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Kolumne MännerThe Crying Game

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Männer und Frauen weinen meist aus unterschiedlichen Gründen - nur sind es leider selten die richtigen.

A ls Journalist zu arbeiten macht mir Spaß, wirklich. Ich darf Leuten dumme Fragen stellen und mosern, wenn mir ihre Antworten nicht passen. Frauen finden einen Journalisten tendenziell interessanter als, sagen wir mal, einen Außendienstmitarbeiter des Staubsaugerherstellers Vorwerk ("Eine neue Rundbürste für Ihren ,Kobold' oder ,Tiger' gefällig?"). Doch ein Nachteil ist, dass man selbst häufig Opfer dummer Fragen wird. Die schlimmste fängt an mit "Warum schreibst du nicht mal was über …?"

"Warum schreibst du nicht mal was über Weinen?", fragt mich eine gute Freundin. Nichts läge mir ferner: Es ist Wochenende, die Sonne scheint, als kriegte sie's bezahlt, und wir fahren im Auto zu einem wunderschönen See im Brandenburgischen. Das Leben wiegt uns in Sicherheit.

"What the fuck?", frage ich daher sehr höflich. "Na, wegen der Fußball-WM und wegen deiner Männer-Kolumne. Dauernd sind heulende Spieler im Bild. Die gibt es sonst nie zu sehen. Schreib das doch mal auf."

Bild: taz

Matthias Lohre ist Parlamentskorrespondent der taz.

Weinende Männer. Ohgottohgottohgottohgott. Hoffentlich lässt sie gleich davon ab. Lässt sie aber nicht. "Wann hast du denn das letzte Mal geweint?" Ich blicke stumm aus dem Fenster. Brandenburg sieht eigentlich ganz hübsch aus, wenn keine Brandenburger zu sehen sind.

"Ooch, jetzt komm schon." Wann werden Frauen begreifen, dass sie oft Fragen stellen, auf die sie keine ehrlichen Antworten wollen? Keine Frau will eine sachlich korrekte Entgegnung auf die Frage "Die neue Hose steht mir gut, findest du nicht auch?" Sie will Bestätigung. Und wann werden Männer lernen, im richtigen Moment die brandenburgische Landschaft zu bestaunen - und den Mund zu halten?

Deshalb erzähle ich nicht besagter Freundin, sondern nur Ihnen, was ich in jenem Moment dachte. Ich dachte daran, dass Weinen für Männer etwas extrem Intimes ist. Es sei denn, man heißt Gerhard Schröder. Der wischte sich Tränen aus dem Gesicht, als ihm beim Zapfenstreich zum Ende seiner Regierungszeit Bundeswehrsoldaten auf persönlichen Wunsch "My Way" vortröteten. So gerührt war er von sich selbst.

Ich dachte daran, dass ich Frauen darum beneide, dass sie Stress und Wut wegweinen können. Männer gucken da eher "Aliens vs. Predator 2" oder Geschichtsdokus auf N24.

Seit dem Ende meiner Pubertät weine ich sehr selten. Weil es mich seither dazu nur drängt, wenn ein mir naher Mensch gestorben ist oder ich an diesen denke. Und weil ich schon sehr lange nicht mehr "Farm der Tiere" geguckt habe, wo das fleißige, mutige Pferd eines Tages abgeholt wird und im letzten Moment bemerkt, dass der Lastwagen ihn nicht zum Tierarzt fährt, sondern zur Seifenfabrik, und dann rennt sein bester Freund, der Esel, ihm schreiend hinterher und …

Ich habe schon zu viel gesagt.

"Also ich war neulich in Israel", erzählt die Freundin auf dem Rücksitz. "Im Hotel gabs RTL. Da lief ,Ice Age 2 - Jetzt taut's', und dann war da diese Szene, wo der Säbelzahntiger Diego scheinbar stirbt, aber der stirbt gar nicht! Da konnte ich gar nicht aufhören zu heulen."

Brandenburg ist wirklich sehr hübsch, finden Sie nicht auch?

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.

8 Kommentare

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  • G
    Gideon

    Schöner Text. Gute Unterhaltung. Dieses ganze taz-typische-leser-gemoser in den Kommentaren geht mir aber schon wieder auf die Nüsse. Leute, könnt Ihr nicht einfach mal ein bisschen Spaß haben und über Euch selbst lachen? Nein? Dann suhlt Euch schön weiter in Eurem mauligen taz-Leser-Stereotyp. Die taz ist eigentlich ganz schön. Wenn die taz-Leser nicht wären...

  • M
    Melanie

    Lieber Herr Lohre,

     

    wat heb we lacht! Mir hats gefallen, besonders das Bild vom armen Esel dessen Freund abtransportiert wird - ich hätte auch geweint. :-)

    Am Ende befreit sich doch keiner aus den Stereotypen, warum also so tun als ob wir von den klassischen Geschlechterbildern nicht angezogen werden.

     

    Melanie

  • F
    Fine

    Projektion und Überkompensation... anders kann ich mir diese Kommentare nicht erklären... oder isses einfach zu heiß zum entspannt denken?

  • A
    aleks

    schade um den baum, der für das gesammelte papier, auf dem diese kolumne gedruckt wurde, gefällt wurde.

  • F
    Felix

    Jajaja, Frauen weinen bei Ice Age, Männer schauen Alien vs.Predator. Frauen sind halt viel emotionaler, können schlecht einparken und auch nicht räumlich denken, aber Gott sei Dank brauchen und wollen sie ja alle einen Mann an ihrer Seite, der das übernimmt und Samstags noch den Wasserkasten hochträgt. Und Kerle reden ja auch nicht so gerne über ihre Gefühle. Soweit. Die Erde ist übrigens vielleicht doch eine Scheibe. Lustige Witze über stereotype Frauen- udn Männerbilder gibts wie Sand am Meer bei Mario Barth und seinen Kollegen. Das will ja selbst auf RTL2 keiner mehr sehen oer hören. Also nitte keien Kolumnen darüber. Gääähn...

  • S
    susan

    Scheinbar stehen Sie auf diesen Typ Frau (sonst würden Sie anderes zu berichten wissen): devot, kokett, quengelig, überhaupt eher kindisch, begrenzter Horizont, kurz gesagt: 'n bisschen doof. Oder hat das was mit Ihrem Blickwinkel zu tun?

  • T
    Toby

    Jep. Tolle landschaft.

  • M
    Max

    schwacher artikel.

    Aber eine Frage drängt sich auf: hat dieses Gespräch und die gemeinsame Autofahrt wirklich stattgefunden? Warum fährt der Autor den Wagen und die ,Frau' sitzt auf der Rückbank?