Kolumne Right Trash: Logikbefreit im „Hippiestaat“
Die Anerkennung eines „weiteren Geschlechts“ findet nicht überall Zuspruch. Die rechte Blase übertrifft sich mal wieder selbst.
D as Bundesverfassungsgericht beschließt eine wichtige Änderung, die 80.000 intersexuelle Menschen in Deutschland mit allen anderen Menschen gleichstellt und sie so vor Ausgrenzung schützt. Neben den Kategorien männlichen und weiblich soll die Bundesregierung bis Ende 2018 eine dritte Zuordnung einführen. Rechte Trollkommentare in 3, 2, 1…
Es war abzusehen, dass Menschen, die vom „Genderwahn“ sprechen und Frauen am liebsten wieder hinter dem Herd sehen würden, mit der Entscheidung nicht zufrieden sind. Wie auf Bestellung gingen Rechte im Netz auf das Urteil los – von der AfD über Compact bis hin zur rechtsextremen NPD.
„Heutzutage“ müsse man sich ja schon für den Standpunkt rechtfertigen, dass „wir die Anzahl der Geschlechter mit der Zahl ‚zwei‘ für abschließend beantwortet halten“, jammert AfD-Mann Jörg Meuthen auf seiner Facebook-Seite.
Eine AfD-Ortsgruppe spricht von einem „Recht auf Schizophrenie“ und illustriert die Entscheidung mit einem Piktogramm einer Frau, eines Mannes – und eines regenbogenfarbigen Clowns. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann spricht von einer „Kopfgeburt“.
Etwas paranoid und ohne logischen Zusammenhang wettert die rechte Seite Compact über einen „neuen Totalitarismus“, in dem „die Staatsmacht (uns) die Kinder (stiehlt)“. Die NPD ist im Vergleich dazu fast zutraulich, wenn sie von einem „Hippiestaat“ spricht.
Nun muss man sich wirklich fragen, was die überwiegend männlichen und weißen Kommentatoren vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts befürchten. Wird ihnen dadurch, dass eine Minderheit ein Recht bekommt, das ihr schon lange zustehen sollte, in irgendeiner Art und Weise etwas weggenommen? Welchen direkten Einfluss hat das Urteil auf ihr Leben?
Genau. Gar keinen. Aber Menschen ihre Rechte zu verweigern ist eben ein Lieblingshobby der Blase. Da kann man nur hoffen, dass die Geschlechterkategorien als Eintrag in das Geburtenregister und in offiziellen Dokumenten komplett abgeschafft werden. Dann gäbe es plötzlich keine Zuordnung mehr, aufgrund derer man sich anderen überlegen fühlen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch