piwik no script img

Kolumne Wir retten die WeltKlimastreik am Fluchhafen

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Ver.di macht es vor: Um die Klimakiller in der Luft zu bekämpfen, muss Fliegen vor allem viel teurer werden. Egal, mit welchen Mitteln.

Gelbwesten als Klimaschützer: Jeder Flug weniger ist ein Gewinn Foto: dpa

E s liegt wirklich nur an meinem guten Herzen, dass unser Freund M. nicht unter der Brücke schlafen muss. „Kein Bett mehr, wenn du wieder mit dem Flugzeug kommst“, sagte ich beim letzten Mal. M. wohnt in Köln, sucht eine Wohnung in Berlin und nimmt dafür immer mal wieder gern schnell den Flieger. Letzten Freitag stand er wieder ohne Bahnticket vor der Tür. Was soll ich sagen. Auch Ökodiktatoren haben ihre weiche Seite.

Und M. geriet nicht mal in einen dieser Streiks, mit dem die Klimaschützer von Verdi derzeit den Himmel über Deutschland entlasten. Denn jeder Flug, der am Boden bleibt, ist ein Sieg für die kommenden Generationen.

Zur Erinnerung: Nichts rui­niert das Weltklima so prima wie unsere CO2-Bilanz aus der Fliegerei. Global dürfte jeder von uns 2,3 Tonnen CO2 im Jahr ausstoßen, wir Deutschen sind mit gut 10 Tonnen tief im Soll. Ein Flug nach New York und zurück bucht schon mal 3,6 Tonnen auf Ihr Konto.

Eine Flugreise versaut die ganze Ökobilanz

Da können Sie noch so viel Müll trennen, zu Fuß gehen, vegetarisch essen und veganen Strom beziehen – eine ordentliche Flugreise versaut die ganze Bilanz. Aufklären oder mit der Apokalypse drohen hilft nicht, das haben die letzten Jahr gezeigt. Wir stürmen die billigen Flüge, als gäbe es kein Morgen. Gibt es ja vielleicht auch nicht.

Die Gewerkschaften haben jetzt die Lösung, um Öko und Soziales endlich zu versöhnen: Gelobt sei, was das Fliegen teuer macht. Wenn schon 20 Euro Stundenlohn ein Problem sind, sollten die Sicherheitsleute am Gate ruhig 200 Euro die Stunde bekommen. PilotInnen sollten sich jedes Jahr einen neuen Tesla leisten können, Flugbegleiter im Schampus baden.

Über den Wolken sollte jeder Atemzug einen Euro kosten. Für Parkplätze sollte der Flughafen so viel berechnen wie ein Bahnticket zum anvisierten Ziel kostet. Kerosin braucht eine saftige Luxussteuer wie andere dekadente Umtriebe auch. Von den Flughafenabgaben und Sicherheitszuschlägen sollten sich die Kommunen goldgekachelte Schwimmbäder leisten können. Und überall im Umfeld der Airports, wo immer mal ein Säugling schlafen könnte, müssten Flugverbotszonen herrschen.

Das sollte reichen, um Fliegen wieder zu einem Privileg der Oberschicht im Sinne von Friedrich Merz zu machen. Heute spuckt der Flugverkehr in Deutschland etwa 30 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Berücksichtigt man die höhere Klimawirkung der Abgase in den oberen Luftschichten, ist das etwa so schädlich fürs Klima wie die Lücke im deutschen Klimaschutz bis 2020.

Das heißt: Wenn wir bis 2020 alle Flüge in Deutschland wegstreiken, kommen wir zwar nicht in die Nähe unseres Klimaziels, können das aber behaupten. Eine Milchmädchenrechnung? Vielleicht. Aber auch nicht utopischer als die anderen Klimapläne der Regierung.

Vor allem sollten wir die Dinge beim Namen nennen: M.s Heimatstadt geht mit gutem Beispiel voran: Der Flughafen heißt dort Köln-Wahn. Wie wäre es also mit München-Irrsinn, Frankfurt-Rhein/Unrein oder Hamburg Hy­bris. Und dann bezeichnen wir die Klimabomber auch bitte noch als das, was sie wirklich sind: Fluchzeuge.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Naja, wenn das Fliegen wie früher nur für Wohlhabende oder Reiche möglich sein wird, dann wird es auch wieder gefühlt exklusiv. Ich muß nicht mehr so lange mit Kreti und Pletzi warten, aus der Massentierhaltung wird wieder Einzelgastbetreuung und vielleicht gibt es wieder Mahlzeiten auf Porzellan (wie nachhaltig) und auch auf einem Inlandsflug mit der Lufthansa einen Scotch auf Eis.

  • Der Freund M. wohnt am Heimatflughafen von Eurowings. Da ist das Fliegen halt deutlich billiger als die Fahrt mit der Bahn. Mit nem Monat Vorlauf kosten Hin- und Rückflug 60€ und dauern je gut eine Stunde. Die Bahn verlangt dafür hingegen 130€ und weiß schon einen Monat vorher das die Rückfahrt so überbucht ist dan man besser nochmal 4,50€ drauf hauen sollte um sich einen Sitzplatz zu reservieren und das ist schon der Sparpreis.



    Dafür darf man den Aufenthalt im ICE dann ganze fünf Stunden genießen. Wer zahlt nicht gerne darauf, damit er länger genervt wird?!

    Ich fliege nicht häufig, aber den Streik der Berufs-Grabscher habe ich bedauerlicherweise aus der ersten Reihe miterleben dürfen. Musste dann nen Tag später fliegen und auf dem Ersatz-Flug auch noch am Gang sitzen.

    Piloten mit Berufserfahrung können sich jedes Jahr einen neuen Tesla leisten. Dessen Herstellung geht allerdings mit einer enormen Umweltbelastung einher.

    Der einzige Weg den Klimwandel zu stoppen ist eine Optimierung erneuerbarer Energien. Erst wenn ökologisches Handeln und Komfort Hand in Hand gehen wird das Pendel umschlagen.

  • Der Flughafen heißt Konrad-Adenauer-Flughafen und liegt in Köln Wahn.



    Das ist simpel zu recherchieren und die Pointe wäre immernoch möglich.



    Sorry, solche Schlampigkeit ist ärgerlich.

  • Funktioniert nicht. Den Flug zahlt doch die Firma, genauso wie die dicke Karre, und von der Steuer wird beides ohnehin abgesetzt.

  • Ein TAZ Artikel bei dem die Misere der Argumentation pointiert wird. Eine sozial gerechte Klimapolitik kann es nicht geben.

    Hier sollen die Flüge so teuer werden, dass nur noch Wohlhabende, sehr Wohlhabende, es sich leisten können zu fliegen (PS dabei geht es beim Fliegen nicht immer um private Vergnügungen). Selbst Flugbegleiter sollen im Champus baden und damit ihre persönliche CO2 Bilanz sprengen dürfen. Es wird also postuliert, dass einige sich nicht an Grenzen halten brauchen, damit die Mehrheit bitte zur Rückkehr auf 2,8to gezwungen werden kann (PS was mit dem hiesigen Lebenstil nicht möglich ist. Da kann man noch so viel recyceln).

    Egal ob man, wie hier, sich auf Fliegen einschiesst, oder auf andere Aspekte. Solange man sich mit Geld ein Lizenz zur CO2 Abgabe kaufen kann, werden gesellschaftliche Spaltungen zementiert (PS eine wahre CO2 Schleuder).

    • @fly:

      ich denke, Sie haben die Ironie in dem Artikel nicht ganz verstanden

  • Da haben uns die Schutzsuchenden aus den Klimabrennpunkten Afrikas einiges voraus: die reisen mit dem Paddelboot an. Nur die dämlichen Chinesen und Japaner fahren in immer mehr und größeren Autos durch die Welt. Keine Frage, an welchen Werten wir uns orientieren sollten.