden. Die Fifa ist noch lange nicht gerettet.

Wegschauen und ignorieren ging dann doch nicht mehr: Sepp Blatter hat aufgegeben Foto: ap

V ier Jahre wollte er noch im Amt bleiben, vier Tage hat er durchgehalten. Sepp Blatter ist am Ende. Er hat seinen Rücktritt vom Amt der Fifa-Präsidenten verkündet und ein kollektives Aufatmen ist durch die Fußballwelt gegangen. Der Unabwählbare hat keine Woche, nachdem er sich vom Fifa-Kongress für eine neue Amtszeit hat wählen lassen, aufgeben. Via Twitter schwappte eine Welle des Danks über den Planeten.

Es war ein erbärmlicher Auftritt, den der Schweizer Uraltfunktionär am Dienstagabend kurz vor sieben Uhr vor den kurzfristig zusammengetrommelten Sportberichterstattern in Zürich hingelegt hat. Es war der Auftritt eines Mannes, der längst auf der Flucht ist. Bis Montagabend hatte er vielleicht noch geglaubt, er könne durchkommen mit seiner Behauptung, er selbst sei doch gar nicht korrupt und könne sich doch nicht um jeden bestechlichen Funktionär auf dem Erdball kümmern. Jetzt ist sein System aufgeflogen.

Es war ein System, für das man das Wort Gemeinwohl-Washing erfinden könnte. Die finsteren Geldflüsse wurden getarnt als Leistungen für die fußballerische Entwicklungshilfe und waren doch nichts anders als ein gigantisches Stimmenkauf- und Bestechungsprogramm.

Die 10-Millionen-Dollar-Zahlung von Südafrika, die die Fifa an Jack Warner, den damaligen Chef des Nord- und Mittelamerikanischen Fußballverbandes weitergeleitet hat, sollten angeblich der Unterstützung der afrikanischen Fußballdiaspora in Mittelamerika dienen. Die Zahlung ist ein zentraler Punkt in dem Untersuchungsbericht der US-Justizbehörden, der zur Verhaftung von sieben Fifa-Funktionären am vergangenen Mittwoch geführt hat. Das System Blatter ist entlarvt. Dass der Mann aus dem Wallis nun selbst ins Fadenkreuz der Ermittler des FBI geraten ist, wird darüber beinahe schon zur Nebensache.

Lebenslanger Bann für Korruption

Wer auch immer Blatter im Amt des Fifa-Präsidenten nachfolgen wird, er muss mit diesem verlogenen System Schluss machen. Er muss bereit sein, all diejenigen, die bis dato geschmiert haben oder sich haben schmieren lassen, aus der Fifa zu verbannen. Nicht für ein Jährchen oder drei Jahre, wie das schon einmal praktiziert wurde. Der Bann muss lebenslang gelten.

Alle Papiere, die sich in den Büros der Fifa finden lassen, müssen auf den Tisch, so dass endlich auch Klarheit darüber hergestellt werden kann, wie das WM-Turnier 2006 nach Deutschland gekommen ist. Und endlich sollten Regularien ersonnen werden, die sicherstellen, dass WM-Stradien nicht von Sträflingen oder Sklaven errichtet werden. Und dann muss …

Moment. Werden diejenigen, die bis dato von den Zahlungen aus dem prall gefüllten Fifa-Topf profitiert haben, jemanden ins Amt wählen, der den Geldhahn erst einmal zudrehen will? Nein, einfach wird die große Fifa-Reform gewiss nicht. Ebenso schwer wird es, Russland und Katar ihre gekauften WM-Turniere wieder abzunehmen. Wird sich ein Kandidat finden, der das wirklich will?

Sepp Blatter ist weg. Das darf man feiern. Die Fifa aber ist noch lange nicht gerettet. Das Spiel läuft.

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Andreas Rüttenauer
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9 Kommentare

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  • Was zu wenig diskutiert wird: Warum kümmert sich eigentlich ausgerechnet die US-Polizei FBI um diesen Fall?

  • Am unnormal kritischen Inhalt der Zeilen des taz-Chefredakteurs kann jeder Leser erkennen, dass der nun kommissarische FIFA-Boss vermutlich nicht zu seinem persönlichen Freundeskreis zählt…..Den ständig sich verändernden Pressemeldungen nach erhält man nach dem überraschenden „leisen“ Rückzug des „Sepps“ vor diesmal vielleicht nur ca. 30 Medienvertretern das Gefühl, als wären wir alle regelrecht paff und hilflos, weil niemand damit zu diesem Zeitpunkt damit rechnete! Nun warten wir natürlich gespannt auf das weitere Vorgehen der amerikanischen Justizbehörden, obwohl die meisten Taten der erweiterten „Olsen-Bande“ dank wichtiger Recherchen fleißiger Journalisten schon längst bekannt sind. Warum wird z.B. denn auch jetzt noch nicht der seit Monaten fertiggestellte Garcia-Untersuchungsbericht veröffentlicht? Es wäre doch zumindest ein Beginn gewesen, um das Wirken der FIFA ein wenig näher bewerten zu können! Was mich eigentlich stark interessiert, sind die evtl. Beteiligungen deutscher Funktionäre an verschiedenen „Ungereimtheiten“ im Verband, die über die schon bekannte Uhrengeschichte wesentlich hinausgehen!

