Kolumne Macht: Und die Angst wird größer
Seit 100 Tagen ist Donald Trump nun US-Präsident. Wer denkt, er sei doch nicht so schlimm, sollte vorsorglich in Deckung gehen.
D er Mann scheint keine Furcht zu kennen – und es steht zu befürchten, dass er diese Einschätzung für ein Kompliment halten würde. Bedrohlich. Wenn Leute, die etwas zu sagen haben, nicht wissen, was Angst ist, dann haben alle Anderen einen guten Grund, in Deckung zu gehen. Allerdings gibt es nicht viele Schutzräume, wenn es sich bei dem Furchtlosen um den Präsidenten der USA handelt.
Donald Trump schert sich nicht um Tatsachen, er lügt bedenkenlos, ihm ist die Bevölkerung seines Landes egal, er interessiert sich nicht für Politik und hat deshalb auch keine politischen Überzeugungen. Viele kluge und genaue Analysen sind in den letzten Tagen darüber geschrieben worden, bei welchen Themen er seine Position in den ersten Monaten seiner Amtszeit geändert hat und warum. Die Liste ist lang: Gesundheitspolitik, Außenpolitik – China, Russland, Syrien, Nato – , Handelspolitik. Eine Mauer an der Grenze zu Mexiko möchte er nun vorläufig auch nicht bauen.
Wenn es ein Markenzeichen von Trump gibt, dann ist es die Bereitschaft zum Kurswechsel. Optimisten sehen darin einen Hinweis auf seine Lernfähigkeit. Sie hatten ja auch geglaubt, er wachse allmählich in das Amt des US-Präsidenten hinein, nur weil er sich bei seiner ersten Rede vor dem Kongress ausnahmsweise nicht benommen hatte wie ein schlecht erzogener Jugendlicher. Die Optimisten irren sich. Es gibt keinerlei Anlass zur Zuversicht.
Hundert Tage ist er nun also im Amt. Können Sie sich an ein einziges Foto oder an Fernsehaufnahmen erinnern, auf denen Trump ernsthaft besorgt aussieht oder herzhaft lacht? Nein, das können Sie nicht. Es gibt diese Aufnahmen nämlich nicht.
Was es hingegen gibt, sind zahlreiche Filme, die zeigen, wie er aus einem Auto oder einem Flugzeug steigt und stoffelig seines Weges geht, ohne seine hinterherlaufende Frau auch nur eines Blickes zu würdigen. Das ist nicht belanglos und auch nur beim ersten Hinsehen lustig. Denn die Bilder beweisen, dass Donald Trump nur ein einziges Interessengebiet hat: seine eigene Person.
Immer geht es um ihn
Sie zeigen aber noch viel mehr. Sie beweisen, dass Trump nicht einmal ein Gespür für das hat, woran ihm wirklich gelegen ist, nämlich das eigene Image. Die Skala seiner Gefühle scheint ungewöhnlich schmal zu sein. Mal ist er hämisch, mal triumphierend, mal wütend, mal trotzig. Und immer geht es um ihn. Um ihn, ihn, ihn.
Dem Präsidenten ist während eines Interviews vorübergehend entfallen, welches Land er gerade hat bombardieren lassen. (Es war Syrien, wie die Journalistin hilfreich anmerkte.) Im Zusammenhang mit einem drohenden Nuklearkrieg – Nordkorea – hielt er es für angemessen, auf die Qualität des Schokoladenkuchens hinzuweisen, den er während einer Unterredung über das Thema mit seinem chinesischen Gesprächspartner verspeist hatte. Das ist nicht cool. Das ist irre.
Das perfekte Paar, das sagten die Freunde. Sie liebten sich, aber er hatte keine Lust mehr, mit ihr zu schlafen. Wie liebt es sich ohne Sex? In der taz.am wochenende vom 28./29. April erzählen die beiden ihre Geschichte. Außerdem: Im Ruhrgebiet werben SPD und AfD um die gleichen Wähler. Und: Superfood ist der neue Fetisch der jungen Spießer. Wieso der Trend jetzt bald zu Ende ist. Das alles am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo
Autokraten wie der türkische Präsident Recep Erdogan und dessen ägyptischer Amtskollege Abdel Fatah al-Sisi finden Trump prima, weil er sie auch prima findet. Der Rest der Welt ist ziemlich fassungslos. Das gilt übrigens auch für die Bevölkerung der USA. Niemals zuvor hat ein neuer Präsident in Umfragen derart verheerende Werte bekommen wie Donald Trump.
Wie lässt sich da Abhilfe schaffen? Mit einem Krieg, wie sonst. In Zeiten des Krieges scharen sich, vor allem in angelsächsischen Ländern, die Bevölkerungen regelmäßig hinter ihrer politischen Führung. Der absurde Falklandkrieg hat Margaret Thatcher – pardon my language – 1982 den Arsch gerettet. Was bietet sich für Trump nun an? Ja, genau. Nordkorea. Er kennt ja keine Furcht. Wer hingegen weiß, was Angst ist, empfindet sie jetzt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott