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Kommentar AfD-SpendenaffäreSchuld sind immer die anderen

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Wenn es um den eigenen Vorteil geht, nimmt es die AfD nicht so genau. Sie macht genau das, was sie den anderen Parteien gerne vorwirft.

Schuld? Ich? Quatsch! Die AfD macht keine Fehler, schon gar nicht der Herr Meuthen Foto: dpa

D ie AfD hat es jetzt amtlich: Die kostenlose Wahlwerbung, die Parteichef Jörg Meuthen und der AfD-Vorzeigemalocher aus dem Ruhrgebiet, Guido Reil, in zwei Landtagswahlen von einer Schweizer PR Firma angenommen haben, waren illegale Parteispenden. Nun könnte man diese beiden Fälle, isoliert betrachtet, als dumme Fehler abtun, die zwei unerfahrene Politiker einer neuen Partei gemacht haben: Jemand bietet Hilfe im Wahlkampf an, man kann sie gut brauchen und nimmt an – und ist sich nicht bewusst, dass man gegen das Parteiengesetz verstößt.

Doch zwei Dinge machen diese Sicht denkbar schwer: der verlogene Umgang Meuthens, Reils und großer Teile der AfD mit diesem Vergehen. Und das Wissen, dass es in mehr als diesen beiden Fällen einen mindestens zweifelhaften Umgang mit mindestens dubiosen Spenden gibt. Gegen Fraktionschefin Alice Weidel ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Die AfD macht genau das, was sie den von ihr so verhassten etablierten Parteien gerne unterstellt: Wenn es um den eigenen Vorteil geht, nimmt sie es nicht so genau – weder mit Gesetzen noch mit der Moral oder dem Wählerauftrag. Sie lässt sich sogar mit fragwürdigen Spenden verwöhnen, für die vermutlich Strohleute verantwortlich zeichnen und deren wahren Financiers unbekannt sind – und die möglicherweise auf einen Milliardär zurückgehen. Partei der kleinen Leute? Schlechter Scherz. Rechtsstaatspartei? Noch schlechterer.

Dass Meuthen, Reil und ihre Partei den Bescheid der Bundestagsverwaltung vor Gericht überprüfen lassen wollen, ist ihr gutes Recht. Dass sie aber auch hier in der immer gleichen Weise auf Vorwürfen reagieren – abstreiten, ablenken, austeilen – lässt tief blicken. Die Partei ist nicht bereit, ihre eigenen Fehler zu erkennen, sie aufzuarbeiten und Verantwortung dafür zu übernehmen. Schuld sind immer die anderen.

Dass die AfD nun auch noch ausgerechnet Meuthen und Reil zu Spitzenkandidaten für die Europawahl gemacht hat, ohne die dubiosen Spenden und die drohende Entscheidung der Behörden auch nur zu thematisieren, kommt noch hinzu. Dieser Umgang allein – vom politischen Programm einmal abgesehen – sollte die AfD im politischen Wettbewerb eigentlich disqualifizieren. Vielleicht sieht das endlich auch ein Teil ihrer WählerInnen so: In den Umfragen geht der Trend der AfD nach unten.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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12 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Was war gleich der Aufreger? Das Parteien (alle, auch Hr. Özdemir von den Grünen - Hunzinger-Affäre) gegen (ihre eigenen!) Finanzierungsgesetze verstoßen oder dass das die AfD neben den anderen auch tut? Das Bekenntnis der Ehrlichkeit legen die doch alle ab. Zugegeben: Die AfD etwas lauter. Glauben darf man/frau deswegen aber keiner Partei!

  • Schäuble, der Herr der schwarzen Kassen, und Kohl, der Mann des Ehrenworts, sind wohl schon vergessen! Bei der FDP erinnern wir uns an den Mehrwertsteuersatz für Hoteliers und bei der SPD an diverse Bankenrettungen. Leider ist dies nicht nur ein Problem der AfD!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @EricB:

      Die Abteilung Breitseite meldet sich zu Wort:

      Schäuble, Kohl und all die anderen ehrenwerten Herren wurden bereits gewürdigt. Jetzt ist die AfD verdientermaßen an der Reihe. Reingrätschen zwecklos. Ich freue mich schon auf die nächsten Umfragewerte.

      Tipp: ZDF Mediathek, MannSieber vom 16.April 2019. Sagt alles.

      FFuFF: Fiel Fergnügen und Fortsetzung folgt.

    • @EricB:

      Whataboutism in Reinkultur. Und dann auch noch ganz ganz schlecht hergeleitet.

      Zur Information: Die Spendenaffäre der CDU wurde juristisch aufgearbeitet und Helmut Kohl ist zurückgetreten. Die FDP ist unter anderem wegen des USt-Satzes für Hoteliers aus dem Bundestag geflogen. Und was die Bankenrettung durch die Groko (nicht nur die SPD) mit Parteispenden zu tun hat, erschließt sich wohl nur Ihnen selbst.

  • AfD = Adolf für Dumme!

