Kommentar AfD und Meinungsfreiheit: Die eigenen Regeln beachten
Studenten, die AfD-Veranstaltungen blockieren, gehört unsere Sympathie. Dennoch ist es falsch, diese Veranstaltungen zu verhindern.
D ie rechten Populisten der AfD ziehen nicht nur in die Parlamente ein. Ihre Protagonisten haben längst damit begonnen, den öffentlichen Raum zu besetzten, sei es bei Demonstrationen, bei Veranstaltungen – und eben durch Studenten an den Universitäten. Hochschulen sollten Orte des Diskurses sein. Aber darf das bedeuten, dass die große Mehrheit der Gegner dieser Partei solche Veranstaltungen verhindern sollte, nicht nur mit Rechtsmitteln, sondern auch mit gellenden Trillerpfeifen, möglicherweise gar mittels einfacher körperlicher Gewalt?
Das ist eine grundsätzliche Frage. Die AfD ist eine zugelassene Partei. Anders als bei der NPD handelt es sich nicht um Neonazis, wiewohl immer wieder rechtsextreme Versatzstücke in der Argumentation führender Mitglieder auftauchen. Deshalb gilt die Freiheit der Meinungsäußerung, wie sie das Grundgesetz garantiert, auch für sie – so schwer das bisweilen auch zu ertragen ist. Punkt.
Und doch: Wollen wir die Studenten, die gegen die Okkupation ihrer Uni auf die Barrikaden gehen, etwa verurteilen? Ist es nicht im Gegenteil ausgesprochen beruhigend, dass diese Jungen es eben nicht widerspruchslos hinnehmen, wenn sich rechtes Gesülze über ihren Campus verbreitet? Ja, so ist es. Den Studenten gehört unsere volle Sympathie. Und dennoch ist es falsch, AfD-Veranstaltungen mit Gewalt verhindern zu wollen.
Dafür sprechen nicht nur grundsätzliche, sondern auch taktische Argumente. Es ist jetzt schon so, dass sich die AfD über eine Publizität ohne Ende freuen kann. Mit jeder Provokation schafft sie es in die Schlagzeilen, noch das dümmste Geblöke findet seinen Widerschein. Das Blockieren von Veranstaltungen aber wird für die Rechten zur Krönungsmesse, dank der sie sich als verfolgte Unschuld gerieren können – um dann noch mehr Wählerstimmen einzufangen.
Ob Menschen gegen diese Partei protestieren sollten? Natürlich! Ob Studenten ihrem Protest gegen rechte Kommilitonen Ausdruck verleihen dürfen? Unbedingt! Die Zivilgesellschaft darf den öffentlichen Raum nicht denen preisgeben, die ins letzte Jahrhundert zurückdrängen. Aber sie muss peinlich darauf bedacht sein, die selbst gesetzten Regeln auch für diese Feinde der modernen Gesellschaft zu beachten. Und sie darf den Rechten nicht die Chance bieten, von den Protesten sogar zu profitieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen