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Kolumne Wir retten die WeltWenn sich der Ökofaschist freut

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Wäre es nicht ökologisch das Beste gewesen, das Riesenfeuer hätte in Kanada alles rund um die Ölsand-Ausbeutung vernichtet?

Geschieht es den Kanadiern mit den Waldbränden im Ölsandgebiet recht? Ach was Foto: dpa

D as Fernsehen zeigt eine 20 Meter hohe Feuerwand. Bäume lodern wie Fackeln, Häuser sind rauchende Trümmer. Menschen fliehen unter apokalyptisch schwarzen Rauchwolken, erschöpfte Feuerwehrleute brechen in Tränen aus. Ich sitze auf dem Sofa, und der Ökofaschist in mir sagt: „Da trifft es mal die Richtigen.“

So etwas darf man ja nicht mal denken. Und ich weise die dunkelgrüne Seite der Macht in meinem Hinterkopf gleich zurecht: Der Ölarbeiter in der kanadischen Stadt Fort McMurray, der sein Haus verloren hat, verdient Hilfe. Was kann er dafür, dass sein Arbeitgeber sich einen Dreck um Umwelt und Klima schert und sein Land im letzten Jahrzehnt auf ökologischer Geisterfahrt war? Wenn „die Natur zurückschlägt“, wie es immer so blöd heißt, trifft es zuerst die Schwachen und Armen.

Mein innerer Ökoschweinehund zerrt an der Kette: „Es wäre das Beste gewesen, das Feuer hätte die Produktionsanlagen vernichtet“, flüstert er mir ins Ohr. Denn tatsächlich sitzen ein paar der schlimmsten Brandstifter weltweit genau dort in Fort McMurray: Beim Wahnsinnsprojekt „Ausbeutung der Ölsande“ werden riesige Gebiete der Tundra verwüstet und Gewässer vergiftet, um aus dem zähen Schlamm dreckigen Brennstoff zu machen.

Indigene verlieren ihr angestammtes Land, das „schwarze Gold“ aus dem Wilden Westen Kanadas hat die schlimmste Ökobilanz aller Mineralöle. Diese Milliardenprojekte sollen 2020 insgesamt 420 Millionen Tonnen CO2 erzeugen, so viel wie Großbritannien, sie stehen auf Platz 5 der 14 schlimmsten fossilen Großprojekte weltweit. Werden die alle realisiert, können wir das 2-Grad-Ziel zur Begrenzung des Klimawandels in der Pfeife rauchen. Wenn irgendwas im Boden bleiben muss, dann diese Ölsande.

Die Natur schlägt nicht zurück

Die Forderung danach hat im Englischen auch einen Namen: „unburnable carbon“, unbrennbarer Kohlenstoff. Wie brennbar zumindest die Produktionsanlagen sind, zeigt sich nun. Die Natur schlägt nicht zurück, aber sie hat Sinn für Ironie.

Ob es in Kanada wegen des Klimawandels brennt, ist unklar, aber letztlich egal. In der Gegend herrscht seit Monaten eine Hitzewelle, dazu kommt El Niño. Aber kanadische Wissenschaftler verweisen auf eine lang dauernde Dürre, auf eine frühere Schneeschmelze und auf häufigere Waldbrände, genau das, was im Klimawandel zu erwarten ist.

Wenn die Natur sich hier wehrt, dann blind: Ehe die Ölanlagen angegriffen wurden, drehte das Feuer ab. Dabei hatte der Absturz des Ölpreises ohnehin die Investitionen in viele Projekte gestoppt. Gerade das Feuer könnte daran nun etwas ändern. Auch der Ausfall der Produktion in Kanada lässt die Preise weltweit wieder steigen, das könnte die teuren Vorhaben wieder ins Geld bringen.

Gegen die Gesetze des Kapitalismus kommen eben weder Mutter Natur noch mein innerer Ökofaschist an. Leider. Die Umweltkatastrophe passiert in Alberta nicht, wenn die TV-Kameras brennende Bäume zeigen. Sondern wenn im Normalbetrieb die Welt ruiniert wird.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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4 Kommentare

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  • Wer bitte verbraucht denn das Erdöl was dort auf katastrophale Art und Weise gefördert wird, der Mann im Mond ?

     

    Das was wir hier haben entsteht aus Luft und Liebe und hat rein gar nichts mit dem zu tun was in Kanada, Nigeria und dessen Umweltzerstörung vorsich geht. Oder den Kriegen um Erdöl im Irak, Libyen ?

     

    Wie kann man sich bitte nur jeden Tag selbst belügen und zu glauben, das der "einfache" Arbeiter oder wir als Konsumenten dieser Rohstoffe nichts damit zu tun hätten. Auf diesen ganzen Entwicklungen und Auswirkungen beruht unser aller vermeintlich Gott gegebener Wohlstand hier und im Rest der Welt.

     

    Es wird langsam mal Zeit das ein jeder Verantwortung für das übernimmt was im Rest der Welt vorsich geht, sonst wird es für uns nämlich bald keine mehr geben. Oder gibt es vielleicht eine saubere Lösung das Erdöl aus dem Teersand Kanadas zu extrahieren ?

     

    Denke nicht und solang mehr als 3 Milliarden Menschen am anderen Ende der Welt in den Schwellenländern auch jeden Tag Auto fahren und jedweden scheiß aus Übersee im Überfluss konsumieren wollen. Geht es für uns alle direkt gen Abgrund.

     

    Ja aber die Politik muss ja die weichen für ökologische Energie und dessen Transport umsetzen. Wer bitte zwingt ein jeden hier das Spiel jeden Tag auf's neue mitzumachen und selbst in Großstädten ein Auto zu haben und damit 50m zum Bäcker zu fahren.

  • die ölsandindustrie hätte sich nach der totalen zerstörung aus versicherungsgeldern erholt und ohne umweltgegener voll durchgestartet.ein niedriger ölpreis ist vor allem für russland,venezuela,iran und andere kleinen produzenten ein problem,ihre produktionskosten sind höher als bei unseren verbündeten ölmonachrchien.

    die usa und kanada kontrollieren nicht nur die ölmenge und den ölpreis,sondern auch den kurs der währung in der öl bezahlt wird.

    • @jörg opitz:

      die Produktionskosten für Öl aus Ölsanden ist am höchsten u. nicht die Produktionskosten in Iran, venezuela und Rußland..., kleine Produzenten haben natürlich in der Regel höhere Kosten, die ist aber nicht branchenabhängig und Russland,Venezuela und der Iran, auch bald wieder, sind im Gegensatz zu Kanada größere Ölproduzenten...,

  • Kritisch, differenzierend und das Kind beim Namen nennend - einfach nur gut!