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Kommentar Andrej HolmDie Stasi als Verbündeter

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Woran erinnert das lächerliche polittaktische Getue um den Berliner Staatssekretär für Wohnen, Andrej Holm? An alte Wahrheiten.

Wer linke Wohnungsbaupolitik in Berlin verhindern will, muss auf die Stasi zurückgreifen Foto: dpa

A ll jenen in Politik und Medien, die verhindern möchten, dass Berlin wenigstens in Ansätzen der großen Mehrheit seiner Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben wird, ist als letzter Verbündeter nur der Überwachungsapparat des Unrechtsstaates DDR geblieben – die Stasi.

Sie wissen, dass sie in der Mieterstadt Berlin, in der die Eigentumsquote bei nur gut 15 Prozent liegt, gegen Andrej Holms wohnungspolitischen Ansatz mit rationalen Argumenten nichts ausrichten können. Deswegen wird ein heuchlerisches Empörungsgebäude errichtet, das man nur zu gerne einstürzen sähe.

Niemand würde Schaden nehmen, wenn Holm Staatsekretär bliebe – außer vielleicht er selbst – und jenen, die aus dem Grundrecht Wohnen ein Geschäft gemacht haben – und ihren Lakaien von Welt bis FAS.

Allerdings: Sind „wir“ nicht gerade mit dem hehren Spruch von Michelle Obama „When they go low, we go high“ auf die Schnauze gefallen? Gibt es im neuen, rot-rot-grünen Berliner Senat wirklich keine Arbeitsgruppe zur Abwehr neoliberaler Agitation und Propaganda? Schlitterte man einfach so in die Holm-Falle ohne eine vorbereitete Strategie? Hat man im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst, als etwa die Hetze gegen Willy Brandt durchgenommen wurde?

Wenn sich diese Naivität fortsetzt, dann wird diese Regierung kein Jahr überleben – oder das zarte Pflänzchen Investitionslenkung und Umverteilungspolititk aus der Agenda streichen müssen.

Und noch eines wird man fragen müssen: Wie lang wird das derzeitige Bündnis gegen Rechts, das sich von der CDU-Betongoldfraktion bis hin zur Linkspartei erstreckt, eigentlich halten, wenn es ans Eingemachte geht: Wenn also Bedürfnisse und Lebensqualität der Mehrheit tatsächlich einmal mehr zählen sollen als wirtschaftliche Interessen einer kleinen Minderheit?

Wer alte Stasikamellen bemüht, um zart-linke Politik zu verhindern, wird nicht ewig auf das Pack-Potential von AfD und noch übleren Gesellen verzichten mögen.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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21 Kommentare

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  •    

    Alte Stasikamellen!







    Frage: Ist Andrej Holm für das Amt fachlich qualifiziert?



    Antwort: Ja, aber darum geht es hier nicht.







    Frage: Sollte man seine in jungen Jahren ausgeübte Tätigkeit für die Stasi als geringfügig und als Jugendsünde einordnen?



    Antwort: Vielleicht, das wäre zu prüfen, aber darum geht es hier nicht!







    Worum geht es also?







    Es geht um Unehrlichkeit, falsche Angaben, vorgebliche Erinnerungslücken, das übliche Programm also. Es geht darum, dass sich manche Leute in allen Systemen einrichten: Ohne die Wiedervereinigung wäre Andrej Holm heute dank seiner politischen und familiären Verbindungen in der DDR vielleicht ein Funktionsträger in der Stasi. Heute ist er Staatssekretär in der BRD.







    Es gibt viele Berufe, die Andrej Holm ausüben könnte, aber in einem politischen Amt ist er untragbar.







    Zum Schluss:







    Es gibt natürlich andere Personen, die als Staatssekretär für Wohnen in Frage kämen, die Position könnte doch längst ohne Aufheben besetzt sein. Die wirklich interessante Frage ist, warum ausgerechnet an Andrej Holm festgehalten wird. [...]

     

    Kommentar gekürzt. Hinweise, Lob und Kritik an der Moderation können Sie gerne an kommune@taz.de richten. Danke, die Redaktion







     

     
  • "Zart-Linke" Politik im Wohnungsbau und Mietnmarkt gehören generell verhindert. Mit solch fluffig zahnlosen Ansätzen wird sich grundsätzlich nichts ändern.

    • @Rudolf Fissner:

      Was sind denn Ihre Lösungsvorschläge?

      • @Rainer B.:

        War ja klar, dass da wieder nix kommt.

  • Völker hört die Blockflöten im Walde pfeifen!

  • Short cut - & vorweg

    @@ Markus Maria Strobel & Johannes Strobel - tiefer Respekt &

    Möcht das im Ergebnis auch

    Hern so sehen - but -

     

    Waibels Ambros macht sich das zu einfach - Bin aber zu faul.

     

    Punkt ist - pol. Beamter! - d.h.

    Minister: - "hab ich das ausreichende Poli. Vertrauen in ihn - ??"

    Knabe is das eine - (kann ich im Ausmaß&Bedeutung mangels ausreichender Kenne nur schwer einschätzen!)

