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Kolumne Luft und LiebeMein kleiner Gender-Haul

Unsere Autorin ist quasi unter die YouTuber_innen gegangen und führt lauter total sinnvolle Produkte vor. Für Frauen und Männer.

Der Ballon links ist eigentlich eher für Männer. Foto: joto / photocase.de

H allo meine Lieben, da bin ich wieder, eure Lieblings-YouTuberin Margibee, ich freu mich mega, dass ihr wieder dabei seid, also echt, es bedeutet mir total viel und wenn ihr am Ende des Videos das Gefühl habt, dass euch das was gebracht hat, dann abonniert doch einfach meinen Beautychannel „le_taz“. Also, um was geht es heute? Ich hab mir gedacht, wo es jetzt Viagra nicht nur für Männer gibt, also für Jungs sozusagen, sondern auch für Frauen, also Mädchen sozusagen, mach ich auch mal ein Video in die Richtung. Deswegen mache ich euch heute meinen kleinen Gender-Haul.

Für diejenigen, die neu dabei sind, erklär ich es noch mal: also ein Haul-Video, ach, ich blende euch hier mal die Wikipedia-Definition ein: „Ein Haul-Video ist ein Online-Video, das von Privatpersonen auf Internet-Videoportalen wie zum Beispiel YouTube veröffentlicht wird. Bei diesen Videos stellen hauptsächlich weibliche, jüngere Personen kürzlich gekaufte Kosmetikartikel und Kleidung, oft auch modische Accessoires vor.“

Genau, also das kennt ihr ja alles. Heute zeige ich euch also Produkte extra für Frauen und extra für Männer! Das sind so Dinge, wo man auf den ersten Blick denkt: Na ja, weiß ich jetzt gar nicht, welchen Sinn das macht, dass es das zweimal gibt. Also zum Beispiel einmal rosa und einmal blau. Aber ihr könnt mir echt glauben, und ich hab mich echt damit beschäftigt, das macht schon mega viel Sinn, weil die Leute, die diese Produkte herstellen, die wollen ja auch Geld verdienen wie wir alle, und na ja, deswegen finde ich es schon irgendwie super, dass es das so gibt. Ja. Also!

Das erste Produkt, das ich hier habe, Moment, muss kurz kramen, ah ja! Für wenn man sozusagen loslegen will mit dem Shoppen, das ist hier so eine pinke Parkscheibe. Für Frauen. Die ist zwar leider StVO-mäßig nicht erlaubt, aber man kann ja die normale, blaue Parkscheibe einfach danebenlegen, ist doch lässig.

Erst kommt das Fressen, sagt man ja

Okay, weiter! Dann habe ich hier, ah ja, erst kommt das Fressen, sagt man ja, also: Grillwurst extra für Männer und für Frauen. Und Chips! Auch wichtig. Hier die Sorte „Männerabend“ und hier „Mädelsabend“, die sind nicht so scharf.

Und zum Nachtisch sozusagen hab ich hier noch einen Schokoriegel extra für Männer, der ist aber schon älter, den gibt’s so gar nicht mehr zu kaufen, aber hier hab ich noch ein Ü-Ei extra für Mädchen. Und dazu einen Tee, also hier den Männertee, in Braun, der ist mehr so würzig und gut bei „Stress und Erschöpfung“ und einen Frauentee, in Pink, da geht es um „Schönheit und Intuition“.

Nach dem Essen Zähneputzen nicht vergessen und dazu haben wir hier auch extra Zahnpasta für Männer, und wenn man sich gleich richtig waschen will, hab ich natürlich auch noch gegendertes Duschgel und Seife und auch mal einen Badezusatz „für ihn“, der ist „mit seinem kräftig herben Zedernduft speziell auf die Bedürfnisse des Mannes zugeschnitten.“ Achso und dazu noch gegenderte Wattestäbchen, Klopapier und Taschentücher und Ohrenstöpsel.

So! Das war’s! Demnächst kommt noch mein Kinder-Gender-Haul, da zeige ich euch dann, warum es wirklich Sinn macht, dass es auch blaue und pinke Globusse gibt und Fieberthermometer und Ketchup und Windeln, das macht auch alles Sinn, weil dann kann man das besser verkaufen, LOL!

Und jetzt: Daumen hoch, danke, hab euch lieb!

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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7 Kommentare

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  • Also "Mädelsabend" sollte eigentlich immer einen Tick schärfer sein - iss meine Meinung jedenfalls. Sorry, bin schon wieder weg.

