Kolumne Wir retten die Welt: Der Himmel kann nicht warten
Vier Jahre Fukushima heißt auch zwei Jahre Papst Franziskus. Er krempelt die Kirche um und kämpft gegen den Satan Kapitalismus.
W as ich besonders gut kann: eine Revolution verschlafen. Als die Mauer fiel, saß ich zu Hause vor der Glotze. Als vor vier Jahren in Fukushima der erste Reaktor in die Luft flog, stand ich auf dem Fußballplatz. Und als vor zwei Jahren Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt wurde, dachte ich: „Ein Argentinier. Na und?“
Inzwischen zeigt sich, dass dieser regnerische Abend in Rom für unsere Zukunft womöglich wichtiger war als der strahlende Nachmittag in Fukushima. Denn der Atom-GAU im fernen Japan hat seine schwersten Auswirkungen in Deutschland – der Rest der Welt blieb relativ ungerührt. Der neue Papst dagegen krempelt nicht nur seine Kirche um. Der Mann mit den ausgelatschten Schuhen, dem Leben im Gästehaus und einem Ford Focus als Dienstwagen hat sich einen neuen alten Feind der Kirche zur Brust genommen: den Kapitalismus.
Da jubeln die Linken. Wenn er sagt: „Dieser Kapitalismus tötet“, sind wir alle Papst. Über die Schwärmerei für den Mann in Weiß vergisst man zu leicht, wie wichtig er und andere Religionsführer für die Öko-Debatte sind. Und wie entscheidend sie noch werden könnten.
Schon der Name ist Programm: Franziskus von Assisi war kein Hippie, der mit den Vögeln einen zwitscherte. Sondern ein radikaler Konsumkritiker, gegen den heute der strikteste Veganer wie ein Waisenknabe wirkt. Religionsführer erreichen oft Menschen, die von Politik noch nichts gehört haben. Die meisten Glaubensrichtungen setzen sich dafür ein, „die Schöpfung zu bewahren“. Der Papst sitzt an einem Lehrschreiben zum Thema „Ökologie“ für seine 1,2 Milliarden Katholiken. Und weil er einen eigenen Staat leitet, hat er Rederecht bei der UNO. Nicht umsonst hofiert ihn die UN-Klimachefin Figueres.
Der Umwelt hilft manchmal nur noch beten
Gegen die Zerstörung der Umwelt hilft eben manchmal nur noch Beten. Oft sind Kirchengemeinden vor allem in Afrika und Lateinamerika die ersten Akteure, die gegen Waldzerstörung, Landraub oder Staudämme protestieren. Öko-Aktivisten haben das erkannt: Greenpeace-Chef Kumi Naidoo bastelt an einer Koalition zwischen Frommen und Fassadenkletterern, das Worldwatch-Institut schreibt über „Religionen im Dienste der Nachhaltigkeit“ und die Öko-Bibel „Zukunftsfähiges Deutschland“ wurde 1997 vom katholischen Hilfswerk Misereor mitfinanziert.
Dabei treibt Papst Franziskus in seiner Verdammung des Kapitalismus nicht nur seine Liebe zu den Karnickeln an. Es geht auch gegen einen Konkurrenten auf dem Markt der Ideologien. Der Kapitalismus hat seine Dogmen, seine Priester und seinen Kult. Die Kathedralen des Geldes belohnen nur die echten Gläubige(r)(n), die dem Credo des Mehrwerts folgen. Beide Systeme fordern völlige Unterwerfung, dafür versprechen sie Orientierung und ein besseres Leben. Und die Reliquien der Marktwirtschaft verstopfen jeden Tag unsere Autobahnen.
Wir wünschen also dem selbsternannten Stellvertreter Gottes viel Erfolg bei seinem Kampf gegen den Großen Satan Kapitalismus. Drei Wünsche hätte ich dabei: Ein paar Öko-Orden, die die Rettung der Welt so trickreich betreiben wie früher die Christianisierung der Heiden. Dann sollte der Vatikan aufhören, die UN-Bevölkerungspolitik zu torpedieren, indem er Pille und Kondom verteufelt.
Und schließlich wollen wir den Superstar in Weiß sehen, wie er bei der Klimakonferenz in Paris den Politikern ihre Ökosünden in einer mittelalterlichen Bußpredigt um die Ohren haut. Schließlich geht es beim Klima um seine Kernkompetenz: Wer und was kommt in den Himmel?
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