    Aber - "War nie Stasi - naja nicht richtig erinnert - hab ich nicht gelogen nur die Unwahrheit gesagt! &

    So dünnflottig weiter & so fort?!

    Also - mir kommt das im Ablauf

    aus den G 131er Verfahren Ende der 70er - Sehr bekannt vor!

    (Allein im Ablauf - klar)

    & nochens -

    "Nicht schön, aber eine Biografie kann nicht abgelegt werden. Dank für schnelle & vollständige " Veröffentlichung http://www.bz-berlin.de/berlin/die-stasi-akte-andrej-holm…

    Riecht alles sehr nach - "Ich gebe zu -

    Was bekannt ist!"

    Aber wie gesagt - bin nicht Minister!;)

    • @Lowandorder:

      Die Stasi-Akte enthält ja einen herrlichen Lese-Bonmot -

      "Intelligenz ohne"

      Reibt frauman sich die Äuglein:

      Rubriken: "Herkunft" & "Religion"

      Ach so! Franz Kafka läßt grüßen!;)

      Pascht scho!

  • da haben sich die Berliner ja wieder eine schöne Regierung zusammen gewählt. Da freut man sich schon wieder auf den Länderfinanzausgleich.

  • Holm soll ja nicht Alleinherrscher über Berlin werden. Was glaubt Herr Waibel eigentlich, welchen Einfluss ein Staatsekretär hat?

     

    Hier geht es um ein politisches Amt und darum, ob Herr H. dies bekommt. Die Politik Berlins wird davon nicht abhängen, ob er diesen Posten hat oder nicht. Die Linke kann sich ja von ihm "beraten" lassen, wenn sein Sachverstand so unverzichtbar ist.

  • "Niemand würde Schaden nehmen, wenn Holm Staatsekretär bliebe..."? Doch! Die Glaubwürdigkeit dieses Senates und der Linken. Ist Andrej Holm wirklich der Einzige bei den Linken, der soziale Wohnungspolitik umsetzen kann? Ist er wirklich der Heilsbringer? Dann wäre es schlecht bestellt um die Partei. Schade, dass die Linke so einen unprofessionellen Start hinlegt. Sie ist ja nicht zum ersten Mal in der Regierung in Berlin. Sie müsste wissen, dass in Berlin bei Stasi-Vergangenheit genauer hingeschaut wird. Seine Glaubwürdigkeit hat er nicht nur wegen seiner Stasi-Jugendphase, sondern vor allem wegen dem Verschweigen danach und der Überraschung über den eigenen Lebenslauf in Gefahr gebracht. Beim besten Willen - mit dem Lebenslauf hat er sich mit Sicherheit seine Stasi-Akte bei der Gauck-Behörde angesehen. Das wird ihm beim Erinnern geholfen haben. Ich hoffe, er tritt bald zurück, damit die Linke endlich Sachpolitik machen kann. Die "Holm-Falle" hat sich die Linke selbst gestellt.

    • @rero:

      Genau! Braucht es unbedingt einen Möchtegern-Stasi-Karrieristen, um soziale Politik zu verwirklichen? Es ist enttäuschend, dass auch das linke Lager auf die scheinbare Unverzichtbarkeit scheinbarer Lichtgestalten hereinfällt.

  • Die CDU soll da mal gaaaanz ruhig sein. Ihre Parteivorsitzende hat schließlich auch ihre Stasiunterlagen bis heute nicht veröffentlicht.

    Und noch schöner, da taucht ihr Foto in Stasiakten auf, die sich um die Bespitzelung von Regimekritiker Havemann drehen, und Merkel unterbindet die Veröffentlichung. Siehe http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/a-377389.html

     

    Aber bei anderen Parteien rummosern, dass da jemand ne Stasikarriere hingelegt hätte, wäre die Mauer nicht rechtzeitig gefallen, und der daraus nicht so wirklich ein Geheimnis gemacht hat?

     

    Low, so low.

    • @Disco Stu:

      Was aber nichts rechtfertigen darf.

  • Ich hatte unangenehm mit der Stasi zu tun zu DDR-Zeiten - als Umweltaktivist und Wehrdiensttotalverweigerer. Und hätte damals kaum Verständnis gehabt für jemanden, der bei "der Firma" mitmacht. Aber: ich bin lernfähig. Das heißt, dass ich jemanden, der als Jugendlicher einen Fehler gemacht, diesen korrigiert hat und jetzt den Finger an der richtigen Stelle in die Wunde legt sympathischer finde, als manche sich selbst beweihräuchernde ehemalige Bürgerrechtler, die suggerieren, das Ankunft im Westen das einzige, nun erreichte, Ziel sei.Von der CDU ganz zu schweigen. FÜR DIE MIETERSTADT BERLIN MUSS ANDRE HOLM STAATSEKRETÄR BLEIBEN!!!

