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Kommentar Bettelverbot in DänemarkEine Form von Rassismus

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Das Gesetz richtet sich gegen Roma. Statt ihre Armut zu bekämpfen, wie die UN-Charta der Menschenrechte besagt, werden sie in die Kriminalität getrieben.

Für ein Königspaar hat Dänemark Geld, für die Armen aber nicht Foto: dpa

Roma-Gesetz“ wird das verschärfte Betteleiverbot in der dänischen Debatte nur genannt. Dass es sich gegen diese Menschengruppe richten soll, die derzeit in ­vielen europäischen Ländern als „Ordnungsproblem“ wahrgenommen wird, „das schmutzige Zustände in unserer Stadt verursacht“, wie es der sozialdemokratische Oberbürgermeister Kopenhagens umschrieb – daran lassen die Befürworter keinen Zweifel.

Werde Dänemark „unattraktiv“ für Menschen, die versuchen, sich mit Bettelei oder dem Sammeln von Pfandflaschen zu ernähren, würden diese schon anderswo ihr Glück versuchen und die Ordnung in diesem mehrfach zum glücklichsten der Welt ernannten Land nicht länger stören.

Eine Logik, die mittlerweile nur noch erschreckend selten öffentlich infrage gestellt wird. Den kleinen Parteien des linken Spektrums blieb es überlassen, diese Diskriminierung einer ethnisch klar definierbaren Menschengruppe beim Namen zu nennen: Rassismus. Und allein Menschenrechtsorganisationen erinnern noch daran, dass wir eine UN-Menschenrechtscharta haben, die Staaten dazu verpflichtet, extreme Armut zu bekämpfen.

Und aus der sich ein Verbot ergibt, lebensnotwendige Handlungen wie Schlafen, Essen und persönliche Hygiene im öffentlichen Raum ebenso wenig zu kriminalisieren wie das Betteln. Gebt ihnen einen Schlüssel für die öffentlichen Toiletten und finanziert statt Gefängnis- lieber Schlafplätze, schlug die linksliberale „Alternative“ deshalb vor – eine bessere Lösung als ein Verbot.

Das Gesetz wird schaden statt nützen, warnt auch eine neue ­Studie. Wenn der Alltag für Armutsmi­granten brutaler wird, werde das nur dazu ­führen, dass künftig vor allem die „härteren“ von ihnen nach Dänemark kommen. Die, die wissen, was sie erwartet, und die bereit seien, ihren Lebensunterhalt statt mit Bettelei mit Kleinkriminalität zu bestreiten. Eine Entwicklung, die laut den Forschern in Kopenhagen bereits in Gang gekommen ist.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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13 Kommentare

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  • Es ist zu hoffen, dass dieses lebensfremde Gesetz durch immer mehr Leute ganz bewusst missachtet wird.

    Dann zeigt sich, dass solch ein Unsinn gar nicht wirksam umgesetzt werden kann.

  • "ethnisch klar definierbaren Menschengruppe "

     

    Das ist einfach sachlich nicht richtig.

     

    Die meisten dieser Leute aus Rumänien sind Kalderash und deshalb relativ homogen. Bei den Leuten aus Bulgarien ist das überhaupt nicht mehr der Fall. In Berlin hatte ein Roma-Verein Probleme, von den Leuten aus Bulgarien akzeptiert zu werfen. Sie sagen nämlich, "wir sind keine Roma."

     

    Ethnie bzw. Volk ist nur eine fiktive Identität. Deshalb eine klare Definition immer schwierig. Bei Leuten, von denen sich viele genau nicht als Gemeinschaft begreifen, wird es nicht leichter.

  • Öhm, der Link in der ersten Zeile ist ein Selbstverweis. Die Meinung von Herrn Wolff ist sicher interessant aber ohne den Inhalt des Gesetzes zum verschärften Bettelverbot kaum zu bewerten.

  • Ein Pfandflaschensammelverbot ist, wenn man darüber nachdenkt, eine dreiste Bereicherung von Händlern oder Lebensmittelketten zu Lasten armer Menschen, da die Flaschen mit dem Abfall verbrannt werden und das Pfand leistungslos die Unternehmen einstecken.

  • Vor diesem Gesetz stand die insbesondere in Deutschland begrüßte Aushöhlung des dänischen Sozialstaats und die Hinwendung zu den angeblich so notwendigen "Reformen" in Richtung neoliberale Transformation der Gesellschaft.

     

    In einem Land mit hohen Sozialstandards braucht es keine Bettler mehr zu geben!

    • @Khaled Chaabouté:

      ... und es gibt sie (die Bettler) eben doch. Weil es kein Problem echter Not sondern des Gelderwerbes ist.

       

      Selbst im sozialsten aller Länder ist Sozialhilfe plus Betteleinkünfte mehr als Sozialhilfe ohne Betteleinkünfte ...

    • @Khaled Chaabouté:

      Richtig und deswegen reagieren die Dänen da auch.

  • Wenn auch das Sammeln von Pfandflaschen in DK verboten ist, ist das sehr beschämend. Der Autor wird diesen Sachverhalt sicherlich nochmals bestätigen. Habe gerade die Tage meine ca. 10 Pfandflaschen im Hbf Berlin in Papierkörben verteilt statt diese drinnen bei Rewe abzugeben. Die hatten wir im anliegenden Intercity Hotel geleert.

    Allerdings sollten die Verhältnisse in DK wie in D sein, so dass niemand betteln muss, oder? Werden dort Asylsuchende nicht ähnlich wie bei uns versorgt? Bei uns erhalten z.B. Obdachlose auch ihr Taschengeld an verlängerten Wochenenden, wie vor vielen Jahren es in WI über die Grünen initiiert wurde. Pfandsammlern gebe ich als einziger Gruppe regelmäßig ein paar Euro, wie auch örtlichen Tierschutzinis. Sonst lehne ich jede Art von Betteln ab, auch die per Drückerkolonne von UNICEF oder ä. Die und alle Staatsableger schwimmen im Geld und die persönliche Bereicherung der Apparatschicks wird immer wieder aufgedeckt.

  • Ob Roma eine Rasse sind und deswegen rassistisch verfolgt werden, sei mal so dahingestellt. Allerdings habe ich, zumindest in meiner Heimatstadt Mannheim, festgestellt, dass dort Bettler und Flaschensammler unterschiedlich behandelt werden. Während die "etablierten", älteren Bettler regelmäßtig Geld zugesteckt bekommen oder mit Essen versorgt werden und ihre Stammplätze haben, greift die Stadpolizei bei "fremd" wirkenden Bettlern rigoros durch und erteilt Platzverweise.

    • @Frank Stippel:

      Roma sind keine "Rasse". Es gibt allgemein keine "Rassen". "Rassen" sind die Erfindung weißer, europäischer Rassideolog_innen. Mit Hilfe dieses Konstruktes wurde u.a. die Kolonisierung, Sklaverei ... legitimiert.

  • Genau so ein Verbot sollten wir in Berlin auch einführen, insbesondere in öffentliche finanzierten Einrichtungen (BVG) oder auf stark frequentierten Plätzen (z.B. Gendarmenmarkt). Dabei sollte die Ethnie oder Herkunft des Bettelnden überhaupt keine Rolle spielen.

     

    Gleichzeitig sollte sich Berlin um wohnungslose Personen mit Aufenthaltsrecht besser kümmern, wobei das Aufenthaltsrecht sehr genau zu überprüfen ist. Es gibt in der EU keine unbeschränkte Personenfreizügigkeit sondern eine Arbeitnehmerfreizügigkeit und eine Niederlassungsfreiheit, beides wird durch Betteln gerade nicht erfüllt.

  • Sofern es ein funktionierendes Sozialsystem gibt, ist ein Bettelverbot meines Erachtens in Ordnung, weil jeder seinen Lebensunterhalt über dieses System finaniert bekommt. Ich kenne Dänemark insoweit nicht, aber eigentlich haben die skandinavischen Länder ja gute Sozialleistungen.

     

    Wenn es kein akzeptables System ist, kann ich ein Bettelverbot nur als "Strafe für Armut" empfinden. Dass "nur" Roma betteln, kann jeder Großstadtbewohner aber leicht aus eigener Erfahrung widerlegen.

    • @Dr. McSchreck:

      Die Dänen haben hervorragende Sozialleistungen.

      Für Dänen.

      Der Sozialhilfesatz für einen Alleinstehenden beträgt ca. 1350 €, das Arbeitslosengeld ist ca. 90% des letzten Nettolohnes für 5 Jahre und Kindergeld beträgt irgendwie so 500 € pro Kind. Gesundheitssystem ist vollkommen umsonst.

      Voraussetzung für EU-Bürger ist allerdings, dass man entweder bereit ist, sich arbeitssuchend zu melden. (Dänemark hat fast Vollbeschäftigung mittlerweile wieder und sucht in einigen Bereichen bereits dringend) oder dass man 7 Jahre eben schon in Dänemark gelebt hat.

       

      Zum reinen Betteln würde ich Skandinavien sowieso nicht empfehlen, das ist da ziemlich unüblich. Man muss schon irgendwie was anbieten dafür. Rasenmähen oder Laubfegen und so was.

       

      Ansonsten ist in skandinavischen Staaten trotz aller Liberalität und trotz wirklichem Einsatz für Minderheiten (Man denke daran, wie es Dänemark geschafft hat, alle dänischen Juden vor den Nazis während der Besatzung in Sicherheit zu bringen.) irgendwie immer eine rassistische Spur zu bemerken. In Norwegen durften Juden afaik bis ins 19, Jahrhundert überhaupt nicht Staatsbürger werden.