Kolumne Psycho: Toiletten und Bedürfnisse anderer Art
Wie man sich Menschen mit psychischen Problemen gegenüber am besten verhalten soll, fragen Sie sich? Ein Blick auf's Klo erklärt es.
W ieder und wieder werde ich gefragt, wie man sich Menschen mit psychischen Problemen gegenüber am besten verhalten soll. Einfache Antwort: Seien Sie kein Arsch. Und jetzt die Langversion.
Waren Sie in letzter Zeit mal auf einer öffentlichen Toilette? Es muss gar nicht unbedingt ein Dixi-Klo sein, das im Restaurant zählt auch. Oder im Büro. Die meisten dieser Toiletten haben – abgesehen von der Besiedelung mit Bakterien – etwas gemeinsam: Sie sind frauenfeindlich.
Wenn Sie sich jetzt fragen, was der Scheiß soll, sind Sie vermutlich ein Mann. Oder eine Frau, die keine Handtasche besitzt und nicht menstruiert. (Letztere haben auch ihre Probleme mit öffentlichen Toiletten, aber das ist eine andere Geschichte. Und ja, es gibt auch Männer mit Taschen oder Rucksäcken, aber die sind in der Minderheit und werden deshalb ausnahmsweise knallhart ignoriert.)
Abgesehen vom Konsens, dass sich auf dem Klo ein Klo zu befinden hat, scheint nämlich alles andere unter „Kann, aber muss nicht“ zu laufen. Zum einen die Möglichkeit, die Handtasche so zu deponieren, dass sie nicht mit dem Boden in Berührung kommt. Zum anderen Tampons entsorgen zu können, ohne dass die Klärwerke verstopfen oder die Toilette überläuft. Kurz: Auf jedes Klo gehören ein Wandhaken und ein Mülleimer.
Aus Scham schweigen
Ich bin mir ziemlich sicher, dass all diese Toiletten von Männern konzipiert wurden. Stichproben in Badezimmern aus meinem männlichen Bekanntenkreis bestätigen diese These. In 95 Prozent der Fälle: kein Mülleimer weit und breit. Raten Sie mal, was jedes Mal die Antwort auf meine Nachfrage war: „Da habe ich noch nie drüber nachgedacht.“ Und das, obwohl diese Männer Mütter, Schwestern und Freundinnen haben.
Selbst wenn man das Glück hat, auf eine Toilette mit Mülleimer zu stoßen, befindet sich darin mit großer Sicherheit keine Mülltüte. Ernsthaft, wie stellen sich die Leute das vor? Werfen die ihre Essensreste in der Küche auch einfach direkt in den Eimer, flatsch? Und dann leeren sie ihn aus, stellen ihn hin und benutzen ihn weiter. Bäh.
Sie merken, ich schreibe mich in Rage. Vor ein paar Monaten noch war ich beim Besuch von diesen schlecht ausgestatteten Toiletten nur kurz genervt. Aber mittlerweile bin ich richtig sauer – weil dahinter ein System zu erkennen ist, in dem sich Menschen nicht für die Bedürfnisse von anderen interessieren. Beziehungsweise nicht mal darüber nachdenken. Und die Betroffenen ganz oft schweigen, aus Scham.
Um den Bogen zu Menschen mit psychischen Problemen zu schlagen: Behandelt sie nicht wie Frauen auf öffentlichen Toiletten. Seid empathisch und hört zu, auch wenn eure Welt eine ganz andere ist.
Und, bitte: Stellt endlich Mülleimer auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen