piwik no script img

Kolumne Minority ReportBraun-Bea und die #Realität

Beatrix von Storch hetzt nach der Amokfahrt von Münster gegen Flüchtlinge – selbst als sich herausstellt, dass der Täter Deutscher war.

Blumen und Kerzen am Tag nach dem Amoklauf in Münster Foto: dpa

W as ist die unangemessenste Reaktion, wenn in einer mittelgroßen deutschen Stadt ein Lastwagen in eine Menschenmenge fährt und dabei mehrere Menschen sterben? Richtig: Man hetzt erst mal gegen Flüchtlinge. Wie geht es noch dümmer, wenn rauskommt, dass der Fahrer Jens hieß und Deutscher war? Ganz einfach: Man hetzt weiter gegen Flüchtlinge.

Folgt man diesem Modell, haben am Wochenende unzählige Deutsche dem Land der Dichter und Denker wieder alle Ehre gemacht. Und es gibt auch Prominenz unter den Dumpfbacken: Beatrix von Storch zum Beispiel. Die schreckliche Nachricht von der Amokfahrt in Münster veranlasste die AfD-Politikerin nicht etwa zu einer empathischen Stellungnahme, wie man sie von gewählten Abgeordneten erwarten würde. Sie hielt auch nicht die Klappe, wie man es sich vor Klarstellung der Hintergründe (und eigentlich immer) von ihr wünschen würde.

Nein, Frau von „Schusswaffen gegen Flüchtlinge“-Storch twitterte erst mal gehässig „Wir schaffen das“ in Versalien mit Zensur-Emoji und stellte dann noch vor Identifizierung des Täters fest – immerhin mit der Möglichkeit im Kopf, es könnte ein „deutscher Kranker“ sein: „Auch von deutschen Mördern und Verrückten haben wir beileibe mehr als genug. Wir brauchen keinen einzigen dazu.“ Richtig. Deutschland hat genug qualifizierte „Verrückte“. Aber was sagt uns das? Wenn schon Amok, dann bitte hausgemacht? Deutsche Mörder für deutsche Opfer? Bitte schön, Frau von Storch. Fühlen Sie sich jetzt besser?

Jedes Opfer wird instrumentalisiert

Nun ist es keine Breaking News, wie einfältig Frau von „ich bin auf der Computermaus ausgerutscht“-Storch und Kolleg*innen aus ihrer Partei argumentieren. Dass sie das Wort „Meinungsfreiheit“ missbrauchen für Aussagen, die falsch, stigmatisierend und nichts anderes als zutiefst rassistisch sind. Und Rassismus ist nun mal keine Meinung. Hetze ist auch keine Meinung. Ganz egal, ob die Aussage von Literaturpreisträger Uwe Tellkamp stammt oder von Berufspopulistin Braun-Bea.

Es lohnt sich dennoch genau hinzusehen, wie eifrig die AfD jede Katastrophe in diesem Land bejubelt und wie kaltblütig sie jedes Todesopfer versucht zu instrumentalisieren. Nach Identifizierung des Münster-Amokfahrers Jens R. nämlich konstatiert von Storch plötzlich: „Der Islam wird wieder zuschlagen. Die Frage ist nicht ob sondern wann. #Realität“.

Ähm okay, aber: #Zusammenhang? Ist das Wunschdenken? Eine Drohung? Oder gar ein Schlachtruf? Vielleicht eine Mischung aus allem. Denn wenn die einzige Legitimation einer Partei die diffuse Angst vor Gefahren ist, wird sie alles daran setzen, dass sich wirklich niemand mehr sicher fühlt. Was aber unterscheidet Frau von Storch dann noch von einem islamistischen Terroristen? Eben: nicht besonders viel. Höchstens der Haarschnitt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Fatma Aydemir
Redakteurin
ehem. Redakteurin im Ressort taz2/Medien. Autorin der Romane "Ellbogen" (Hanser, 2017) und "Dschinns" (Hanser, 2022). Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Delfi" und des Essaybands "Eure Heimat ist unser Albtraum" (Ullstein, 2019).
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...nicht nur "Braun-Bea" war 'geil' auf einen sog. Terrorakt. Nein, 99 % der deutschen Medien, ja der deutschen Bevölkerung, hofften auf einen sog. islamistischen Anschlag.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Haben Sie Quellen für diese Behauptung?

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Den Eindruck hatte ich auch ... alle wollten zeigen, wie schnell sie auf einen Anschlag reagieren können. Die Kondulenz-Blumen waren schon gekauft. Nur nicht das Feld der AfD überlassen. Grussadressen aus dem Ausland ... im Grunde bekommt der Täter jetzt seine ersehnte große Bühne ...und genau das spornt Nachahmer an!!! (und müßte daher unbedingt unterbleiben) ...

  • War doch klar, oder? Was soll so jemand auch mit Fakten, ein gesunder Beissreflex reicht doch. Da kommen die Wähler immerhin mental mit...Differenzierung und Abwägung würde doch alle Flüchtlingshasser völlig überfordern.

  • Nur keine Bange, die Rechtsknaller machen da schon noch 'nen Moslem draus! Alles andere wird doch nur von der Lügenpresse verbreitet. Fake news, alles fake news...

  • Dass von Storch dummdreist und frei von Anstand hetzt und pöbelt, war nur eine Frage der Zeit.

  • Man muss den Hass und die Hetze der AfD, einer Trixi Storchi oder eines Bernd Höcke nicht tatenlos hinnehmen. Auch nicht im Münsterland:

     

    "Am Freitag, den 13.April 2018, soll Bernd Höcke auf einer Veranstaltung der AfD in Ahlen (Westfalen) auftreten. Gegen den Anführer des neofaschistischen Flügels in der rassistischen Partei formiert sich in der Wersestadt ein breites Bündnis, das gegen den Hass von Rechts das Bild einer friedlichen und bunten Gesellschaft entgegensetzen möchte."

     

    //saveearthlovepeacefreedom.org/wordpress/?p=758