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Kolumne Wir retten die WeltSänk ju for treffeling

Manfred Kriener
Kolumne
von Manfred Kriener

Der Lkw-Einsatz bei den Fahrten des Autoreisezugs passt perfekt ins Konzept der Deutschen Bahn: Sie macht sich zunehmend selbst Konkurrenz.

Mit Lastwagen wollen die Gäste des Autoreisezugs eigentlich nicht transportiert werden. Bild: ap

V iele haben es nicht geglaubt. Die Bahn transportiert die Autos beim Autoreisezug auf einigen Strecken per Lastwagen. „Das kann doch nicht sein, das ist doch vollkommen absurd!“ Man muss es erlebt haben.

Berlin-Wannsee, Autoverladestelle. Breitbeinig steht der Verlademeister an der Rampe und verlangt mit ausgestreckter Hand: „Ihren Autoschlüssel!“ Wo man früher im Schritttempo auf einen der Stellplätze im Spezialgüterwaggon jonglierte, steht jetzt ein dicker Lastwagen mit doppelstöckigem Aufbau. Die steile Auffahrt besorgt ein Bahnangestellter, „das ist sonst zu gefährlich“. Die Dame mit dem Kleinwagen blickt auf den Laster wie auf eine große Stechmücke. „Ich dachte, Güter gehören auf die Bahn“, vertraut sie dem sonnigen Abendhimmel an und blickt hilfesuchend um sich.

Vom Verlademeister darf sie kein Nicken erwarten, obwohl der zugeben muss, dass Akzeptanz und Reisezahlen seit dem Umstieg auf die Lkws „stark zurückgegangen“ sind.

Eine andere Dame will ihre Rückfahrt sofort stornieren – und wird elegant auf die Buchung im Internet verwiesen. „Wir sind hier nur die Verladestelle.“ Am Ende stehen ganze fünf Autos auf dem Lastwagen. Obwohl dort noch reichlich Platz gewesen wäre, hat die Buchungsstelle meinen Smart, der als 2,20 Meter kurzer Mini eigentlich einen besonders niedrigen Spezialtarif bekommt, abgelehnt. „Wir haben nur noch für größere Normalwagen Platz“, sagte die Dame in der Buchungsstelle. Noch mal zum Mitschreiben: Für einen fünf Meter langen Audi ist noch Platz, während der kleine Smart die Kapazitäten sprengt? Also erst eine Stretchlimousine anschaffen, um auf dem Autoreisezug mitfahren zu dürfen? „Tut mir sehr leid“, sagte die Buchungsdame.

Die Bahn fällt ins Zeitalter vor der Weimarer Republik zurück

Bis 2017 will die Bahn den Autoreisezug „ganz auslaufen lassen“, teilt ein Bahnsprecher mit. Autoreisezüge seien heutzutage „wirtschaftlich nicht zu betreiben“. Die Zahl der Fahrgäste würde zudem nicht einmal ein Prozent der Bahnreisenden ausmachen. Ja dann. Damit fällt die Bahn ins Zeitalter vor der Weimarer Republik zurück. Am 1. April 1930 wurden „die Autos der Kraftfahrer“ von der Reichsbahn erstmals „als Reisegepäck zum Zielort befördert“, bequem und sicher, wie es damals hieß. Die Fahrt von Hamburg nach Basel dauerte indes 33 Stunden. Das geht heute flotter, sofern der Lkw nicht in einen Autobahnstau gerät. Dann muss der Bahnreisende ein wenig Geduld mitbringen.

Der Lkw-Einsatz passt perfekt ins Konzept der Bahn, die sich zunehmend selbst Konkurrenz macht. Für den Güterverkehr auf der Schiene fehlt es an Kapazitäten und Logistik – eine Hinterlassenschaft von Exchef Hartmut Mehdorn. Längst zählt die Bahn mit ihrer Laster-Tochter Schenker zu den großen Spediteuren der Straße. Dass sie jetzt auch noch mit Fernbussen im boomenden Busgeschäft mitmischen will, komplettiert den Irrsinn.

Übrigens: Mitglieder des ADAC – als Autolobby der natürliche Feind der Bundesbahn – erhalten bei der Fahrt mit dem Autoreisezug 10 Euro Rabatt. Mitglieder des ökologisch orientierten VCD, der unermüdlich für Bahnreisen wirbt, bekommen den Händedruck des Verlademeisters. Sänk ju 4 treffeling wiss Bundesbahnlastwagen.

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Manfred Kriener
Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.
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3 Kommentare

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  • Die taz fällt ins Zeitalter vor der Bahnreform zurück

    -rein begrifflich zu mindest.

    Danke für Ihre Verdienste um vom Aussterben bedrohte Wörter wie "Bundesbahn".

    Wie lange wird es noch dauern, bis die Reichsbahn auch Velocipeds mit Motorlastautos transportiert statt im Zug?

  • Das die Bahn jetzt auch Busfahrten anbietet ist verständlich. Warum soll sie sich nichts von dem Kuchen sichern? Immerhin kann sie hier genau so günstig sein wie die Konkurrenz da sie hier auch die Infrastruktur gestellt bekommt und nicht wie im Schienenverkehr selbst bauen und instandhalten muss.

  • "Eine andere Dame will ihre Rückfahrt sofort stornieren – und wird elegant auf die Buchung im Internet verwiesen."

     

    — alternativ können Sie sich auch in eine desinteressierte 01805er Schleife der Bahn hängen (extrateuer vom Handy) und sich ein bisschen Floskelschrott anhören oder mit der Wand dort vorne sprechen. Vielleicht interessiert die das...

     

    Jaja, so kennen und lieben wir die Bahn.