Kolumne Pressschlag: Gerechtigkeit von den USA lernen
Gehalts- und Budgetobergrenzen sowie das Draft-System: Die US-Ligen sind echte Vorbilder für Chancengleichheit in der Fußballbundesliga.
F ür alle, die es verschlafen haben: Bayern ist seit Samstag Meister. Packend wie eine russische Wahl. Weil allerdings mittlerweile sogar die Bild-Zeitung mehr Spannung in der Liga fordert, ist es etwas ermüdend und mainstreamig geworden, über Ungleichheit zu schimpfen. Nötig ist es trotzdem, denn es geht ja um die Frage: Welche Gerechtigkeit, welche Gleichheit wollen wir? Darüber sollten wir nachdenken.
In diesen Tagen hat die Liga wieder von Wolfgang Holzhäuser gehört. Der Ex-Leverkusen-Geschäftsführer blinkt wie eine Glühbirne mit Wackelkontakt immer dann, wenn man geglaubt hat, jetzt kommt da wirklich nichts mehr. Wie fast jedes Jahr wünscht er sich Playoffs in der Bundesliga; Bayern-Meisterzeit ist Holzhäuser-Zeit. Erster bis Vierter würden die Meisterschaft unter sich ausspielen, im Best-of-three-Modus. Damit die Bayern nicht mehr ständig Meister werden. Beziehungsweise: nur noch in fünf von sechs Jahren.
Dass er damit auf viel Gegenliebe stößt, ist nicht zu erwarten. Denn auch das Proletariat der Liga hält nichts von Playoffs, zu viel Würfelspiel, zu viel Belastung, zu viel Reform. Aber mal ehrlich: Als Element wären Playoffs belebend und würden vielleicht sogar ab und an für einen anderen Meister als Bayern sorgen. Kein Anlass, das überzubewerten: Es gibt schon einen Playoff-Wettbewerb in Deutschland, der heißt DFB-Pokal und wird in aller Regel auch von den Bayern gewonnen. Aber die wirkliche Frage ist: Ist Gleichheit im Ergebnis erstrebenswert?
Nichts an Playoffs fasst das Problem am schmerzhaften Kern. Das tut übrigens auch nicht die von Gegnern und Befürwortern völlig überbewertete 50+1-Regel. Beide Themenkomplexe ändern nichts an der fundamentalen Chancenungleichheit im Liga-Wettbewerb. Playoffs schaffen im besten Falle mehr Ergebnisgleichheit, aber nicht mehr Chancengleichheit. Sie verschleiern das Problem, indem sie mehr Zufall zulassen. Und machen das Niveau der Liga im Zweifelsfall noch schlechter: Wenn es Bayern reicht, mit einer B-Mannschaft die Hauptsaison durchzutraben, wenn Schalke sich in einem Ligafinale hinten reinstellt, um dann durch einen Glückstreffer in der 89. Minute irgendwie Meister zu werden.
Die wirklichen Hebel sind längst bekannt: die ungleiche Verteilung der Fernsehgelder und die Gelder aus dem internationalen Geschäft, vor allem natürlich der Champions League. Doch die meisten Bundesligisten mögen Solidarität nur, wenn das heißt, dass sie selbst mehr abkriegen.
Ängstlich und billig
In US-Ligen wie der NFL gibt es sinnige Ansätze zur Chancengerechtigkeit: Gehaltsobergrenzen, Budgetobergrenzen und das Draft-System, bei dem der schlechteste Verein sich das beste Nachwuchstalent aussuchen darf. Hierzulande werden solche Argumente schnell weggewischt: Nicht mit EU-Recht vereinbar, nicht mit dem Vereinssystem vereinbar. Das ist ängstlich und billig. Wer wirklich etwas am System ändern will, muss viel mutiger reformieren. Und von den USA lernen.
In einer utopischen Bundesliga mit mehr Chancengleichheit könnte man vielleicht sogar Playoffs einführen. Das machte es spannender. Nur eines machen sie das System mit Sicherheit nicht – gerechter.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links