piwik no script img

Kommentar Asylpolitik der KoalitionEine Kampfansage an die SPD

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

CDU und CSU einigen sich auf die von der SPD kritisierten Transitzonen. Es ist ein Teilsieg für Horst Seehofer – und mies für das Binnenklima der Koalition.

Heute mal Seite an Seite: die Kanzlerin und ihr bayrischer Quälgeist. Foto: reuters

A m Ende läuft es plötzlich wieder bei der Union. Am Sonntagvormittag sah alles noch so aus, als habe sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer in der Großen Koalition nicht durchsetzen können. Zwei Stunden nach Beginn des Spitzengesprächs zwischen ihm, der Kanzlerin und Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte der SPD-Mann das Kanzleramt verlassen. Wenig später verkündete der Regierungssprecher das Ergebnis: kein Ergebnis.

Das war irritierend. Von dem Treffen sollte Ermutigung ausgehen. Die Bayern, deren Verwaltungen unter dem Druck täglich eintreffender Flüchtlinge am Limit arbeiten, sollten sehen: Euer Landesvater kümmert sich, für euch legt er sich sogar mit Merkel an. Und jenen im ganzen Land, denen angesichts frierender Flüchtlinge in Massenunterkünften und des heftigen Streits in der Großen Koalition angst und bange wird, sollte vermittelt werden: Die Politik findet eine Lösung. Sie ist kompromissbereit, mithin handlungsfähig.

Danach sah es nun ganz und gar nicht aus. Dass sich die Union am Sonntagabend schließlich – quasi mit sich selbst – auf ein Positionspapier geeinigt hat, darf getrost als Kampfansage an den Koalitionspartner verstanden werden. In dem Papier heißt es, man bestehe auf einer schnellen Einführung sogenannter Transitzonen an der deutschen Grenze. Die SPD hatte diese Idee als „Haftanstalten“ bezeichnet. Mit einem Nichtergebnis konnte Seehofer unmöglich nach Hause fahren. Dafür hatte er die Latte viel zu hoch gelegt, zuletzt mit seinem Ultimatum: Bei dem Treffen im Kanzleramt müsse eine schnelle Begrenzung der Flüchtlingszahlen in die Wege geleitet werden. Sonst ...? Tja, diese Frage war bislang offen geblieben.

Nun hat Seehofer einen Teilsieg errungen. Das war ihm wichtiger als alles andere. Für Angela Merkel und ihre Union aber wird es ab jetzt richtig spannend. Mal eben so den Koalitionspartner zu übergehen und eine auch für das Binnenklima weitreichende Entscheidung zu fällen können die Sozialdemokraten nicht unwidersprochen hinnehmen.

Jetzt ist der Eklat da. Eine aus drei Parteien gebildete Koalition kann sich nicht nur in Teilen einig sein. In den nächsten Tagen wird das Kanzleramt versuchen, den Affront herunterzuspielen. Aber das dürfte kaum gelingen. Denn auch Sigmar Gabriel hat sein Gesicht zu verlieren. Mit ihrem Positionspapier setzen sich CDU und CSU einfach über seine Sozis hinweg. Hinnehmen werden die das nicht. Nicht bei Strafe des eigenen Untergangs.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Drama, Baby, Drama! Mein Gott, natürlich ist das ganze Spektakel "unwürdig" (Zitat Sigmar Gabriel!) und natürlich wird es irgendeinen Ausweg geben, bei dem alle irgendwie das Gesicht wahren (außer dem Steuerzahler vermutlich). Aber deshalb gleich mit bedeutungsschwangeren Worten ein apokalyptisches Untergangsszenario an die Wand zu malen... das machen die Politiker schon. Müssen das Journalisten und Kommentatoren deshalb auch machen?

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Keine Sorge. Sigi der Grätenlose wird einknicken. Der gibt doch nicht seinen Status als Vizekanzler auf oder seinen schönen Dienstwagen. Nie im Leben. Dabei wäre die heutige Situation durchaus eine Chance für die halb tote sPD - sie könnte wieder halb lebendig werden wenn sie standhaft bleibt!!

  • Transitzonen, Einreisezentren wie es beschönigend bei der SPD heisst oder das linke Bild von der Titanic (Ramelow, Maschinenraum voll Wasser), das Wording der Parteien geht en gross in die gleiche Richtigung: Eindämmung der sogenannten Flüchtlingskrise (ebenfalls so ein Wording: Krise nennt sich hier aufgeregt die Hilflosigkeit der Politik. Die Politik scheitert an ihren Wählern

  • Das Bild ist aber wirklich schön. Fast so schön wie Merkel plus Erdoğan vor einigen Tagen. Wer wird denn da noch wagen, über die Realität zu schreiben?

  • 1:0 für Seehofer

  • "…Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte der SPD-Mann das Kanzleramt verlassen.…" - &

    Wiederdreuend - mit den Worten:

    "Ich will Kanzler werden!"

     

    Ja - an so viel Verwirrniß kann sich Mr. Suboptimal van GazPromGerd Noch ne gewaltige

    Scheibe abschneiden -

    Vor der Wahl ist nach Wahl.

    kurz - Der Lotse verläßt das Schiff -Ehe ers geentert hatte!

    Das Ploppt by Siggi.}{

     

    Damit wird endlich ein Sinn seiner StartupSentenz deutlich - ja der Schleier des quallcodes gelüftet:

    "Ich sammle Unterschriften und demonstriere Suboptimales für&zu

    SurplusprincessBöhnchen*, die ich noch gar nicht kenne!" ->

    Niemand kriegt da mehr die Tür&Klappe zu.

