Kolumne Sternenflimmern: Ein Schichtsalat lässt träumen
Game of Thrones, Regierungskrise in Österreich und Eurovision Song Contest: Dieses Wochenende gab es Europa für alle.
W illkommen zurück in der Montagsrealität. Wobei, irgendwie auch nicht. Ich meine – hallo?! Was war denn das für ein Wochenende? Ich habe nur ein kleines Soli-Gösser getrunken und trotzdem brummt mein Kopf wie nach einer durchzechten Nacht.
So viel Drama, so viel Pyro, so viele krasse Plot-Twists. Und weil man sehr wohl alles haben kann, kriegen Sie jetzt Ibiza-Affäre, Eurovision Song Contest und „Game of Thrones“ zusammen.
Dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als korrumpierbar enttarnt wurde und deshalb sein Amt als Vizekanzler und FPÖ-Parteiobmann niederlegen musste, haben wir der unabhängigen Presse zu verdanken, aber auch der sonst so verteufelten Videotechnik. Niemand muss sich wundern, dass es Rechtspopulisten mit Gesetzen nicht so genau nehmen. Und natürlich hat sich mit Neuwahlen nicht das politische Problem Österreichs erledigt – noch ist Sebastian Kurz Kanzler. Aber da geht rechts was unter, vielleicht nicht nur in Österreich.
Das Zitat des Abends beim ESC-Finale hatte auch mit Geld zu tun. Nachdem die Kandidat:innen winkend aus einer Flugzeugkulisse herauskletterten, erklärte Peter Urban traditionell die Regeln. Wichtig: „Sie dürfen nicht für Deutschland abstimmen, das wäre rausgeschmissenes Geld.“ Seitdem habe ich kein abfälliges Wort mehr für den ESC übrig, obwohl ich wie jedes Jahr nach drei Songs auf stumm schalten muss.
Der ESC hat musikalisch nichts zu bieten, aber die Party ist ehrlich und die Regeln sind geil. Gewinnen lässt sich nur durch die Gunst der anderen. Das ist schön und aufregend, weil Sympathien beim ESC nicht nur mit politischer oder kultureller Nähe zusammenhängen. Keiner ist gut und trotzdem gewinnt jemand. Wie bei „Game of Thrones“.
Keine Angst, keine Spoiler, ich habe das Serienfinale noch gar nicht gesehen. Trotzdem kann ich behaupten, dass es dramatisch war und mindestens so aufregend wie Strache-Skandal und ESC zusammen. Spannung beruht ja darauf, dass man nicht weiß, was passiert. Ich tippe auf viele Tote und eine letzte Szene, in der Tyrion saufend auf dem Eisernen Thron sitzt und Arya schmunzelnd davonschreitet, im Sinne von keine Macht für niemand.
Dieses Wochenende gab es Europa für alle. Und obwohl das mehr Schichtsalat als Ratatouille ist: Das verbindende Element mag das Prinzip der Möglichkeit sein. Brillante Recherchen können Rechtspopulisten und deren Kollaborateure entmachten. Wettbewerb kann auch ohne Nationalismus funktionieren. Und am Ende könnte vielleicht sogar niemand den Thron besteigen wollen. Um es mit dem ESC zu sagen: Dare to dream.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen