Kommentar Bayer-Konzern: In der Hand von US-Richtern
Die katastrophale Entscheidung, den Pestizidhersteller Monsanto zu übernehmen, hat Folgen. Der Bayer-Konzern droht in die Knie zu gehen.
V or nicht mal fünf Jahren war Bayer das wertvollste und wohl langweiligste Unternehmen im Dax. Wer dieser Tage auf den Pharma- und Agrarkonzern blickt, blickt tief nach unten. Der milliardenteure Kauf von Monsanto entwickelt sich für die Leverkusener zum Albtraum. Die mangelnde Vorsicht – und wohl auch die Gier – des Managements beim Kauf des umstrittenen US-Agrarunternehmens war fatal: Die Existenz des Aspirin-Erfinders mit weltweit 117.000 Mitarbeitern ist in Gefahr. Es ist nicht nur so, dass Monsanto mit Glyphosat einen wohl krebserregenden und die Artenvielfalt zerstörenden Unkrautvertilger im Sortiment hat. Auch die neue Mutter Bayer leidet jetzt unter der toxischen Wirkung von Glyphosat – ökonomisch wie moralisch.
Zum dritten Mal binnen weniger Monate hat eine Jury in den USA Monsanto zu einer saftigen Strafe verdonnert – diesmal in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar. Die Kläger, ein Rentnerehepaar aus Kalifornien, hatten jahrzehntelang den Unkrautvernichter Roundup von Monsanto gespritzt, um ihre Garageneinfahrt von Unkraut frei zu halten. Nicht nur sie machen Monsanto/Bayer nun für ihre Krebserkrankung verantwortlich – allein in den USA laufen über 13.000 Klagen. Und es werden immer mehr. Auch im Rest der Welt.
Auch wenn klar ist, dass solche astronomische Summen in den USA am Ende der Verfahren stark reduziert werden: Viele halten es nicht mehr für ausgeschlossen, dass Bayer unter der Bürde der Strafzahlungen letztlich in die Knie geht, übernommen und dann zerschlagen wird.
Der Punkt: Der Konzern hat sein Schicksal nicht mehr in der eigenen Hand. Es hängt nun an US-Richtern in den Berufungsinstanzen – und an der Höhe der Strafgelder, die Bayer letztlich zahlen muss. Experten haben errechnet, dass es wohl nicht viel mehr als 20 Milliarden Euro sein dürfen. Zum Vergleich: Bislang hat VW 30 Milliarden Strafen für den Dieselbetrug gezahlt – ist aber auch um ein Vielfaches größer. Und lebt noch.
„Enttäuscht“ ist Bayer von der Entscheidung in den USA. Die Armen! Welch desaströse Krisen-PR. Das zeigt sich auch beim Skandal um die Listen, auf denen Monsanto Entscheider und Medienleute in Freunde und Feinde einteilte, um die Zulassung von Glyphosat in Europa zu befördern. Mitverantwortlich: Matthias Berninger, einst Staatssekretär unter der grünen Agrarministerin Renate Künast, nun Bayer-Cheflobbyist. Journalisten, die wissen wollen, ob und mit welchen Privatdaten sie womöglich auf der Monsanto-Liste stehen, vertröstet der Konzern auf übermorgen. Dann, wenn vielleicht niemand mehr über Bayer redet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin