Kommentar Anklage Heckler & Koch: Juristische Ladehemmung

Die deutsche Justiz kann beweisen, dass sie die in Mexiko herrschende Straflosigkeit nicht auf internationales Terrain erweitert. Theoretisch.

Ein Mann hält ein Sturmgewehr G36 von Heckler und Koch in die Höhe

Ex-Mitarbeiter von Heckler & Koch sollen mit dafür verantwortlich sein, dass Sturmgewehre vom Typ G36 illegal in mexikanische Bundesstaaten geliefert wurden. Foto: dpa

Nein, die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat sich mit der Entscheidung, gegen Heckler & Koch Anklage zu erheben, keine Lorbeeren verdient. Im Gegenteil: 5 ½ Jahre hat es gedauert, bis sie sich zu diesem Schritt entschloss. 5 ½ Jahre, in denen Tausende durch die Kleinwaffen der Schwarzwälder Rüstungsschmiede gestorben sind. 5 ½ Jahre, in denen keiner der Beschuldigten im Gefängnis saß, obwohl sie de facto Beihilfe zum Mord geleistet haben. Keinem gewöhnlichen Kriminellen wäre die deutsche Justiz mit so viel Freundlichkeit begegnet.

Schlimmer aber ist: Es waren vor allem die Recherchen von Journalisten, die die Beweise geliefert haben, auf denen die Anklage baut. Die Strafverfolger haben sich lange Zeit nicht einmal bemüht, den Kunden, das mexikanische Verteidigungsministerium, zu fragen, wohin die exportierten Waffen denn gegangen sind.

Und wäre da nicht eine journalistische Offensive gewesen, die von unzähligen Artikeln bis zu einem ARD-Themenabend reichten, hätte die Behörde das Verfahren längst im Sande verlaufen lassen. Man kennt dieses Verhalten aus Mexiko. Dort führt es zu jener „Straflosigkeit“, die mit für die exorbitante Zunahme von Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist.

Nun hat die deutsche Justiz immerhin die Chance, zu beweisen, dass sie diese Straflosigkeit nicht auf internationales Terrain erweitert. Leider ist auch da Skepsis angesagt. Vieles spricht dafür, dass Beamte der Exportbehörden in den Deal involviert waren. Da ist die illegale Ausfuhr der schwäbischen Sturmgewehre allerdings keine Ausnahme.

Ohne die fragwürdigen Absprachen zwischen Rüstungsfirmen, Behörden und der Politik wären viele der kriminellen Geschäfte, die mit dem Export von Waffen gemacht werden, gar nicht möglich. Will man diese Geschäfte in Zukunft verhindern, muss man das gesamte Netzwerk des Todes zur Rechenschaft ziehen.

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Wolf-Dieter Vogel, Jahrgang 1959, ist Print- und Radiojournalist sowie Autor. Er lebt in Oaxaca, Mexiko. Seine Schwerpunkte: Menschenrechte, Migration und Flucht, Organisierte Kriminalität, Rüstungspolitik, soziale Bewegungen. Für die taz ist er als Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika zuständig. Er arbeitet im mexikanischen Journalist*innen-Netzwerk Periodistas de a Pie und Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter.

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