Kommentar Berliner Flüchtlingspolitik: Es gibt Wasser, aber kein Essen mehr
Politik und Polizei testen an den Flüchtlingen aus, inwieweit sie Menschen als reine Verwaltungssache behandeln können. Dabei wird es nicht bleiben.
Wer dagegen protestiert, dass die Politik ihn nach Strich und Faden betrogen hat, dem wird die Nahrung entzogen, und zwar über Tage hinweg. „Mit Wasser sind sie aber vor Kurzem versorgt worden, damit niemand dehydriert“, erklärt eine Polizeisprecherin zur Politik des Aushungerns. Wo sind wir, sind wir im Krieg?
Nein. Diese Szenen spielen sich dieser Tage im katastrophenfernen, sommerferientiefenentspannten Berlin ab. Denn dass der neue Flughafen immer noch nicht gebaut ist und Milliardenlöcher in den Haushalt reißt und der Regierende Bürgermeister gerade voll Verdruss das Handtuch geworfen hat, das alles hält den Senat nicht davon ab, an anderer Stelle den Knüppel auszupacken – gegen Menschen ohne Lobby.
Seit zwei Jahren protestieren ein paar Dutzend Flüchtlinge gegen Residenzpflicht und Arbeitsverbot und die häufig fürchterlichen Umstände in den Wohnheimen. Sie protestieren auch gegen die Dublin-Regelung, die vorsieht, dass das Land, das die ersten Fingerabdrücke von ihnen genommen hat, für sie zuständig ist, selbst wenn es überlastet und die schlechte Versorgung von Flüchtenden dort allgemein bekannt ist. Wie in Italien oder in Griechenland.
Der Berliner Senat hat mit den Flüchtlingen ein Abkommen getroffen: Sie räumen den Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg, dafür garantiert er erneute Einzelfallprüfungen. Unterzeichnet wurde das Papier von der Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration, Dilek Kolat (SPD). Diese Unterschrift erklärt Innensenator Frank Henkel (CDU) nun für ungültig. Nur seine Signatur verbürge Rechtskräftigkeit. Ist das nun Strategie oder krasser Dilettantismus?
Unterm Strich ist das egal. Was zählt, ist, dass Menschen unmenschlich behandelt werden, weil sie aufzeigen, was für eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik parteiübergreifend für normal gehalten wird. Erst im Juni hatte das Kreuzberger Bezirksamt Journalisten bei Flüchtlingsprotesten den Zugang zu einer besetzten Schule verweigert, die Pressefreiheit eingeschränkt und mal eben über einen Stadtteil den Ausnahmezustand verhängt.
An Leuten, die wenig Sympathie in der Bevölkerung genießen, testen Politik und Polizei aus, inwieweit sie Menschen als reine Verwaltungssache und Sicherheitsproblem behandeln können, ohne dass diese jemand anderes als sich selbst gefährden würden. Noch trifft es „nur“ Flüchtlinge, doch dabei wird es nicht bleiben.
Leser*innenkommentare
CäptnTrips
Ein umgetexteter Klassiker von der vergessenen Band "Sorgenhobel":
Die Gedanken sind frei! Doch man will sie erraten
durch Gesinnungsschnüffelei und and're Schandtaten.
Man will uns beschränken im Handeln und Denken!
Könn'n wir bleiben dabei? Sind Gedanken wirklich frei?
Ich denke was ich will, wenn's den Staat auch bedrücket,
und nicht nur in der Still' und wie es sich schicket.
Denn nicht nur Gedanken überwinden die Schranken.
Ich frag mich dabei: Macht nicht Handeln auch frei?
Und sperrt man mich aus von Alltag und Arbeit,
geh' ich doch nicht nach Haus und hoffe auf Mitleid;
ich politikiere, ich streike, agiere
und bleibe dabei: Auch kämpfen macht frei!
Cededa Trpimirović
Hallo ihr Berliner TAZ-Leser,
was ich jetzt voll cool fände: Wenn ihr so'ne private Drohne nehmt, ein Überlebenspaket unten dranhängt und das dann über denen abschmeißt. Ihr könnt dann sagen, dass ihr die Idee aussem Irak habt. Kamera nicht vergessen!
Also, wäre ich in Berlin...
MOTZARELLA
DER MENSCH an sich gerät immer mehr zur lästigen Nebensache - speziell der a r m e Mensch. (Hauptsache, Status-Projekte wie der "BER" kommen nicht zu kurz.)
Wenn man sich das mal überlegt, daß Armutsflüchtlinge nur deshalb in Europa sind (sein müssen!), obwohl der Kontinent Afrika dermaßen reich an Bodenschätzen aller Art ist, Ressourcen, die in Händen nur weniger internationaler Superreicher wie Shell BP, Monsantos, Nestlé und wie sie alle heißen, aufgeteilt sind - die nur den eigenen PROFIT im Blickfeld haben -
das Gros der gesamten Afrikaner aber völlig leer ausgeht und aus purer Not zur Flucht in ein vermeintlich besseres Leben gezwungen ist -
da kann einen schon das kalte Kotzen überkommen.
friedjoch
"doch dabei wird es nicht bleiben."
Verwaltungssache sind die Bürger doch schon längst wenns um Privatisierung, Steuerverpulverung und allgemein ums Verspielen von Handlungsfähigkeit des Staates geht.
2097 (Profil gelöscht)
Gast
Zutreffender Hinweis, der Flughafen kostet Milliarden aber eine erneute Einzelfallprüfung ist zu teuer.
Ich vergaß, das Geld braucht Berlin für die Olympiabewerbung.
MOTZARELLA
Und vor allem: es ist kein Geld da für wirklich Hilfsbedürftige, für Menschen die bei uns Schutz suchen - sogar oftmals vor "unseren" Waffen auf der Flucht sind! Das ist wirklich nicht mehr nachvollziehbar, wieviel Kohle einfach so in den Sand gesetzt wurde!
Beängstigend auch, wie offiziell Stimmung gemacht wird gegen Schutzlose, ein Wasserfall auf die Mühlen rechtsradikaler Parteien und Gruppierungen. Hausgemachter Rassismus.
Es sind leider immer nur
e i n z e l n e aufrechte Menschen, die sich diesen Strömungen entgegenstellen, denen es nicht schwer fällt, sich dem "Nächsten" gegenüber brüderlich/schwesterlich zu verhalten oder zur Seite zu stehen, um sein schweres Schicksal erträglicher zu machen...
Ich empfinde oft tiefe Scham angesichts der Hilfsbereitschaft und sprichwörtlichen Gastfreundschaft, die mir und meiner Tochter auf vd. Reisen in andere Länder von meist einfachen Menschen entgegengebracht wurde!
Wie armselig und unmenschlich und ohne Mitgefühl ist - generell gesehen - jedoch diese "Hauptsache-ICH-Mentalität" des "christlichen" Abendlandes!