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Hans Klemm:

      Ihren Beitrag verstehe ich nicht ganz. Die Chefredaktionion der taz ist immer kritisch und sie wird sich ganz bestimmt nicht als Fußballorgan missbrauchen lassen.

      'das Wirken der Fifa ein wenig näher bewerten zu können': Haben Sie ein paar Jahre keine Zeitungen gelesen?

      Sie werden sicher noch die schizophrene Haltung erfahren, warum kurz vor dem Rücktritt Herr Niersbach (DFB) noch für Herrn Blatter war und jetzt froh über den Rücktritt ist. Da brauchen Sie einfach nur Zeitungen zu lesen. Die deutschen Funktionäre waren voll dabei. Da werden Sie ihr Interesse bald voll befriedigen können

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Wenn es jetzt in der Fußballwelt ein 'kollektives Aufatmen' gibt, wie es im Beitrag heißt, dann hoffe ich darauf, daß sich dieser merkwürdige Sport nun von innen heraus reinigen wird. Die CIA sollte aber auf jeden Fall Starthilfe geben und die Überwachung der Erfolge vornehmen. Es geht hier nicht nur um Blatter und seine engsten Freunde, sondern auch um den überaus milden Blick der Fangemeinde, wenn es um Kriminelle wie Hoeneß, Rummenigge, Beckenbauer, Reus, Messi uvm geht, um die Kosten der öffentlich-rechtlichen Fernsehübertragungen, um die kostenfreien Polizeieinsätze .... Aber diese Hoffnung kann ich mir warscheinlich abschminken, da Fußball eher eine Religion, als eine Sportart zu sein scheint

  • ADAC im Kleinen, FIFA im Großen ...

     

    Brauchen wir die FIFA für irgendwas.

     

    Wir -die so gern mit Fußball bespaßt werden wollen/müssen- brauchen die FIFA nicht wirklich.

     

    Die FIFA lebt von den Sponsoren der Spaß-, Sport- und Unterhaltungsindustrie.

    Und von unserem Geld auch nicht schlecht.

    Nichts mehr ist die Organisation, als eine vielköpfige Unterhaltungshydra.

     

    Wofür also ???

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)
  • "Gemeinwohl-Washing" ist ein sinnvoller neuer Begriff; solche Bereicherungssysteme wie die FIFA werden immer wieder auch als 'Win-win-Situation' verkauft. Wobei dann allzu oft nicht nachgeschaut wird, ob es nicht einen 'weinenden Dritten' gibt. Zivilrechtlich oder auch im Umweltstrafrecht wird so etwas Kollusion genannt: z.B. auf der direkt persönlichen Ebene das klassische Win-win System des Versicherungsbetrugs. Ich melde einen fiktiven Schadensfall, der Sachbearbeiter lässt ihn durchgehen und hinterher teilen wir uns das Geld.

     

    Politisch und systemisch gesehen verhält sich z.B. Luxemburg auch kollusiv. Die dortige Regierung verabredet ein Win-win System mit internationalen Konzernen - zu Lasten des allgemeinen Steueraufkommens, d.h. zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit. In der neoliberalen Welt wird auch dort 'Gemeinwohl-Washing' betrieben. Man muss ja die 'Leistungsträger' unterstützen, wir müssen 'Investitionen ermöglichen', wir müssen Firmen ermuntern, Arbeitsplätze zu schaffen, etc.

     

    Und lasst uns bitte einfach nicht der Frage nachgehen, ob Blatter persönlich korrupt sei: "Hat er nun, oder hat er nicht?" Diese Verkürzung der Betrachtung eines von ihm aufgebauten und geleiteten kriminellen ökonomischen Systems auf die fast schon voyeuristische Frage, ob nun irgendwelche Briefumschläge mal die Hand gewechselt haben (oder unter Hotelzimmertüren durchgeschoben wurden), oder nicht, ist eine Beleidigung der Intelligenz des allgemeinen Publikums. Für solche Detailfragen gibt es in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft Staatsanwälte und Richter.

     

    Benno Plassmann

    Echolot e.V.

  • Die Gier ist so alt wie die Menschheit und steckt auch in jedem anderen FIFA-Präsidenten. Ich setze die Strukturen und Machenschaften der FIFA mit denen schlecht geführter Drogenkartelle gleich. Die schmierigen Fußballgeschäfte können nur besser getarnt aber nicht verhindert werden.

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