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Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Die Reisehinweise des Auswärtigen Amts sind längst zu einem schlechten Witz verkommen. Findet Erdoğan ganz sicher auch.

Leere Strände, Antalya. Die Reisehinweise des AA haben eher nichts damit zu tun Foto: dpa

D ie Verschärfung der Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes für Türkeiurlauber wird als neuer Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen Berlin und Ankara gewertet. Diese Analyse ist einerseits zutreffend – und zeigt andererseits, was von diesen Hinweisen zu halten ist. Nämlich wenig oder nichts.

Einem Diktator wie Erdoğan, der Menschenrechtler, Journalisten und Aktivistinnen in Geiselhaft hält, hätte schon längst jede Rote Karte gezeigt werden müssen, die herumliegt. Es ist richtig, wenn Firmen jetzt vor Investitionen in der Türkei gewarnt sowie Hermesbürgschaften überprüft und Rüstungsprojekte überprüft werden.

Augenblick, war da nicht noch was? Irgend was mit Flüchtlingen? Seltsam, dass davon im Augenblick so gar nicht die Rede ist. Die EU zahlt der Türkei – also einem Staat, den der deutsche Finanzminister gerade mit der DDR gleichgesetzt hat – viel Geld dafür, dass sie Schutzsuchende davon abhält, auf das Gebiet der Europäischen Union weiterzureisen. Wenn wir schon von Tiefpunkten reden, dann ist dieses Abkommen zweifellos ein Tiefpunkt in der Menschenrechtsbilanz der ­Europäischen Union.

Eher Wasserstandsmeldungen

Es gibt gute Gründe und viele weitere Möglichkeiten, den ­türkischen Präsidenten unter Druck zu setzen. Verschärfte Sicherheitshinweise für Touristen sind jedoch der falsche Weg – jedenfalls dann, wenn gewünscht wird, dass diese ernst genommen werden. Aber es hat sich ja schon lange eingebürgert, solche Hinweise eher als Wasserstandsmeldungen für die Qualität zwischenstaatlicher Beziehungen zu nutzen denn als praktische Entscheidungshilfe für die Bevölkerung. Das ist zynisch.

Anlass zu Reisewarnungen – die zwar umgangssprachlich so genannt werden, aber offiziell aus versicherungsrechtlichen Gründen nur in seltenen, dramatischen Fällen so heißen – hätte es im Hinblick auf die Türkei schon häufig gegeben. Bisher jedoch wollte die Bundesregierung den verrückten Mann am Bosporus eben nicht ärgern.

Reisehinweise, die in Wahrheit entweder Freundschaftsbekundungen oder Protestnoten sind, verfehlen ihren Zweck. Wenn das Auswärtige Amt dann noch versucht, sich nach allen Seiten abzusichern, kann es unfreiwillig komisch werden.

taz.am Wochenende 22./23. Juli

Chatverläufe, Likes sammeln und Selfie-Sticks: Das Smartphone wird zehn. Die taz.am wochenende vom 22./23. Juli zeigt, wie sich durch Wischen und Snappen die Welt von Kindern und Jugendlichen verändert hat. Außerdem: Ein Gespräch mit Barbaros Şansal, türkischer Modedesigner und Aktivst über die First Lady Emine Erdoğan und Fäkalsprache. Und ein Selbsttest: fleischloses Wurstvergnügen zur Grillsaison. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Beispiel Kenia. Ein beliebtes Touristenziel, in dem zwar mancherorts Gefahren lauern, anderswo aber eben auch nicht. Das Land kann also durchaus von Leuten besucht werden, die nicht leichtsinnig sind. Aber da das Auswärtige Amt sich offenbar keine Versäumnisse nachsagen lassen will, rät es nun von nahezu allem ab, was irgendwie Spaß machen könnte. Oder mahnt zumindest zu erhöhter Wachsamkeit. Zum Beispiel in Städten, am Strand, in vielen Naturparks sowie in Bars und Restaurants. Ganz zu verstehen ist nicht, weshalb nicht empfohlen wird, sich nach Ankunft ein nettes Industriegebiet zu suchen und das bis zur Abreise nicht mehr zu verlassen.

Wer Kenia nicht ohnehin so gut kennt, dass er oder sie auf Ratschläge des AA nicht angewiesen ist, kann mit diesen Empfehlungen gar nichts anfangen und wird sie vermutlich vollständig ignorieren. Was bedauerlich ist, denn einige der Empfehlungen sind nützlich und sollten beachtet werden.

Kenia ist kein Einzelfall, die Türkei ist kein Einzelfall. Nun gibt es auch andere Informationsquellen als die offiziellen Verlautbarungen der Bundesregierung. Kein Problem. Ein Ärgernis sind die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes dennoch. Sie sind nämlich ein Beleg dafür, dass die politische Klasse gelegentlich nur um sich selbst kreist und den konkreten Fragen des Rests der Bevölkerung eine bestenfalls untergeordnete Bedeutung beimisst. Das ist arrogant.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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13 Kommentare

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  • Ich wüsste eigentlich nicht, dass irgendjemand den Aussagen des AA irgendeine Bedeutung beimisst.