    Short Cut - Affe tot.

     

    *Mr 'Entscheidend ist was

    Hintern rauskommt' -

    Träumt ja auch bis heute von

    Blühenden Landschaften!

    kurz - "Aufeinanderzugehen…"

    Frau - Holle in Halle an der Saale!

  • Ehe ich mich über irgendetwas aufrege, hätte ich ja zu gerne mal konkrete Informationen über diese "Transitzonen": Wie und wo stehen die in der Landschaft? Wie genau sollen sie funktionieren? Welche Aufnahmekapazität haben sie? Was passiert mit Einreisenden, die an ihnen vorbeilaufen (grüne Grenze)? Was passiert mit Einreisenden, die (vermutlich) kein Asyl beanspruchen können?

     

    Sie haben diese Informationen nicht, liebe taz? Wundert mich nicht. Aber könnten Sie bitte bei den Oberheilsbringern von der CSU, z.B. Seehofer, Söder oder Hermann, mal HART INSISTIEREN, wie die sich das vorstellen?

      • @christine rölke-sommer:

        Leider nicht. Frau Hasselfeldt druckst interessanterweise herum, dass "so viele" Einreisende ja von der Sistierung gar nicht betroffen wären - was soll das dann? Sie lässt sich nicht darüber aus, ob Österreich verpflichtet wäre, Abgewiesene zurückzunehmen, und wie Österreich - bejahendenfalls - seinerseits reagieren würde. Und auf Rechtsfragen (Rechtsstaatlichkeit, Rechtsmittel gegen Zurückweisung) geht sie überhaupt nicht ein (wurde allerdings auch nicht gefragt).

         

        Typisches substanzloses, rechthaberisches CSU-Geschwurbel.

    • @Bitbändiger:

      Über die Transitzonen ist deshalb nichts konkretes zu erfahren, weil sie nur eine weitere Sau sind, die die CSU durchs deutsche Dorf treibt. Damit das funktioniert, müsste man an der gesamten ca. 3000 km langen Grenze Deutschlands eine Art Transitbereich einrichten, wie er auf Flughäfen existiert. Sonst gehen die Flüchtlinge einfach an den Zonen vorbei. Transitzonen sind also einfach Humbug.

    • @Bitbändiger:

      ... das wissen die selber noch nicht . Das Überraschungsei liegt noch im Rucksack von St. Nikolaus . Werden sehen - ...vielleicht lacht sich beim Öffnen der bekannte "Teufel-im-Detail" kaputt . Über die geplante(n) "Haftanstalt(en)" .

  • Ein Eingeständnis der Willenslosigkeit und Bekenntnis dafür, daß politische Werte nur aus Machterhaltung bestehen!

     

    Was war da nochmal mit Prinzipien wie: Demokratie, Moral, Ethik, Solidarität, Volkswohl, Mitmenschlichkeit, Ehrlichkeit, Courage, Volksvertreter, Unabhängigkeit, Verantwortung usw.?

     

    Beliebigkeit ist die Masche. Popularismus ist die neue Religion. Wie zugekifft müssen die "da oben" sein, daß sie nicht begreifen, daß sie sich längst außerhalb der Realitäten befinden?

  • Na, dann wissen wir jetzt endlich, wie der Kurs der Regierung aussieht: Gestern Merkel plus Gabriel gegen Seehofer, heute Merkel plus Seehofer gegen Gabriel, morgen Merkel plus Gabriel gegen Seehofer, übermorgen Merkel plus Seehofer gegen Gabriel, u.s.w...

     

    Für jeden Wähler ist wieder etwas Attraktives dabei (inklusive schöner Bilder).

  • Wie war das? Eigentlich haben SPD, Grüne und Linkspartei doch eine Mehrheit im Bundestag. 2013 wurde während der Koalitionsverhandlungen gemunkelt, dass Gabriel es doch drauf ankommen lassen könnte, 2015 den Koalitionsbruch zu riskieren, sich von SPD, Grünen und Linkspartei zum Kanzler wählen zu lassen und aus dieser Position heraus in den Bundestagswahlkampf zu gehen. Das wäre doch mal eine Alternative zur übergroßen Koalition...

     

    Wenn die Grünen und die Linkspartei es ernst meinen, könnte dann auch Edward Snowden endlich nach Deutschland kommen und vom NSA-Untersuchungsausschuss befragt werden, sodass die schon fast in Vergessenheit geratene Geheimdienstaffäre endlich besser aufgeklärt würde. Also mir persönlich würde diese Alternative gefallen. Bleibt zu hoffen, dass SPD und Linkspartei solch einen Mut aufbringen, was leider nicht wirklich sicher ist.

    • @Smaragd:

      Das wäre zwar der richtige Schuss vor den Bug für den bayrischen Krawallmacher. Aber es ist extrem unwahrscheinlich, dass Gabriel dazu den Mut hat.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        In Thüringen stellen sie unter Führung der Linken die Regierung. Dort aber herrst das Scheigen im Walde.

        • @Rudolf Fissner:

          Vielleicht ist dort die Landesregierung damit beschäftigt, sich um die Probleme zu kümmern. Da ist wenig Zeit für laute Töne.

  • Die Gemeinsamkeiten der GroKo sind wohl aufgebraucht. Zeit für Neuwahlen.