Kolumne The Final Countdown: Noch 3 Tage bis zur Griechen-Pleite
Alexis Tsipras sieht Europa in der Hand von neoliberalen Mächten. Ein ziemlich plumper Versuch, von eigenen Versäumnissen abzulenken.
Warum macht Alexis Tsipras so was? Warum setzt er mitten im Endspiel auf Konfrontation? Das fragen sich viele Journalisten in Brüssel, nachdem der griechische Premier einen geharnischten Kommentar in der Zeitung Le Monde veröffentlicht hat.
Darin weist Tsipras nicht nur alle Schuld für die aktuelle Hängepartie im Schuldenstreit von sich. Er spielt den Konflikt auch zu einem historischen Machtkampf zwischen autoritären Neoliberalen und solidarischen Demokraten in der EU hoch. „Griechenland ist das erste Opfer“, schreibt Tsipras.
„Alle Länder, die der Macht (der Neoliberalen) nicht nachgeben wollen, sollen hart bestraft werden.“ Dabei gehe es nicht nur um eine rücksichtslose Sparpolitik, sondern auch um Beschränkungen beim Kapitalverkehr und um die Einführung einer Parallelwährung neben dem Euro.
Nun sind Kapitalkontrollen nichts, was einem Linken wie Tsipras Angst machen sollte. Im Gegenteil: Sie können nützliche Instrumente im Kampf gegen Steuerflucht und Spekulation sein. Auch eine Parallelwährung ist nicht unbedingt ein Schreckgespenst. Sie könnte Griechenland helfen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Warum stellt Tsipras diese Maßnahmen dann als neoliberale Folterinstrumente hin?
Wann ist Griechenland pleite? Als mögliches Datum wird momentan der 5. Juni gehandelt, weil dann eine neue Kreditrate fällig wird. Allerdings gab es solche Termine schon häufiger. Möglich wäre daher auch der 28. April 2054, der Tag, an dem Athen die letzte Zahlung aus dem aktuellen Rettungsprogramm zurückzahlen muss.
Was steckt also wirklich hinter all diesen Countdowns? taz-Brüssel-Korrespondent Eric Bonse nutzt die wer weiß wievielte bevorstehende Griechenlandpleite und klärt über die Hintergründe der aktuellen Verhandlungen auf. Bis der Zähler auf Null steht.
Teil 1: Noch 8 Tage bis zur Griechen-Pleite
Teil 2: Noch 7 Tage bis zur Griechen-Pleite
Griechen-Pleite hat Wochenende
Die Antwort ist vermutlich, dass es Tsipras mit der Angst zu tun bekommt. Seit seinem Wahlsieg ziehen die Griechen immer mehr Geld von ihren Konten ab. Je lauter das Gerede von Kapitalkontrollen, desto stärker wird der Run auf die Banken. Davor hat er Angst.
Das ist verständlich, offenbart aber ein taktisches Versagen. Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis wären besser beraten gewesen, selbst Kapitalbeschränkungen und eine Parallelwährung ins Spiel zu bringen. Dann stünden sie nun besser da: als weitsichtige, tatkräftige Politiker.
Doch das passte offenbar nicht zum Wahlprogramm, den Euro um jeden Preis zu verteidigen. Tsipras und seine Genossen sind zu Gefangenen ihrer eigenen Rhetorik geworden. Der Kommentar in Le Monde klingt wie ein letzter verbaler Rundumschlag vor der Kapitulation.
Leser*innenkommentare
Große Leuchte
Bizarre Besteuerung, unregistriertes Eigentum, Nationalismus, hohe Militärausgaben, super Frührenten, aber schon lange schwache Wirtschaft, irrationale Reaktionen auf pragmatische Offerten von Seiten Junckers: Keine Ideologie kann über Griechenlands Unfähigkeit, in der Krise heiße Eisen anzupacken, hinwegtäuschen. Europa ist als Solidargemeinschaft konzipiert, aber nicht die Eurozone, und das hätten Linke zuallererst begreifen müssen. Aber von Wirtschaft haben sie oft keine Ahnung. Den Euro sich wien prallen Goldring anstecken funktioniert nicht.
"Töte den Investor in Dir" hängt in Kreuzberg von der Wand( natürlich auf gierige Hauseigentümer bezogen). Länder wie Griechenland haben sich an die falschen Investoren verkauft; Syriza kommt zu spät und mit falscher Analyse.
Max Mutzke
"Er spielt den Konflikt auch zu einem historischen Machtkampf zwischen autoritären Neoliberalen und solidarischen Demokraten in der EU hoch. „Griechenland ist das erste Opfer“, schreibt Tsipras."
Und damit hat er Recht. Von welchen Versäumnissen in seiner Amtszeit spricht denn der kluge Herr Bonse? Geht es wirklich darum, dass er nicht die Parallelwährungskarte selbst gespielt hat? Da hätten doch auch alle wieder laut augeschrien. Keine Bank hätte man von Seiten staatlicher Schuldner so harte Bedingungen diktiert, wie den Griechen. Von daher liegt Herr Tsipras vollkommen richtig mit seiner Behauptung, dass Griechenland Opfer einer neoliberalen Politik ist, für die das Wohlergehen von Menschen nachrangig gegenüber wirtschaftlichen Interessen ist.
naemberch
Die Tsipras Regierung entlarvt sich doch selbst, sie unterscheidet sich in ihrem Nepotismus und ihrer Klientelpolitik nicht von ihren Vorgaengern Passok und ND.