     

    Wichtig ist das doch nur für die versicherungsrechtlichen Fragen. Ansonsten kenne ich niemanden, der sich vor seinem Urlaub Reisewarnungen des AA anschaut. Selbst wenn ich in Deutschland verreise, gucke ich noch selber, wo ich ungefährdet hergehen kann.

     

    Letztendlich ist das Schichsal von Deniz u.a. dem AA doch wurscht. Es passiert seit Monaten NIX.

  • Klasse Kommentar heute !

    Danke. Der Frühstückskaffee für die Augen.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...es gibt Menschen, denen mach sog. Katastrophen-Tourismus unheimlich Spaß. Wie ich darauf komme? Keine Ahnung. Aber ich denke, man muss nicht überall hinfahren, nur weil man/frau es kann. Hirn einschalten hilft manchmal.

    In der Türkei sitzen Tausende ohne Anklage im Gefängnis und ein paar Kilometer weiter liegen Menschen am Strand und genießen das Leben. Irgendwas läuft hier falsch, finden Sie nicht, Frau Gaus?!

  • Reisehinweise sind für die Reisenden bestimmt. Sie waren noch nie ein politisches Druckmittel und sind als solche auch nicht geeignet. Totaler Schwachsinn. Nunja, Herr Gabriel stand noch nie hoch im Kurs.

  • Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. :-((

  • Ok - Dann mal zum Eingemachten!

     

    Alles richtig. Aber für dievwahrhaft Betroffenen nur die NebenSpitze des

    Eisberges.

    Diese dreisten Verlautbarungen des

    AA - wie der Name nahelegt - lös(t)en

    In Asylverfahren a Gerichte nur ein

    Nasenschnauben aus! &

     

    Es sei an dieser Stelle den Verwaltungsrichtern aus Ffm&WI

    Gedankt - daß diese - dessen eingedenk -

    Unabhängige Datenbanken früh Aufgebaut haben!

    Klar aber auch - daß der sattsam bekannte Staatliche Gefährder &

    Öberschter Verfassungsminister (sic)

    IM FroTho - Seine nachgeordnete Behörde BAMF - deren Asylbescheide

    Nach den Märchenerzählungen des

    Klar - AA - & seines ebenso dreist Insuffizienten Ministeriums - öh

    Basteln läßt! &

     

    Wo wir hier grad bei Flüchtlingsdeal

    Sultan Erdo I. & Ach so Deutschem -

    Doppelspiel sind - Der klandestine(?)

    Entscheidungs Stopp beim BAMF für

    Asylverfahren Türkei - Ist ein Skandal &

    Paßt nahtlos in diese Verlogenheit! &

    ca. 146.000 + exStaatsbedienste in

    Polizeigewahrsam -Ohne!Anklageschrift=keine U-Haft!! -

    Sprechen unseren Staatlichen Gefährdern - komplett verlogen -

    Immer noch keine klare Sprache!

    kurz - Erbärmlich!

    Nothing else.

    So geht das.

    • @Lowandorder:

      Helfen Sie mir auch mal aufs Fahrrad. Wer ist IM FroTho ?

      Zum BAMF fällt mir nur Herr WEISE ein - sein Name war Programm.

      • @Pink:

        IM FrozenThomas. "das Glasauge blickte menschlicher!" aka

        Thomas de Maizière

         

        (FroTho - is neu - fiel mir mal so ein!)

        BAMF - schlimmer Laden!

        • @Lowandorder:

          Lese verspätet.

          FroTho ~~ herrlich.

    • @Lowandorder:

      Es ist Wahlkampf, Baby und es gibt wieder Reis. Wat willste machen, wenn jetzt auch Neuköllner Deutsch-Türken schon mehrheitlich AfD wählen, weil sie keine Ausländer mögen?

  • Für mich wäre ja die Kenia-Botschaft nicht "Suchen Sie sich ein hübsches Industriegebiet!", sondern "Verlassen Sie Ihre Hotelanlage nicht!"

     

    In dem Artikel fehlt mir die Begründung des Auswärtigen Amtes. War die Recherche wirklich zu schwierig nachzufragen, was die Gründe für die einzelnen Reisewarnung sind oder wie damit umgegangen werden soll?

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Sie schreiben "ein Beleg dafür, dass die politische Klasse gelegentlich nur um sich selber kreist und den konkreten Fragen des Rests der Bevölkerung bestenfalls eine untergeordnete Bedeutung zumisst."

    Wie kommen Sie dazu, dass dies nur gelegentlich der Fall ist und nicht fast immer?

    Und dass dies nicht nur die Fragen betrifft, sondern die Interessen bis hin zu Gesundheit und Leib und Leben.

    So werden z.B die guten Gewinne der Automobilindustrie für wichtiger gehalten als das Leben und die Gesundheit der Bürger. Und folgerichtig akzeptiert man tausende Tote pro Jahr durch die miese Abgasreinigung hier verkaufter Autos.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Kurzum: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß! So ist sie, unsere Regierung, möglichst konturlos, da kann man auch nicht anecken, auch nicht bei den Vertretern der deutschen (!) Reiseindustrie, denn die sparen richtig Geld bei dieser inkonsequenten Aktion.