Kommentar Abverkauf von Air Berlin: Gier hat auch ihr Gutes
Alle sind Verlierer der Air-Berlin-Pleite. Außer der Lufthansa, die sich am wertvollen Material bedient – und vielleicht der Bahn.
D as muss man erst mal hinkriegen: Mit der Übernahme eines Teils von Air Berlin sichert sich die Lufthansa die wertvollsten Hinterlassenschaften ihres wichtigsten Konkurrenten – und drückt sich gleichzeitig um jede Verantwortung für MitarbeiterInnen und KundInnen des Unternehmens.
Neben einem Teil der Maschinen übernimmt die Lufthansa vor allem viele Start- und Landerechte von Air Berlin. Damit sinkt in jedem Fall der Wettbewerb, auf einigen Strecken entsteht sogar faktisch ein Monopol. Egal was Lufthansa-Chef Carsten Spohr jetzt ankündigt: Durch den Wegfall des einzigen deutschen Konkurrenten werden die Preise natürlich steigen. Konzerne, die freiwillig auf Gewinne verzichten, sind im Kapitalismus schließlich rar.
Die Kosten hingegen werden bei Lufthansa niedriger sein als bei Air Berlin. Denn die Besatzungsmitglieder der Flugzeuge werden überwiegend nicht direkt übernommen, sondern sie müssen sich neu bewerben. Dabei kann sich Lufthansa die jüngeren und damit billigeren MitarbeiterInnen herauspicken – und diese werden zudem zum niedrigeren Tarif der Lufthansa-Tochter Eurowings und teilweise in Österreich angestellt.
Auch die KundInnen gehören zu den Verlierern: Wer ein Ticket bei Air Berlin gekauft hat, hat keinen Anspruch auf Beförderung, wenn die Lufthansa nun mit der gleichen Maschine auf der gleichen Strecke weiter fliegt. Juristisch mag das korrekt sein. Moralisch ist es aber fragwürdig – erst recht, nachdem der Übergang, von dem die Lufthansa jetzt profitiert, von der Bundesregierung mit einem Kredit aus Steuermitteln ermöglicht wurde.
Shareholder freuen sich
Freuen können sich über diese rücksichtslose Rosinenpickerei der Lufthansa vor allem die Aktionäre des Unternehmens, die mit steigenden Dividenden rechnen dürfen. Nachdem die Übernahme am Donnerstag bekannt wurde, erreichte der Aktienkurs sofort den höchsten Stand seit 17 Jahren.
Ein bisschen profitieren dürfte aber auch die Bahn. Denn durch den Wegfall der billigen Air-Berlin-Tickets wird die klimafreundliche Alternative auf der Schiene auf vielen innerdeutschen Strecken erstmals wieder preiswerter sein als ein Flug. Und wenn durch die steigenden Preise mehr Menschen auf Kurzstreckenflüge verzichten, dann hat die Gier der Lufthansa doch noch ihr Gutes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag