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Kolumne MachtWenn sich das Ausbürgern einbürgert

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Bisher galt, dass man sich seine Landsleute eben nicht aussuchen kann – doch nun hat die Regierung das Staatsbürgerschaftsrecht geändert.

Ein deutscher Reisepass – nach der Gesetzesänderung kann er auch wieder einkassiert werden Foto: dpa

D ie Bundesregierung ist so mit sich selbst beschäftigt, dass sie nichts mehr zustande bringt? Schön wär´s. Einiges geht immer noch. So etwa Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts, die der Bundestag gegen die Stimmen der Opposition beschlossen hat und die vor allem etwas ausdrücken: Manche Deutsche sind ein bißchen weniger deutsch als andere. Zum Beispiel solche mit doppelter Staatsbügerschaft.

Die können nämlich künftig ausgebürgert werden, wenn sie sich einer Terrormiliz wie dem IS anschließen und sie dadurch nicht staatenlos werden. Nun wollen vermutlich alle Staaten und Völker gerne einen Weg finden, Terroristen loszuwerden oder sie gar nicht mehr zurück ins Land lassen zu müssen, wenn sie erst einmal ausgereist sind. Genau da beginnt aber auch das Problem: Wieso geht die deutsche Bundesregierung eigentlich davon aus, dass das andere Land, für das der Terrorist noch einen Pass hat, den Ex-Deutschen bereitwillig aufnimmt – statt ihn ebenfalls schleunigst auszubürgern?

Wenn sich das Ausbürgern erst einmal einbürgert, um ein in anderem Zusammenhang geäußertes Wort des Schriftstellers Stefan Heym zu zitieren, dann ist ja vorstellbar, dass bei der nächsten Reform auch Sexualstraftäter oder Raubmörder darauf gefasst sein müssen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu verlieren. Sofern sie noch eine andere haben.

Deutsche Lebensverhältnisse

Bisher galt, dass man sich seine Landsleute eben nicht aussuchen kann – nicht einmal die, die es erst werden wollen: Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt waren, dann hatten Ausländerinnen und Ausländer bislang einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Nun aber hat der Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition entschieden, dass künftig auch eine „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ von Neu-Deutschen gefordert werden soll.

Jetzt´s wird’s spannend. Was genau sind „deutsche Lebensverhältnisse“? Häusliche Gewalt? Der Genuss von Schweinebraten? Eine Vorliebe für deutsche Automarken? Das liegt wohl demnächst im Ermessen der jeweils zuständigen Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen. Rechtssicherheit sieht anders aus. Gehört eigentlich die Bereitschaft, derlei widerstandslos hinzunehmen, auch zu den „deutschen Lebensverhältnissen“?

Die neuen Regelungen sind bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestages übrigens auf scharfe Kritik von Fachleuten wie Juristen und Migrationsxeperten gestoßen. Bestimmte Personengruppen würden zu „Bürgern zweiter Klasse“, erklärte Professor Daniel Thym, Jurist aus Konstanz. Tarik Tabbara, Professor für öffentliches Recht an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, sprach laut Tagesspiegel von einem „restaurativen Rollback im Staatsangehörigkeitsrecht“, einem „Rückschritt in die Zeit des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913“. Genützt hat all das nichts.

taz am wochenende

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Vermutlich hatten viele Abgeordnete aus den Koalitionsfraktionen die kommenden Landtagswahlen fest im Blick, als sie die Neuregelungen durchwinkten. Ein bißchen Ausländerfeindlichkeit kommt immer gut an, mögen sie gedacht haben. Dass sich immer noch nicht herumgesprochen hat, dass ein Augenzwinkern hin zum rechten Rand den allenfalls stärkt und nicht etwa schwächt!

Die AfD hat im Parlament gegen die Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts gestimmt. Sie gehen ihr nämlich nicht weit genug.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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14 Kommentare

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  • Dazu erstaunlich aktuell ist der Film "Die Schweizermacher" mit Emil Steinberger aus den 70ern.

  • Gern gelesen.

    "Wenn sich Ausbürgerung einbürgert, wie 1935-1945 durch Nürnberger Rassengesetze, indem Status Reichsbürger für Arier verkündet wurde, während Juden, Sinti, Roma, sog unwertes Leben nur die bisherige deutsche Staatsbügerschaft mit nachrangigem Recht blieb.

    Dann in anderem Zusammenhang nach Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 aus der DDR mit Verweis, er sei als Jugendlicher aus Hamburg 1953 in die DDR als Gast zugereist, sei ohnehin Bundesbürger.

    Da für Bonn mit gesamtdeutschem Alleinvertretungsanspruch alle DDR Bürger automatisch bundesdeutschen Pass besaßen, nahm Ostberlin das gegebenenfalls als Einladung, DDR Pass zu entziehen

    Staatsbürgerschaftsrechts Änderung in vorliegender Form, werten, ungeachtet Folgen Betroffener, den IS dermaßen zum Staat auf, als stehe dessen völkerrechtliche Anerkennung demnächst erst richtig zu erwarten, aus IS Terroristen werden staatlich rekrutierte Soldaten, die die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verlieren kraft Gesetzes (§ 28 Staatsangehörigkeitsgesetz). Das scheint das alleinige Ziel zu sein, auch wenn jetzt noch formuliert wird, das geschehe nur im Fall der Doppelter Staatsangehörigkeit.

    Zum IS Terroristen kann wg Fehleinschätzung im Übereifer behördlichen Gefechts, bzw dunkel operativen Vorgängen an der unsichtbaren Front folgend, nahezu jeder deutsche Staatsbürger*in erklärt werden, vorläufig anlasslos als "Gefährder", allein für das Momentum, diesem die deutsche Staatsbügerschaft, Vermögen in beschleunigtem Verfahren vorgerichtlich administriert wg Staatsnotstand aufgrund ungefährer Gefahrenlagen zu entziehen, um dann auf Jahre verschleppt in äußerst kostenaufwendig ordentlichem Verfahren über drei Instanzen später festzustellen, man habe sich geirrt, zuvor angeführte Beschuldigungen Gefährder, IS Terrorist zu sein, sind juristisch haltlos.







    Die Versetzung des Freigsprochenen in vorherigen Stand deutscher Staatsbürgerschaft, Vermögen kann nach soviel Jahren vom Gericht nicht gefördert werden.

  • Liggers. Danke - anschließe mich.



    Bitter - aber wahr. Leider •

  • Ich glaube auch, dass dieses Gesetz nur eine Schaufensterauslage für Wähler der rechten Ränder ist. Praktisch wird es auf Einzelfälle angewandt werden, weil es sich nicht umsetzen lassen wird, so wie Vieles im „Ausländerbereich“.

    Konsequenter wäre es gewesen, doppelte Staatsbürgerschaften nicht mehr zuzulassen.

    Oder alle Auffälligen (unabhängig von der Art der Staatsbürgerschaft) nach Sylt zu verlegen ...

  • "Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse" ohne Präzisierung in ein Gesetz zu schreiben, welches über den Verlust der Staatsbürgerschaft entscheiden kann, ist keiner Diskussion wert.



    Auch die Gleichbehandlung aller StaatsbürgerInnen verletzt das Gesetz, wobei DoppelstaatsbürgerInnen andererseits auch per sé gewisse Vorteile besitzen (doppeltes Wahlrecht, Passtaktieren bei Reisen in andere Länder, z.B.).

    Aber mal ehrlich: Hat sich nicht irgendwann der Eine oder Andere mal gewünscht, so eine Riege von gewalttätigen Neonazis auszubürgern? Bei solchen fehlt jedoch meist das Wohin, wenn das Wohin denn aber beantwortet ist, ist dieser Opportunismus zwar lange noch nicht rechtsstaatlich, lässt mich aber doch schmunzeln.

  • Nach seit langem geltenden Recht verliert als Doppelstaatsbürger die deutsche Staatsbürgerschaft, wer freiwillig einer anderen Armee beitritt.



    Wieso soll der Beitritt zu einer ausländischen Terrororganisation eigentlich besser behandelt werden als der Beitritt zu einer ausländischen Armee? Insofern ist das neue Gesetz nur zu begrüßen.

    • @yohak yohak:

      Nur als Nachfrage, nicht als Kontra:



      Wer als Inhaber der türkischen, wie der deutschen Staatsbürgerschaft die Wehrpflicht in der türkischen Armee absitzt, verliert die deutsche Staatsbürgerschaft auch automatisch?

      • @Hampelstielz:

        Auszug aus einem Merkblatt der Bundesregierung:

        Ich will in der Armee eines anderen Landes Wehrdienst leisten, was muss ich beachten?

        Deutsche, die freiwillig ohne vorherige Zustimmung der zuständigen Behörde in den Dienst von Streitkräften oder vergleichbaren bewaffneten Verbänden eines Staates eintreten, dessen Staatsangehörigkeit sie ebenfalls besitzen, verlieren die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch kraft Gesetzes (§ 28 Staatsangehörigkeitsgesetz). Die Zustimmung gilt als erteilt zugunsten der Deutschen, die zugleich die Staatsangehörigkeit von

        - Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU),



        - Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA),



        - Mitgliedstaaten der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) oder



        - Staaten der Länderliste nach § 41 Abs. 1 der Aufenthaltsverordnung* (Bundesanzeiger Nr. 98 vom 5. Juli 2011 S. 2379) besitzen und in einem dieser Staaten Wehrdienst leisten. Auskünfte in Einzelfällen geben die Botschaften, Generalkonsulate und Konsulate, die Kreiswehrersatzämter oder das Bundesamt für Wehrverwaltung.

        * Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Neuseeland und der Vereinigten Staaten von Amerika

        Das Ableisten der Wehrpflicht in der Türkei ist somit möglich ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu verlieren.

        • @Cerberus:

          Vielen Dank fürs Rauskramen.

  • Zitat: „Wieso geht die deutsche Bundesregierung eigentlich davon aus, dass das andere Land, für das der Terrorist noch einen Pass hat, den Ex-Deutschen bereitwillig aufnimmt – statt ihn ebenfalls schleunigst auszubürgern?“

    Ganz einfach: Weil Macht haben immer schon bedeutet hat, dass man sich die Rosinen aus dem Kuchen picken kann. Man kann die Vorteile einer Sache für sich selbst reklamieren und die Nachteile anderen überlassen. Und wenn die Anderen sie auch nicht haben wollten, hilft man halt mit etwas Gewalt nach.

    So hat man das früher gehandhabt, so handhabt man es heute und wenn es nach den Großkoalitionären und ihren Spießbürger-Wählern geht, wird man es auch in 1.000 Jahren noch so handhaben. Denn wer nicht wählen kann, der ist ja nichts Besonderes. Der ist wie alle anderen. Und das, nicht wahr, ist was, was nicht sein darf.

  • perfektes Beispiel für den dummen Begriff "Ausländerfeindlichkeit" -- es geht eben ganz genau einfach nicht um Menschen ohne deutschen Pass, sondern mit. das Problem heißt Rassismus und nicht anders.

    (in Hinblick auf den bei der taz schon unvermeidlichen Kommentar: nein, Deutsch/USA oder Deutsch/Briten sind wahrscheinlich nicht gemeint, hm?)

    • @LajosH:

      Richtig ist, dass IS Kämpfer mit deutschem Pass keine Ausländer hierzulande sind. Sie sind es in Syrien, der IS selbst nennt sie ausländische Kämpfer. Doch finde ich den Artikel gut zu gespitzt auf die absurde Situation der Ausbürgerung. Andere Länder bürgern ja bereits aus was defacto dazu führt, dass Kurden in Syrien welche die Kämpfer festnahmen und auch ihre ausländischen Frauen und Kleinkinder an der Backe haben sie nun de facto alle behalten sollen und dafür gar nicht die Kapazitäten haben bei all den vielen Flüchtlingen die sie bereits aufgenommen haben. Da sterben dann auch Neugeborene die nichts für die Taten ihrer Eltern können. www.faz.net/aktuel...rben-16080022.html. Auch sind die Kurden in Nordsyrien selbst in Gefahr vor der nächsten türkischen Militäroffensive die kurdische Autonomiebestrebungen auch im Nachbarland unterbinden wollen sobald die USA sich vollständig zurück gezogen haben aber auch von Seiten des syrischen Regimes die aktuell jede "abtrünnige" Region wieder einheimsen wollen und umstandslos alle dort befindlichen als Staatsfeinde betrachten die man massenweise verhaften, zu Tode foltern oder heimlich hinrichten kann (ganz ohne lästige Gerichtsverfahren). Über 100.000 Menschen sind aktuell in syrischen Gefängnissen "verschwunden", darunter auch viele Kurden.

  • Künftige Staatsbürger aussuchen, dass darf nur die Wirtschaft., Wenn sie nämlich ins wirtschaftliche Konzept passen. Entweder als Paketfahrer o.ä, die bis ins Mark ausgepresst werden, oder als gutbezahlte Spezialisten. Gerne erstgenannte.

  • Der Wohlverhaltenspunkt "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" ist natürlich völliger Unsinn und vermutlich nicht einmal verfassungsgemäß, da zu unpräziese, es sei denn, es würde durch ein weiteres Gesetz näher definziert.

    Doch ansonsten hält sich mein Mitleid mit IS-Kämpfern deutlich in Grenzen, wenngleich B. Gaus natürlich völlig zurecht darauf hinweist, dass der deutsche Gesetzgeber Gesetze gerne auf deutlich weniger gewichtige Fälle ausweitet, während das Gesetz zunächst eigentlich nur für die ganz bösen Buben und Mädels gelten sollte.

    Diese mangelnde Eingrenzung und spätere Ausgrenzung derart einschneidender Gesetze muss endlich aufhören. Doch dass unsere Regierung das ihr Mögliche unternimmt um IS-Kämpfer nicht wieder zurücknehmen zu müssen, finde ich nicht kritikwürdig. Doch wir dürfen sicher sein, dass auch dieses Gesetz in der Praxis eher selten zur Anwendung kommen wird, weil in Deutschland vor lauter Bürokratie der Entzug der dt. Staatsangehörigkeit im Einzelfall soooooooo lange dauern wird, dass der andere Staat schneller war und dem IS-Kämpfer somit die dt. Staatsangehörigkeit erhalten bleiben wird.