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Kolumne MithulogieTolerator statt Terminator

Terre des Femmes glaubt, es gebe den einen wahren und guten Feminismus. Das ist nicht nur falsch, sondern auch problematisch.

Junge Frauen mit Kopftuch in Berlin (keine Kinder mehr) Foto: dpa

W ir sollten uns ein Beispiel an den 30 Terre-des-Femmes-Mitfrauen nehmen, die sich in einem offenen Brief von den Beschlüssen der diesjährigen Vollversammlung distanziert haben. Es gibt nicht den einen, guten, wahren Feminismus, und das zu propagieren ist gefährlich.

Das Problem mit Sprache ist, dass man sie nicht einfach übertragen kann. The great, late Harry Rowohlt klingt spitze. Aber der große, tote Harry Rowohlt klingt pietätlos. Dabei will ich nur sagen, dass ich ständig an diesen einen Satz von Harry über sich selbst denken muss: „Wenn er Arnold Schwarzenegger wäre, würde er eine Figur verkörpern, die DER TOLERATOR hieße, und der nie etwas verbieten würde, höchstens verschenken.“ Wäre Terre des Femmes doch ein wenig mehr Tolerator, weniger Terminator.

Auslöser für den offenen Brief war der Beschluss der diesjährigen TdF-Vollversammlung, Lobbyarbeit für ein Gesetz zu machen, das das Kopftuch für Minderjährige verbieten soll – besser bekannt als das Verbot des Kinder- oder Kita-Kopftuchs. Bloß tragen Kinder in Kitas gar keine Kopftücher, es sei denn, sie spielen die Jungfrau Maria im Krippenspiel. In der Regel wird das Kopftuch erst mit dem Einsetzen der Regel angelegt, wenn es denn überhaupt angelegt wird. Doch hört sich „Kinder-Kopftuch“ deutlich bedrohlicher an als „Kopftuch von Jugendlichen“. Und wenn diese Jugendliche ihr Kopftuch partout weiter tragen will? In solchen Fällen wären „Geldstrafen sehr effektiv“, findet Terre des Femmes – und zwar „sobald sie auf die Straße tritt“. Als Person mit beigefarbener Haut graut mir schon jetzt vor dem nächsten Winter.

Ähnlich sieht es mit dem TdF-Vereinsziel Sexkaufverbot aus. Wir haben alle unterschiedliche Meinungen zu Sexarbeit, und das ist auch fein, solange diese in der Kommentarspalte diskutiert und mir nicht als Hassmails geschickt werden. Trotzdem sollten die Entscheidungen über Leben und Arbeit von ebenjenen Menschen getroffen werden, die davon betroffen sind und die nebenbei die meiste Ahnung davon haben. Nur sind Sexarbeiterinnen, Frauen mit Kopftuch und Trans*Frauen bei TdF nicht (mehr) willkommen.

Nicht schwarz, nicht weiß

Das wäre ihr gutes (Haus-)Recht, wenn Terre des Femmes nicht eine der größten feministischen NGOs wäre. Für viele ist TdF gleichbedeutend mit dem Feminismus. Wenn eine solche Organisation verkündet, wie der richtige Feminismus aussehen soll und wer dazugehören darf, und sogar feministische Kleidervorschriften aufstellt, dann ist das ein Problem. Denn darin unterscheidet sich der Ruf nach dem reinen Feminismus nur unwesentlich von anderen Fundamentalismen.Und dafür liebe ich das Projekt Feminismus und auch Terre des Femmes zu sehr.

Deshalb lasst uns alle aufhören, für einander Terminator*innen zu sein, und uns nicht aufspalten. Viele meiner besten Feministinnen sind Sexarbeiter*innen. Und nichts ist schwarz-weiß, erst recht nicht das Kopftuch, das es in vielen Farben und Stoffen gibt. Wenn ich mich entscheiden muss, ob ich im Namen der Freiheit Zwänge aufstelle, dann ficke ich lieber für die Jungfräulichkeit.

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Mithu Sanyal
Autorin
Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)
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2 Kommentare

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  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Die Frage ist, was mit "Kopftuch" gemeint. Ist damit die Verhüllung des Gesichts gemeint, oder nur das Kopftuch. Sollte mit "Kopftuch" die Verhüllung des Gesichts gemeint sein (= "Schleier"), so wäre darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um ein archaisches Relikt zur Unterdrückung der Frau handelt, sondern um das Ergebnis eitler arabischer Frauen. Der Schleier wurde in jener Zeit nur von den Damen einer christlichen Gemeinde in Damaskus getragen, aus Eitelkeit, als sichtbares Zeichen ihrer gehobenen Stellung, galt bei diesen Damen als très chic, als der letzte Schrei der Mode. Die Frauen der arabischen Beduinen übernahmen dann dieses Outfit, wegen gleichem Beweggrund. Sieht sich einer irgendeinen Film von einer Pilgerfahrt nach Mekka an, und findet er darauf nicht eine einzige Frau, die eine Kopfbedeckung trägt,. Denn, ob nun Schleier oder nur Kopftuch, ist dort - strikt verboten.

     

    Vielleicht sind die Damen mit Ihrem Verbot der Selbstbestimmung auch nur die neuen Hüter von Mekka?

    http://www.algorithmics.is/wordpress/de/2016/10/01/freiheit-durch-bevormundung/

  • Hier macht eine Frauenschutz-Organisation genau das, für was sie da sind. Nämlich die Gruppe von weiblichen Menschen, die am meisten Schutz brauchen, zu schützen. Das selbe würde ich mir auch von anderen Organisationen zum Thema männlicher Beschneidung wünschen. Wieso werden sie dafür kritisiert? Darf Religion zum Schutz der Kinder nicht eingeschränkt werden?