Kolumne The Final Countdown: Noch 8 Tage bis zur Griechen-Pleite
Am 5. Juni ist Athen bankrott. Schon mal gelesen, nur mit anderem Datum? Das könnte sich bis zum Jahr 2054 so hinziehen.
B rüssel ist wieder im Griechenland-Fieber. Nachdem die seit Wochen angekündigte und von der deutschen Presse freudig herbei geschriebene griechische Pleite weder zu Ostern noch zu Pfingsten eingetreten ist, richten sich alle Erwartungen nun auf den 5. Juni.
An diesem Tag muss Finanzminister Gianis Varoufakis – der mit dem Stinkefinger – 305.959.572 Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington zurückzahlen. Das Geld hat er nicht. Schon die letzte Überweisung an den IWF klappte nur durch einen raffinierten Umbuchungs-Trick.
Der Countdown läuft, in acht Tagen ist Schluss, frohlocken die Griechen-Basher. Davon gibt es eine ganze Menge. Neben unserem Kassenwart Wolfgang Schäuble, der schon seit Wochen vor einem „plötzlichen, völlig unerwarteten“ Ende warnt, auch Bundesbank-Chef Jens Weidmann und Euro-Retter Klaus Regling.
Dabei sollten die deutschen Herren des Geldes doch am besten wissen, wie der griechische Schuldenkalender aussieht. Erst am 30. Juni läuft die mit der Eurogruppe vereinbarte Frist für eine Einigung ab. Statt zehn bleiben also noch rund 35 Tage.
Wann ist Griechenland pleite? Als mögliches Datum wird momentan der 5. Juni gehandelt, weil dann eine neue Kreditrate fällig wird. Allerdings gab es solche Termine schon häufiger. Möglich wäre daher auch der 28. April 2054, der Tag, an dem Athen die letzte Zahlung aus dem aktuellen Rettungsprogramm zurückzahlen muss.
Was steckt also wirklich hinter all diesen Countdowns? taz-Brüssel-Korrespondent Eric Bonse nutzt die wer weiß wievielte bevorstehende Griechenlandpleite und klärt über die Hintergründe der aktuellen Verhandlungen auf. Bis der Zähler auf Null steht.
Teil 1: Noch 8 Tage bis zur Griechen-Pleite
Teil 2: Noch 7 Tage bis zur Griechen-Pleite
Griechen-Pleite hat Wochenende
Nur noch 14216 Tage
Und erst am 28. April 2054 ist die letzte Rückzahlung an den Euro-Rettungsfonds vorgesehen. Genau 6,3 Milliarden Euro muss Athen an diesem Tag an den EFSF überweisen. Bis dahin bleiben noch schlappe 14.216 Tage – der letzte Countdown dauert noch eine Weile. Vielmehr dürfte es, wenn Griechenland bis dahin noch Mitglied der Eurozone ist, noch manche Zitterpartie geben. Und viele „überraschende“ Wendungen, bei denen Geld, von dem niemand wusste, dass es es überhaupt existiert, aus einer heimlich zugenähten Tasche gezaubert wird.
Wie dies auch jetzt wieder gehen könnte, hat gerade ein hochrangiger Vertreter der Euro-Zone ausgeplaudert. Die Regierung in Athen könne einfach alle Rechnungen für den IWF im Juni zusammennehmen und erst Ende des Monats begleichen, so der Experten-Tipp.
Sie haben kein Geld? Zahlen Sie einfach später. Diesen Trick kennen wir doch auch aus dem wirklichen Leben.
Es gibt noch viele andere kreative Lösungen. So könnten die Kreditgeber eine Art Vorschuss zahlen und die Verhandlungen kurzerhand bis in den Herbst verlängern. Dann wäre der IWF ruhig gestellt, die Deadline verschoben und der Countdown könnte von Neuem beginnen.
Noch einfacher wäre es natürlich, Griechenland endlich die 7,2 Milliarden Euro, das ist die letzte Tranche aus dem immer noch laufenden Hilfsprogramm, auszuzahlen, die schon seit Februar fest versprochen sind – und so dem ganzen Spuk ein Happy End zu bereiten. Denn eigentlich wäre ein griechischer Staatsbankrott nicht, wie Schäuble suggeriert, völlig unerwartet.
Der irre Kreditkreisel
Sondern eine politische Entscheidung: Die nun zurückgehaltenen Hilfskredite des IWF würden sofort an eben diesen Kreditgeber zurückfließen, weil er zugleich Gläubiger ist – wie auch die Europäische Zentralbank und der Euro-Rettungsfonds und damit die EU-Mitgliedsstaaten. Falls sich dieser Kreditkreisel nicht dreht, müsste sich Griechenland de jure für zahlungsunfähig erklären.
Das Pleite-Theater ist also eine Inszenierung, um Griechenland zu „Reformen“ zu bewegen. Das Ende würde Schäuble & Co. das ultimative Druckmittel entziehen – die Drohung mit dem Grexit. Also muss der Countdown weitergehen. Und wenn er nicht die gewünschte Wirkung erzielt, wird er eben verlängert – bis zum Finale im Jahr 2054.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!