Kommentar Aids-Vorsorge auf Rezept: Er kann auch anders
Gesundheitsminister Spahn will HIV-Prophylaxe zur Kassenleistung machen. Dafür gebührt dem CDU-Rechtsaußen ausnahmsweise Lob.

M an hat ja selten die Gelegenheit, den CDU-Rechtsaußen Jens Spahn zu loben. Jetzt ist es also soweit: Gut gemacht, Herr Spahn!
Der Bundesgesundheitsminister kündigte in einem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt an, dass die Krankenkassen künftig die Kosten für Medikamente zur HIV-Prophylaxe – kurz PrEP – übernehmen sollen. Bislang müssen NutzerInnen selbst zahlen, 50 bis 70 Euro pro Monat. Häufig haben sie sich günstigere Generika im Internet besorgt und wurden nicht medizinisch begleitet. Spahns Vorschlag ist also durch und durch sinnvoll. 2017 haben sich weltweit rund 1,8 Millionen Menschen mit dem HI-Virus angesteckt. Auch in Deutschland bleibt die Zahl der Neuinfektionen konstant bei rund 3.100 jährlich.
Besonders gefährdet sind schwule Männer, ihr Infektionsrisiko ist laut UN 28 Mal höher als das von Heterosexuellen. PrEP kann die Zahl der HIV-Infektionen deutlich verringern, wie Erfahrungen aus den USA, England und Australien zeigen. Langfristig können so Kosten für eine lebenslang notwendige HIV-Behandlung gespart werden. Die deutsche Aids-Hilfe spricht am Freitag von einem „Meilenstein für die HIV-Prävention in Deutschland“.
Spahns Vorstoß überrascht. Nachdem er sich die ersten Monate seiner Amtszeit vor allem mit ressortfremden Themen wie der Flüchtlingspolitik beschäftigt hatte, befasst er sich nun endlich mit Dingen, die in seiner Verantwortung liegen. Und er risikiert damit Stress von rechts. Denn wahrscheinlich sitzt die AfD bereits am Schreibtisch und tippt empörte Pressemitteilungen: „Jetzt soll der Sozialstaat auch noch für das wilde Rumgevögel von Schwulen zahlen!“ Und auch in seiner eigenen Partei werden sich nicht alle mit dem Vorhaben anfreunden. Ist halt immer noch irgendwie eklig: Schwule, Sex und HIV.
Besonders beliebt hat sich der homosexuelle Spahn in den vergangenen Jahren nicht gemacht in der eigenen Community. Jetzt setzt er sich endlich für ihre Belange ein. Deshalb nochmal – so schwer es auch fällt: Herr Spahn, das haben Sie gut gemacht!
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