  • Goffmann spricht von institutionalisierten Genderismen bei beispielsweise der Trennung von Toiletten, erst dadurch, dass wir uns durch solche institutionalisierten Genderismen immer wieder einordnen wird ein den Gendererwartungen entsprechendes Verhalten herorgerufen und manifestiert. Das lässt sich in diesem Kontext auch auf Konsumgüter übertragen, die gesellschaftliche Relevanz von geschlechtlicher Einordnung wird durch Genderismen reproduziert. Andersrum stellen wir uns vor, wir würden im Alltag nicht mehr unterscheiden, wir konstruieren also keine sozialen Differenzen. Wir müssen uns nicht ständig entscheiden passen wir in die eine soziale Gruppe oder die andere, also müssen wir auch nicht um sozial akzeptiert zu werden Gruppenentsprechendes Verhalten zeigen, eine SOZIALE Differenzierung in Geschlechter würde uns absurd vorkommen. Diese Absurdität wird deutlich, wenn man diese Differenzierung auf andere Merkmale überträgt, stellt man sich beispielweise vor wir würden Toiletten nach links- und rehtshändern trennen, wir würden Linkshändern blaue Sachen und Rechtshändern pinke Sachen geben, sprachlich ständig zwischen Links- und Rechtshändern unterscheiden. Uns würde klar sein, dass es sozial relevant ist einer dieser Gruppe anzugehören und um nicht sozial isoliert zu werden, würden wir uns so Verhalten wie es von der jeweiligen Gruppe erwartet wird.

    • @Tobias Engel:

      goffmann sagt aber auch, dass es biologische unterschiede zwischen mann und frau gibt (die nur sozial überformt werden... zb: männer sind im schnitt größer als frauen... ein institutionalisierter genderismus wäre dann etwa die tendenz, dass es in partnerschaften als komisch gilt/galt, wenn der mann kleiner ist als die frau - durch das partnerwahlverhalten wird die natürliche differenz hervorgehoben. dennoch ist sie kein konstrukt.)

       

      solche vergleiche wie linkshänder/rechtshänder sind völlig absurd.

       

      geschlecht ist ein bündel aus verschiedenen aspekten... geschlechtsmerkmale, hormonhaushalt, körpergröße, behaarung, schwanger werden können, stimme, gehirnunterschiede...

       

      die natürliche zweigeschlechtlichkeit hat soziale folgen... diese werden kulturell interpretiert und ausgestaltet, wobei es zu regionalen und historischen unterschieden kommt.

       

      links und rechtshänder unterscheiden sich nur in einem einzigen punkt, der sozial folgenlos ist.

       

      "Andersrum stellen wir uns vor, wir würden im Alltag nicht mehr unterscheiden, wir konstruieren also keine sozialen Differenzen. Wir müssen uns nicht ständig entscheiden passen wir in die eine soziale Gruppe oder die andere, also müssen wir auch nicht um sozial akzeptiert zu werden Gruppenentsprechendes Verhalten zeigen, eine SOZIALE Differenzierung in Geschlechter würde uns absurd vorkommen."

       

      die differenzierung von geschlecht ist eine anthropologische konstante und völlig natürlich.

      man könnte genauso fordern, nichtmehr nach dem alter zu differenzieren - das funktioniert nicht.

  • Schöne Parodie auf das Gender-Marketing!

    Ich frage mich, ob die marktwirtschaftliche Kommerzialisierung und Gewinnoptimierung der einzige/hauptsächliche Grund dafür sind, dass die Unterschiede der Geschlechter heute weit mehr betont werden, als es noch in den 70er und 80er Jahren der Fall war...

    Ich vermute, dass es auch etwas mit dem Anpassungsdruck in unserer heutigen Gesellschaft zu tun hat.

    Es wird eben nicht nur der Lebenslauf für den Arbeitgeber optimiert und angepasst, sondern auch die geschlechtliche Rolle für die Gesellschaft, den Partner usw.

  • Wunderbare Parodie, der ja ach so starken Frau im Tussi-Wahn, die sich konstant nicht eingesteht, wie sehr sie einfach nur gesellschaftlich gefestigte Paradigmen zum besten gibt.....

    • @Sebastian Ries:

      Mir gefällt die Parodie auch, aber auf die Gefahr hin, ein wenig nach Maggie Thatcher zu klingen: Wer ist eigentlich diese ominöse "Gesellschaft"? Ist das so ein kleiner Klub, der Alles bestimmt, aus dem aber die jeweils Bestimmten vollständig ausgeschlossen sind?

       

      Wer diese Frage nicht mit "Ja" beantworten möchte, sollte vor jeder Verwendung von Formulierungen wie "gesellschaftlich gefestigte Paradigmen" mal überlegen, ob nicht in dem einen Fall möglicherweise auch die individuelle Entscheidung, den Paradigmen zu folgen, diesen erst zur Existenz verhilft. Und ob es so schlimm ist, dass es solche Paradigmen gibt, wenn die letztlich auf der freien Entscheidung von Individuen beruhen.

      • @Normalo:

        Jenseits der beiden Extreme gäbe es auch noch so etwas wie eine von Sozialisation, und Diskurs bedrohte Individualität. Dieses "Überlegt doch mal, inwiefern ihr an den Zuständen mitschuld seid!" hat längst seine aufklärerische Geste verloren und ist nur noch gut um sich mit diesen abzufinden. Schade, wenn es dabei bleibt.

         

        Um die etwas kryptisch gestellte Frage zu beantworten: Ja, es ist schlimm, wenn einzelne Individueen die Freiheit vieler Individueen einengen, ohne dass es dafür einen guten Grund gibt. Oder noch kürzer: (Diskurs)Macht ist problematisch.