Kommentar Angela Merkel und Pegida: Mit denen gibt es nichts zu bereden

Wer sich von der Meute treiben lässt, wird von ihr gefressen. Wer Ressentiments zu „Sorgen“ adelt, bewegt sich an der Grenze zum Kriminellen.

Beim Fußball 2012 jubelten sie noch gemeinsam für Deutschland gegen Griechenland Bild: reuters

Der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) weiß, wer schuld ist am Erstarken der AfD und der Pegida-Bewegung: die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Linkskurs. Mag sein, dass die Union rechte Wähler vernachlässigt hat. Doch noch vor ein paar Jahren lautete der Befund, dass die CDU für urbane Milieus wenig attraktiv sei.

Darauf hat Merkel reagiert. Ob dies aus Opportunität oder aus Überzeugung oder beidem geschah – entscheidend ist, um es mit den Worten ihres Vorgängers zu sagen, entscheidend ist, was hinten rauskam. Und da kam raus, dass dieses Land unter Merkels Führung zwar zu einer Gefahr für Europa wurde, im Innern aber liberaler und moderner geworden ist. Was ihr Friedrich als Verschulden ankreidet, ist in Wahrheit ihr Verdienst.

Und das ist nicht alles, was Friedrich weiß: „Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit mit der Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation zu leichtfertig umgegangen sind.“ Sagt der Mann, der durch ganz andere Leichtfertigkeiten in Erinnerung geblieben ist: durch leichtfertiges Aktenschreddern (NSU) und leichtfertige Ahnungslosigkeit (NSA).

Mit dem Geschwätz von der „Identität unseres Volkes“ geht Friedrich noch weiter als Bundestagspräsident Norbert Lammert etwa oder SPD-Chef Sigmar Gabriel, die auch schon meinten, man müsse die „berechtigten Sorgen“ der Pegida-Demonstranten ernst nehmen. Doch wer sich von der Meute treiben lässt, wird von ihr gefressen.

Und wer Ressentiments zu „Sorgen“ adelt, bewegt sich an der Grenze zum Kriminellen – so wie Anfang der neunziger Jahre, als man ganz viel Verständnis für die besorgten Bürger von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und anderswo zeigte und sie zu ihrem mörderischen Treiben ermutigte. Ein wichtiger Unterschied zu damals ist, dass die Medien, auch solche, die zu den Wahnvorstellungen der Pegida-Leute beigetragen haben, ihnen jegliche Berechtigung absprechen. Wenigstens dafür ist das Wort von der „Lügenpresse“ gut.

Eine angemessene Antwort kam kurz vor Weihnachten von DDR-Bürgerrechtlern, eine späte, aber wortgewaltige Reaktion: „Jesus hätte gekotzt, hätte er euch getroffen“, schrieben sie an die Adresse der Pegida-Demonstranten. „Ihr riecht nach dem Provinzmief hinter der Mauer.“ Und: „Ihr sprecht nicht für 89. Ihr sprecht für keine Freiheitsbewegung.“ Das ist nicht nur in der Sache richtig, sondern auch im Ton. Mit diesen Leuten gibt es nichts zu bereden.

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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