Schon die ersten Aemter wurden direkt nach der Wahl mit eigenen Leuten besetzt. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-syriza-regierung-fuehrt-vetternwirtschaft-fort-a-1032576.html)
Dann wurden Reichen die Steuern erlassen. (http://www.handelsblatt.com/politik/international/griechenland-scharfe-kritik-an-athener-steuerplaenen/11539706.html)
So wurden beim wiedergegruendeden Staatsfernsehen das eigene Klientel bedient. (http://www.focus.de/politik/ausland/parteien-syriza-wegen-vetternwirtschaft-im-staat-in-der-kritik_id_4667030.html)
Und jetzt soll es auch noch eine Steueramnestie fuer Superreiche geben. ( http://www.wiwo.de/politik/europa/griechenland-regierung-kuendigt-steueramnestie-an/11702524.html)
Der einzige Unterschied zu den Vrgaengerregierungen ist so hoch zu pokern, dass Griechenland entweder Pleite geht oder 5 vor 12 einfach alles akzeptieren muss, was EU/IWF anbieten.
Die Chance die Syriza zum Verhandeln hatte ist vertan.
Die angekuendigte andere Politik: komplette Fehlanzeige.
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
"Der Kommentar in Le Monde klingt wie ein letzter verbaler Rundumschlag vor der Kapitulation."
Und der Kommentar in der TAZ klingt wie einer aus der Schwäbischen zeitung.
robby
Die neoliberalen finanzmarkthörigen Regierungen werden den Griechen keine Chance lassen. Sie werden sie unterwerfen oder am langen Arm verhungern lassen.
So wird es jeder linken Regierung in Europa ergehen und das kriegen ja auch die linken Regierungen in Südamerika zu spüren.
Tsipras darf keinen Erfolg haben, sonst werden Merkel und Co weggefegt. Das wissen sie in Berlin, Brüssel und Washington und sie werden alles tun, das zu verhindern
naemberch
Was heisst hier "finanzmarkthörigen Regierungen" ?
Griechenlands Schulden liegen zum groessten Teil (dreistellige Milliardensumme) bei der EU.
Jeder von Griechenland nichtzurueckgezahlte Euro fehlt in den EU Haushalten der Schuldengeber.
Tsipras-Erfolg = die_EU_zahlt
naemberch
Es geht doch nicht um "finanzmarkthörigen Regierungen", es geht um die vielen Milliarden (dreistellig !) die Griechenland der EU schuldet !
Wenn die nicht zurueckgezahlt werden kommen die als Negativposten in die zukuenftigen Haushalte der EU Staaten.
Emil
Warum kommt in der griechischen Regierung eigentlich niemand auf Naheliegendes. Zwar ist Adenauer mit "je einfacher denken ist eine Gabe Gottes" out, doch Korrekturen beim griechischen Staatshaushalt sind durchaus vorstellbar und liegen auf der Hand, auch für die amtierende Regierung: man streicht den Militäthaushalt zusammen, statt der geforderten Privatisierung verkauft man Militärausrüstung weltweit an die Meistbietenden, zudem verbessert man die Staatseinnahmen, indem man Marinestützpunkte den Indern, Chinesen und Russen anbietet, gegen angemessene Bezahlung natürlich. - Vieleicht kauft die EZB bei der Vorstellung solcher Möglichkeiten ja griechische Staatsanleihen ohne Bedenken auf, kreditiert auch Staatsausgaben wie beim Musterknaben Irland. So etwas würde vielleicht Zeit lassen zum Nachdenken, denn schließlich geht es ja nicht um Griechenland, sondern um denFortbestand des Euro, wie nicht nur Juncker und Merkel betonen, und um das Projekt Europa, das mit dem Euro zusammen scheitern kann.
naemberch
Es geht doch viel einfacher:
- Steuerschulden eintreiben
- Reiche besteuern
- Auslandsvermoegen besteuern
- irrsinnig hohe Renten auf Normalniveau bringen
- untaetige und unfaehige Staatsangestellte entlassen
Nur ein paar naheliegende Massnahmen.
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
@naemberch Sie MÜSSEN Politiker werden!
10236 (Profil gelöscht)
Gast
Eine Parallelwährung wär für die Griechen, zumindest für die ersten 20 Jahre, tödlich. Ohne nennenswerte Industrie und, auch geographisch bedingt, nennenswerte Investitionsmöglichkeiten, hätte die drastische Abwertung der NeoDrachme die Importe verteuert und wahrscheinlich den Lebensstandard der Griechen auf das Niveau der 70er Jahre zurückgeworfen.
BTW, das mit den neoliberalen Kräften ist nicht so verkehrt.
Auch hierzulande läuft die Anti-Syriza-Propagandamaschien auf Hochtouren und unterstem Niveau:
http://www.focus.de/finanzen/news/sehnsuchtsort-der-athener-reiche-im-ferienparadies-aegina-vergleichen-troika-mit-organhaendlern_id_4722054.html
8378 (Profil gelöscht)
Gast
Wann ist Griechenland pleite? == Amerika ist pleite.