  • Zitat: „Wenn es um den eigenen Vorteil geht, nimmt sie es die AfD nicht so genau. Sie macht genau das, was sie den anderen Parteien gerne vorwirft.“

    Komm schon, liebe taz, das ist jetzt nicht wirklich ein Alleinstellungsmerkmal der AfD, oder? Bigotterie ist unglaublich weit verbreitet hier und heute. Jeder glaubt sich selbst ermächtigen zu dürfen, weil jeder meint, sein ganz privater Zweck (oder doch wenigstens seine ganz persönliche gute Absicht) würde sämtliche Mittel quasi heilig sprechen.

    Die eigene Absicht ist immer lauter für die, die unbedingt kämpfen müssen. Die aller anderen nie. Keine einzige etablierte Partei war jemals freiwillig bereit, ihre eigenen Fehler zu erkennen, sie aufzuarbeiten und Verantwortung dafür zu übernehmen. Schuld waren und sind immer die anderen. Genau deswegen gibt es ja die AfD: der Wähler will das schlicht nicht wahr haben. Irgendwie verständlich, das. Denn: Was soll aus der Demokratie werden, wenn man den Volks-Vertretern nicht mehr vertrauen kann, als einem x-beliebigen Staubsauger-Vertreter?

    Übrigens: Dass „der Trend der AfD nach unten“ geht in den Umfragen, mag die übrigen Parteien (und gewisse Zeitungsredaktionen) nun veranlassen, sich erleichtert zurückzulehnen, nachdem sie sich selbst auf die Schulter geklopft haben. Sollte es aber nicht. Denn das Problem ist nicht vom Tisch. Die Unzufriedenheit und das Misstrauen sind noch da. Nur die Hoffnung auf Besserung nicht mehr. Und: nein, die nächste Revolution wird vermutlich keine friedliche.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Bei CDU/CSU und FDP hatte man nie so genau hingeschaut, woher Spenden kamen. Der AfD gebührt immerhin unbeabsichtigt das Verdienst, daß nun genauer hingeschaut wird. Sie tritt aus dem Sumpf der Altparteien heraus. Wenngleich als begossener Pudel.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Was für ein Käse, es wird regelmäßig über Parteienfinanzierung berichtet, sonst wüssten Sie weder vom Hessen-Sumpf, noch von der Mövenpick-Steuer, noch von „gesponserten“ Parteitagen.

  • schade ist nur, dass dem eingefleischten "patrioten" sowas komplett egal ist. realitätsverleugnung ist ja bekanntlich eine voraussetzung für eine existenz rechts der mitte.

    • @Gnarv:

      Zustimmung mit der Realitätsverweigerung!



      Deren Sicht ist stets:



      Selbst wenn wir etwas nicht richtig machen, so haben wir das doch ehrlich und richtig gemeint. Und dass die Anderen uns deswegen jetzt so kritisieren ist echt unfair.



      Eine Weicheier-Gurkentruppe aber hart gegen Andere....so kennt man die.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Gnarv:

      Naja, man kann es auch so sehen, daß er konsequent bei der 'Realitätsverweigerung' bleibt.

  • Wundert es jemanden?

    Eine Partei, die keine Mitglieder, keine Anhänger hat, die nicht wirklich existiert, keine echten Organisationsstrukturen hat, legt einen professionellen Wahlkampf nach dem Nächsten hin? Beherrscht Agenda-Setting, Negative-Campaigning, Themen-Setting und Image-Building. Erstaunlich oder?

    Aber. War das wirklich Zufall?

    Nein, war es nicht. Diese Partei ist nicht nur Ausdruck von wütenden bürgerlichen Kreisen, die konservativer als die CDU oder CSU sind, sondern diese Partei ist auch das Produkt von extrem reichen Leuten, die es sich leisten konnten, mit ihrem Geld, eine Partei gegen die CDU / CSU zu positionieren. Die wußten, dass es einer professionellen Maschinerie bedarf, um zu gewinnen.

    Fragt sich nur, warum war es diesen Menschen so extrem wichtig und warum mussten sie das alles verdeckt machen? Die Quandt-Familie überweist der CDU ja Riesensummen, aber eben offiziell und steht auch zu diesem Engagement - diese Kreise hier nicht. Die hatten offenbar schon das Image der AfD als Anti-Partei im Blick, wußten, dass diese Partei bürgerlich, regional, lokal wirken mussten, deswegen tarnten sie ihr Engagement - das allerdings wohl eher schlecht. Offenkundig wußten die nicht, wie man Parteien illegal finanziert.

    Das schöne oder nervige ist ja, dass jeder Mensch jetzt viele Fragen hat und die werden nur zu einem Bruchteil im Gericht beantwortet (von der AfD sowieso nicht).



    Und dann bleibt die Hoffnung, dass die Wähler der Partei diese Art von Finanzierung und diese Spielchen im Hintergrund so goutieren, dass diese Partei aus den Parlamenten rausfliegt.

    Das könnte sogar passieren, denn es wird 2019, 2020 und 2021 einige Termine vor Gericht geben, es wird Anträge geben, Menschen im Ausland werden befragt - es wird keinen Mangel an bad news über die AfD geben. Und das wird auch Wirkung entfalten - fragt sich nur, welche konkret.