    • @Markus Maria Strobl:

      Genauso habe ich als Unterstützer der Friedensbewegung der DDR in den 70er Jahren die Überwachung erlebt. Aber ich kam aus der BRD und wurde nur zum "Verhör" festgehalten. Doch nach der Wende kam ein IM von der Universität Bremen zu mir und entschuldigte sich, weil er nun nicht mehr als "Spion" arbeiten konnte.

      Das System der Aushorchung gibt es heute noch. Nur vom Verfassungsschutz. Gerade bei mir als Anti AKW- Demonstrant. Ich kenne Hubertus Knabe. Er sieht ständig die überwachten und mit starken persönlichen Einschränkungen geknebelten Menschen der DDR. Doch sie können jetzt mit der Vergangenheit Frieden schliessen.

      Alle Widerstandskämpfer und den NAZIS terrorisierten Menschen wurden von der CDU sogar in Staatsdienste gehoben. Die anderen bekamen ihre Pensionen . . .

      Ein Mensch, der für die Bürgerrechte eintritt und seine Vergangenheit heute andrs sieht, wie Andreas Holm ist integer! Wenn er Fehler macht, dann muss er sowieso gehen.

  • Vielleicht ist ja Berlin auch deshalb Mieter-Hauptstadt, weil man in Relation zum Kaufpreis einer Immobilie relativ günstig wohnen kann, zumindest, wenn man sich mit vergleichbaren Städten vergleicht. Im Umkehrschluss: die Rendite in Berlin, wenn man Wohnungen vermietet, die ist zum Teil bescheiden. Von Vandalismus, ausbleibenden Mietzahlungen etc. ganz zu schweigen.

    Also: Entweder die Stadt vermietet selbst oder es gelingt, die Einkommen der Mieter zu erhöhen. Private Vermietung derart unattraktiv zu gestalten, dass niemand mehr Vermieter sein möchte, ist der falsche Weg.

  • Gehts auch ne Nummer kleiner?

     

    Was bezwecken Sie mit dem letzten Satz? Jetzt alle, die Einwände gegen "zart-linke Politik" haben, zu künftigen Sympathisanten von "AfD und noch übleren Gesellen" zu erklären? Mit solcher Argumentation sorgen Sie nicht gerade für Ausgleich und Diskurs, sondern für eine zunehmende Polarisierung. Ich für meinen Teil lasse mich aber nicht von der taz in eine solche Ecke stellen, bloß weil ich nicht konform gehe mit der Meinung der neuen Möchtegern-Regierungszeitung.

     

    Und auch die Sprache ist bezeichnend - wie auch in anderen Beiträgen zu diesem Thema: "alte Stasikamellen". War damals alles nicht so schlimm, gell?

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @Klaus Bollino:

      'War damals alles nicht so schlimm, gell?'

      Doch, war's. Aber wer Andrej Holm unter Berücksichtigung seiner Sozialisation und seines damaligen Alters aufgrund seiner kurzzeitigen Stasi-Karriere für untragbar erklärt, leidet m. E. an einem Mangel an Selbstreflektion. Wer denkt, den Stab über ihn brechen zu können, scheint ja fest davon überzeugt zu sein, dass er bei gleichen Lebensumständen sehr viel edler gehandelt hätte.

      • @628 (Profil gelöscht):

        Man kann gut Verständnis für die Lebensumstände von Andrej Holms' Jugendjahren aufbringen, und trotzdem ihn als Staatssekretär nicht am richtigen Platz sehen. Die Mehrheit in der Gesellschaft erwartet von Politikern eine gewisse Integrität und Glaubwürdigkeit. Mehr als beim Durchschnittsmenschen. Bei Andrej Holms sehe ich sie nicht. Nicht mal in erster Linie wegen der Geschichte von vor der Wende, sondern wegen dem späteren Verschweigen.

        • @rero:

          "Die Mehrheit in der Gesellschaft erwartet von Politikern eine gewisse Integrität und Glaubwürdigkeit. Mehr als beim Durchschnittsmenschen."

           

          Im Gegenteil, sie werden keine, nicht mal geschönte Statistik finden, die Ihnen das bestätigt. Die Mehrheit stuft Politiker auf der Integritätsskala ganz unten ein, aus langjähriger Erfahrung.

           

          Bei dieser Kampagne geht es nur darum, einen klar linken Ansatz im Ressort Wohnen in Berlin zu verhindern. Das könnte ja für eine Mehrheit Vorteile bringen und auch noch öffentlich werden. Nicht auszudenken.

           

          Wenn Vorbelastung je ein Kriterium gewesen wäre, hätten wir den größten Teil unserer Bundespräsidenten anders besetzen müssen oder einen Großteil des Auswärtigen Amtes, nur so nebenbei.

          • @uvw:

            in der tat! die alte brd, in der ich mehrere jahrzehnte lebte (nach 10 jahren ddr) war tiefbraun grundiert.

            es begann für mich als flüchtlingskind mit "alten" lehrern, die noch in der nazizeit ausgebildet wurden.

             

            und die uns daher ihr subjektiv gefärbtes geschichtsbild (...) reinprügelten. das saß - sitzt bis dato "irgendwo" in mir fest.