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Kolumne Russia TodayWarum China die WM rettet

Kolumne
von Johannes Kopp

Viele halten die chinesischen Fans für wenig wählerisch. Doch ohne sie wäre die Umsetzung der WM in Russland schwierig geworden.

Man kann sie wohl doch nicht zu den typischen Erfolgsfans zählen – chinesische Stadionbesucherin Foto: ap

A bwechselnd grün und rot hat die eine Chinesin ihre Fingernägel lackiert: die portugiesischen Nationalfarben. Die andere aus dem Reich der Mitte hält ein kleines Fähnchen des südwesteuropäischen Landes in der Hand und zwirbelt es hin und her.

Die beiden sitzen in Moskau am Flughafen und sind auf dem Weg nach Sotschi zum Achtelfinale. Uruguay ist ihnen egal, aber das portugiesische Team verfolgen sie bereits das gesamte Turnier auf Schritt und Tritt. Diese Anhänglichkeit hat Portugal Fußballtitan ­Cristiano Ronaldo zu verdanken. „Er ist unser Idol“, sagt die eine so ernsthaft wie andächtig.

Für Menschen, die das nicht verstehen können, muss erwähnt werden, dass die Chinesinnen durchaus flexibel sind – und man sie aber wohl doch nicht zu den typischen Erfolgsfans zählen kann. Wenn Portugal pausierte, unterstützten sie auch mal andere Teams, beispielsweise das deutsche.

Auf ihrem Handy zeigen sie mir die Fotos von der Schmach der Schweden, bei der sie mit Deutschlandfahne auf der Stadiontribüne posieren. Miroslav Klose, der Ronaldo nicht gerade zum Verwechseln ähnlich sieht, war auch mal eines ihrer Idole.

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Chinesiche Offenheit ist Wohltat für die WM

Die Chinesen, das geht bei dieser Weltmeisterschaft leider etwas unter, spielen bei dem Turnier sowieso eine sehr hilfreiche Rolle. Der Fifa retteten sie bereits vor dessen Beginn den Arsch: Zwar waren dem Weltverband im Zuge des Korruptionsskandals 2015 potente westliche Sponsoren abhandengekommen. Aber nun gehören zu den wichtigsten zwölf WM-Förderern in Russland vier große chinesische Konzerne, darunter ein Speiseeishersteller.

Das 1,4-Milliarden-Volk gehört zudem zu den wichtigsten Abnehmern von WM-Tickets. Dabei hat sich sein Team gar nicht qualifiziert. Laut dem Kreditkartenkonzern Visa geben sie gemeinsam mit den ebenfalls teamlosen Amerikanern am meisten Geld in Russland aus. Und jetzt suchen sie sich neben schönen Andenken und gutem Essen eben auch ihre Lieblingsteams aus: heute dies, morgen mal das.

Diejenigen, die sich für richtige Fußballfans halten, spotten gern über derlei wankelmütige Loyalitäten. Doch dem Turnier kann die chinesische Offenheit nur guttun. Dessen völkerverbindendes Potenzial wird ohnehin zunehmend von nationalistischen Nebengeräuschen wie spaltendem Torjubel und scheinheiligen Integrationsdebatten gestört.

Ich habe keine Ahnung, in welchem Zustand die beiden asiatischen Ronaldo-Anhängerinnen das Stadion verlassen haben. Wahrscheinlich mit hängenden Köpfen, wahrscheinlich haben sie es ihrem großen Idol gleichgetan. Aber: Das Gift der Niederlage wird sie nicht versauern lassen. Irgendwen werden sie gewiss im Viertelfinale anfeuern. Ich tippe mal auf Frankreich und Kylian Mbappé.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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