Kommentar Vollverschleierung: Helfershelfer der AfD
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes fordert ein Verschleierungsverbot. Damit stärkt sie die Scheindebatte der Rechten.
W er sich für Frauenrechte einsetzen will, hat die freie Auswahl: Frauen können noch immer nicht selbst darüber bestimmen, was im Fall von ungewollten Schwangerschaften mit ihnen passiert, sie verdienen rund ein Viertel weniger als Männer, und jede Dritte erfährt im Lauf ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt.
Nun möchte Terre des Femmes ein Problem abschaffen, das nicht sonderlich weit oben auf der Liste der Dringlichkeiten steht. Die Frauenrechtsorganisation will die Vollverschleierung verbieten. Dabei hat sogar der Bundestag jüngst festgestellt, dass solche Schleier „hierzulande eher selten“ anzutreffen sind. Es gibt also faktisch keinen Grund, sie zu verbieten.
Es sei denn, es geht eigentlich gar nicht um Frauen. Erst im Februar hat die AfD einen eigenen Antrag auf das Verbot von Vollverschleierung eingebracht. Nun begründen sowohl die Partei als auch Terre des Femmes ihre Vorstöße mit Frauenrechten. Die Sache ist nur: Wenn ein Problem keines ist, wird eine Scheindebatte geführt, um im Hintergrund etwas anderes zu verhandeln. Den Islam zum Beispiel, Geflüchtete und MigrantInnen. Auf dieser Strategie gründet der Erfolg der AfD.
Dass die Frauenrechtsorganisation sich im selben Atemzug, in dem sie das Verschleierungsverbot fordert, von der AfD zu distanzieren versucht, ist im besten Fall blauäugig. Das rückwärtsgewandte Frauenbild der Partei teile man nicht, heißt es, man wende sich gegen Extremismus, und auch die Diskriminierung von Frauen durch die Kirche lehne man ab.
Aber auch Terre des Femmes weiß, dass Debatten in bestimmten Kontexten geführt werden. Das Problem in Deutschland ist nun mal nicht, dass gegen die katholische Kirche mobil gemacht wird – sondern dass sich antimuslimische Ressentiments und immer weiter nach rechts driftende Positionen überbieten. Wer diese ohne jede Not verbreitet, legitimiert sie. Terre des Femmes macht sich zum Helfershelfer – nicht der Frauen, sondern der AfD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“