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Kolumne Press-SchlagBrainstorming ohne Bockwurst

Kolumne
von Markus Völker

Wer hat Angst vor der Super League? Wie ein fiktives transnationales Modell die Gemüter in Fußballdeutschland erhitzt.

Statt Bockwurst-Fußball im Ruhrpott gäbe es nur noch Rolex-Gekicke unter globalistischem Baldachin Foto: Fancy Crave / Unsplash

M an muss eine Super League nicht erst erfinden, es gibt sie bereits: die Süper Lig in der Türkei. An der Spitze steht der Istanbuler Verein Başakşehir FK. Aber so richtig superduper ist die Süper Lig natürlich nicht, denn in ihr spielen nur türkische Fußballklubs.

Viel superer wäre es doch, dachten sich einige europäische Großklubs, wenn wir eine echte Über-Liga, eine Super League im europäischen Format, ins Leben rufen, irgendwann einmal. Mitspielen dürften dann in dem wohl privatrechtlich organisierten Verbund alle aus dem europäischen Fußballadel, angefangen von Real Madrid über Arsenal bis zum FC Bayern München.

Seit über sechs Jahren gibt es Überlegungen dazu, und man musste nicht erst wie der Spiegel auf die Dienste eines Whistleblowers zurückgreifen: Die Spatzen haben es praktisch seit Jahren von den Dächern gepfiffen, dass Großklubs am Überlegen sind, wie sie ihren Sport noch lukrativer vermarkten können. Es geht darum, das Milliardenspiel weiter zu treiben, neue Anreize zu kreieren, die letztlich den Umsatz des FC Barcelona oder von Paris St.-Germain noch einmal ankurbeln.

Die Super League entspringt der simplen marktwirtschaftlichen Denke, das große Schwungrad des Fußballbusiness mit hoher Drehzahl am Laufen zu halten. Wer sich jetzt darüber aufregt, und das tun ja nicht nur Ultras und Fußballtraditionalisten, muss sich fragen lassen, warum Fußballklubs nicht tun sollten, was sämtliche Unternehmen dieser Welt tun: Sie schmieden Pläne für die Zukunft, entwerfen Strategien und schauen drauf, dass Wachstum generiert wird. That’s business!

Es geht darum, das Milliardenspiel noch ein bisschen weiter zu treiben

Noch ist die Super League nur eine Idee. Ob sie jemals kommt, ist ungewiss. Das Geschäftsmodell ist vage, denn das etablierte Modell, die Champions League, läuft eigentlich wie geschmiert. Heuer werden über 2 Milliarden Euro an die teilnehmenden Mannschaften ausgeschüttet. Der Sieger der Eliteliga streicht wohl an die 100 Millionen Euro ein. Die Super League hätte eigentlich nur eine Chance, wenn sie noch mehr Gewinn als die Champions League garantierte, und das über viele Jahre.

Das Gerede macht die Uefa nervös

Bisher reichte es freilich, wenn die Großklubs mit ihrer Idee von der Super League bei der Uefa vorstellig wurden. Prompt wurde der europäische Fußballverband nervös und erhöhte die Ausschüttungen in der Champions League. Sollte das künftig nicht mehr funktionieren, werden die Lobbyisten der Super League aggressiver Werbung machen für ihr Produkt.

Bisher haben sie sich jedenfalls auffällig zurückgehalten und nur sehr dezent die Trommel gerührt für die Super League – was den Argwohn der Netzgemeinde natürlich nährte. In manchen Ecken hat das nun zu Verschwörungstheorien geführt. Kurz: Hier wolle eine kontinental agierende Fußballmafia den kleinen Fan überrumpeln, quasi mit einem Geheimplan, der dem Fußball, wie wir ihn kannten, den Garaus macht. Statt Bockwurst-Fußball im Ruhrpott gäbe es dann nur noch Rolex-Gekicke unterm globalistischen Baldachin.

Aber die superen Fußballvordenker, zu denen ja nun auch Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß gehören, haben sich immer wieder vorsichtig geäußert übers avisierte Großprojekt. „Eine nationale Liga ist durch nichts zu ersetzen“, hat Hoeneß im Vorjahr gesagt. 2016 mahnte Loden-Kalle, angesprochen auf die Super League: „Wir müssen aufpassen, nicht zu überdrehen.“ Man wolle die „Wurzeln des Fußballs“ beachten. Beide wissen: Der gemeine Fußballfan darf sich nicht übertölpelt fühlen, denn er gibt dem Kommerzfußball eine Basis. Er legitimiert ihn.

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Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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