Kolumne Press-Schlag: Gott ist Grieche
Die schlechte Nachricht: Der BVB kassiert nun auch in der Königsklasse Tore. Die gute: Das macht nichts, denn gegen Galatasaray hat er Sokratis im Team.
W erner Hansch, Stimme des Ruhrpotts und Erfinder des überemotionalisierten Fußballkommentars, ist seit Jahren im Ruhestand. Marcel Reif leider noch nicht. Er bezeichnet während der Bezahlfernsehen-Übertragung des Champions-League-Spiels Borussia Dortmund gegen Galatasaray Istanbul einige der Gäste-Fans mit vor Empörung bebender Stimme als „kriminelle Subjekte“.
Sicher, das Abbrennen von Pyrotechnik und vor allem die Bengalo-Würfe in den BVB-Block sind nicht in Ordnung. Der Untergang des Abendlandes sind sie aber nicht. Besonders unangenehm in der Folge ist, dass Reif überbetont, es gäbe auch unter den Türken viele nette Fans.
Zum Spiel: Die souveräne Leistung des bald 35-jährigen Sebastian Kehl im defensiven Mittelfeld kann man gar nicht hoch genug schätzen. Er ist ständig verletzt, trotzdem kämpft sich der langjährige BVB-Kapitän immer wieder zurück in die Mannschaft – in eine Mannschaft, die auf der Sechserposition im Mittelfeld mit Sven Bender, Ilkay Gündogan, Nuri Sahin, Matthias Ginter bestens besetzt ist.
Der beste Mann des Spiels gegen den türkischen Tabellenführer aber ist Sokaratis Papastathopoulos: Der Vertreter des verletzten Innenverteidigers Mats Hummels gewinnt fast alle Defensivzweikämpfe. Nebenbei können die BVB-Fans die Auferstehung des 25-Jährigen als torgefährlichen Offensivspieler mit feinen Zuspielen auf der Außenbahn und im Zentrum miterleben.
Trotz des massiven Pressings der Dortmunder fällt in der Anfangsphase kein Tor. In der 25. Minute sorgt Sokratis mit seinem Lattenkopfball für die erste gute Chance für den BVB. Ein Tor schießt er auch: Der Grieche trifft nach Vorarbeit von Kehl zum 2:0 (56.).
Sokratis Vorgänger
Der ewige Ergänzungsspieler Felipe Santana kam an Hummels und Neven Subotic nicht vorbei. Er wechselte 2013 entnervt nach fünf Jahren beim BVB zum Revierrivalen Schalke 04 – wo er seit dem abwechselnd Bank und Tribüne wärmt. Die Borussia, nach Meisterschaft und Pokalsieg mit vollen Kassen, verpflichtete damals für viele unverständlich und für üppige zehn Millionen Euro den Werderaner Stammspieler Sokratis als neuen Bankdrücker. Und die zahlt er jetzt zurück.
Wenn Sokratis offensiv an seine Leistung gegen das Team des ehemaligen italienischen Nationaltrainers Cesare Prandelli anknüpft, kann Marko Reus – der ebenfalls stark spielt und das wichtige 1:0 erzielt (39.) –, gerne zu den Bayern wechseln. Ach ja, die übrigen Treffer: 2:1 durch Hakan Balta, der eingewechselte Ciro Immobile trifft zum 3:1 (74.) und Semih mit einen wunderschönen Eigentor nach Vorarbeit von Immobile zum 4:1-Endstand (86.).
Der vierte Champions-League-Sieg (13:1 Tore) bringt die souveräne Tabellenführung in der Gruppe D. Trotz des Abrutschens auf den vorletzten Tabellenplatz in der Bundesliga, steigt die Form auch dort zuletzt an. Fest steht: Der BVB steckt in der Liga – im Gegensatz zum Schlusslicht Werder Bremen –, lediglich in einer Ergebniskrise.
Das weiß auch Klopp, der anfangs an der Seitenlinie ungewöhnlich ruhig wirkt, nach zähnefletschendem Kontakt mit dem vierten Offiziellen aber wieder kurz vor einem Tribünenverweis steht. Seine Mannschaft wird auch im nächsten Jahr wieder in der Königsklasse starten. Wenn das wider erwarten doch nicht klappen sollte, können die Jungs von Jürgen Klopp ja immer noch als Titelverteidiger antreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett