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Kolumne MithulogieDas neue Normal

Die Polizei sollte Silvester in Köln für Männer mit dunkler Hautfarbe verhindern. Doch dann kam alles anders. Frohes neues Jahr!

NRW-Innenminister Herbert Reul spinnt nicht Foto: imago/Deutzmann

V or drei Tagen bekam ich eine Mail mit dem Betreff: der spinnt doch, oder?

Darin stand: „Hi Mithu, hab vorhin an dich gedacht, als ich die Nachricht las, dass der NRW-Innenminister Herbert Reul Frauen empfohlen hat, Silvester nur in Gruppen auszugehen. Da kamen mir so alte Forderungen in den Kopf: Ausgehverbot für Männer ab 22 Uhr.“

Ich schrieb zurück: „Na klar spinnt der. Aber es wird ein Ausgehverbot für Männer an Silvester geben – zumindest für arabisch und nordafrikanisch aussehende Männer™“ Denn bereits seit einer Woche war der Bahnhofsvorplatz in Köln mit Sperrgittern verstellt.

Da es maximal eine Stunde dauert, diese aufzubauen, konnte ich mir nur eins vorstellen: Die Absperrungen sollten allen Feierbereiten bereits im Vorfeld signalisieren, dass die Polizei den Hauptbahnhof wieder bis auf zwei Ausgänge abriegeln würde: Die Guten ins Töpfchen, also auf die Domplatte, die Schlechten in den Polizeikessel.

Und schlecht bedeutete letztes Jahr: Männer, die dieselbe Hautfarbe haben wie ich, und sonst nichts. Denn die Antwort auf die Frage, die die Medien hypnotisierte, „Warum kamen wieder so viele Migranten nach Köln?“, lautete: Um zu feiern. Das war das Ergebnis einer Arbeitsgruppe der Polizei selbst.

Was war also die Reaktion der Presse, als Reul seinen „Silvester-Erlass“ genannten Einsatzplan für diesen Jahreswechsel vorstellte, bei dem ein ebenso massives Polizeiaufgebot um den Dom stationiert wurde wie im Jahr zuvor? Bingo: Begeisterung. Die Welt ging noch einen Schritt weiter und fand, dass „junge Männer orientalischer Herkunft“ überhaupt nicht nach Köln kommen sollten: „Diese Männer würden, ob gewollt oder nicht, in der Wahrnehmung vieler Zeitgenossen an eine Tradition der Schande anknüpfen.“

Haben wir nichts aus #metoo gelernt? Harvey Weinstein ist kein Nordafrikaner.

Doch auch wenn gestern alle Amerikaner präventiv im Polizeikessel festgehalten worden wären, hätte mich das nicht glücklicher gemacht. Ich will nicht in einer Welt leben, in der an bestimmten Tagen Menschen, weil sie halt aussehen wie sie aussehen, davon abgehalten werden, öffentliche Plätze zu betreten.

Und dann kam alles anders. Nach dem Motto „quis custodiet ipsos custodes?“, „wer kontrolliert die Kontrolleure?“, überprüfte das Bündnis „Köln gegen Rechts“, dass nicht nur Männer mit etwas dunklerer Hautfarbe kontrolliert wurden. Ein Security-Mitarbeiter, der vorher mit Reichsflagge im Netz posiert hatte, wurde abgezogen. Und später vögelten alle, um die bösen Sexismus-cum-Rassismus-Geister zu vertreiben, zumindest nach dem Ausmaß an spontanen Zärtlichkeitsbekundungen auf der Domplatte zu schließen.

Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle entschuldigen: Lieber Herr Reul, Sie spinnen natürlich nicht. Wahrscheinlich standen Sie unter einer Menge Druck und versuchten nur, schreckliche Dinge zu verhindern. Glauben Sie mir, das will ich auch. Wie wäre es, dafür einen runden Tisch zu einzurichten, damit es nächstes Jahr noch toller läuft?

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Mithu Sanyal
Autorin
Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)
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6 Kommentare

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  • kl. Anmerkung abgehangen wg Dom & Kölle.

     

    Nachdem ich mich 'gestern' erneut durch die völlig sinnfreie "Viehtriebsperre"* vorm Eingang - in den HBF - gequält hatte.

    (*In Skigebieten bei großem Andrang vor Gondeln&Liften bekannt)

    &

    Meinem Kumpel "kein Wunder - Verengung & Hektik mit Rollies et al.

    Macht aggressiv!" geflüstert hatte!

    "Höh'er auf. In Rostock grad. Mußte mit dicken

    Koffern der Holden - vom Bahnhof ne Strecke mit dem Taxi.

    Fahrerin Mitte 30 - helle Kappe.

    "Ach Köln - ja tolle Stadt. Wärse grad noch gewesen. Tolle Ecken.

    Aber alles mit dem Taxi!" "Na denk ich - klar - wg Solidarität unter Berufskollegen!"

    Nix da! "In Köln können frau sich seit Silvester nur noch mit dem Taxi bewegen!" "Moment!" - "Ja auch tagsüber!" - "Soweit & Panne isses schon!"

    &

    ps - Dieser Kappes hier zum x-ten.

    Schlicht peinlich. ~> Luurens all ~>

    &

    Bahnhofsvorplatz AfD meldet Demo für Silvesternacht in Köln an https://www.google.d...eln-an-25384998

    Na Mahlzeit!

    & Däh! ~> wg Nafis auf Fahrrad!

    Passend dazu hingen auch an meinem ordentlich seitlich

    auf dem abgestellten Fahrrad laminierte Verfügungen(?) Stadt Köln

    "…Hier abgestellte bzw angekettete Zweiräder/Fahrzeuge

    werden während des vorgenannten Zeitaums ( 30./31)

    wegen einer Veranstaltung aus Sicherheitsgründen

    unmittelbar(unterstr.) entfernt"

    Ja wie? - dattdann? Soviel zu Hysterie.

    &

    (Schade - der gut bekannte

    Rechtsamtsleiter is auch schon Rentier.

    Hätt ich gern mal nach der

    Rechtsgrundlage für "unmittelbar entfernt" -

    wg einer Veranstaltung!! - gefragt!;)

    Aber seitdem Ruschmeier das

    Rechtsamt entmachtet hett - macht eh jeder

    Laden - rechtsfrei - wat er will!

    Si'cherdat. Normal.

    Da mähtste nix!

     

    kurz - Das Teil kriegt'n Sonderrahmen!

    Danke. Weltoffene Stadt Köln.

    Wohl zuviel - Meissner-Tee - getrunken - wa!

    • @Lowandorder:

      Das neue Normal - gewiß!

      Ist das alte. Si'cherdat! ~>

       

      Kardinal Meissner - O-ton

      "Eine von euch - sind mir ja lieber als drei von denen!"

      In welchem der neun Kreise Dantes dieser feine Herr geläutert wird - laß ich mal lieber offen!

  • "Haben wir nichts aus #metoo gelernt? Harvey Weinstein ist kein Nordafrikaner."

     

    Aber der hier hat afrikanische Vorfahren und von dem können wir alle sehr viel lernen. Auch wenn der die verqueren gut- und böse Himmelsrichtungen des derzeitigen und damaligen deutschen mainstreams völlig durcheinander bringt.

     

    Dr. Ben Carson. Listen to him, perhaps it will even bring the author to her senses.

     

    https://www.youtube.com/watch?v=UgQp38k4vn0