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Kolumne Luft und LiebeHier, bitte, meine Problemliste

Feministinnen werden ständig gefragt, ob sie sonst keine Probleme hätten. Doch, klar. Jede Menge. Von Chihuahuas über Käse zu „Mutti“.

So viel Männlichkeit! Hirschkäfer an Blümchen. Foto: imago Becker&Bredel

E s gibt eine Frage, die man als Feministin mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gestellt kriegt, sobald man etwas kritisiert hat. Es ist die Frage „Habt ihr keine anderen Probleme?“. Gerne auch in der Variante „Na wenn das dein einziges Problem ist, dann Glückwunsch“.

Tja. Nein. Es ist nie mein einziges Problem. Aber wenn ihr es so dringend braucht, Freunde des offenen Diskurses, dann habt ihr hier, bitte gerne, meine aktuelle Problemliste.

Ich habe ein Problem damit, dass Schönheit immer noch die erste Eigenschaft ist, nach der Frauen beurteilt werden. Jemand hat eine neue Freundin. Und, ist sie hübsch? Aha. Immerhin.

Ich habe ein Problem damit, dass, wenn die Süddeutsche Zeitung ein “Frauen verändern Wirtschaft“-Magazin macht, ein Schmetterling auf der Titelseite ist. Weil – ja, weil was? Weil Frauen so flatterhafte, filigrane Wesen sind? Ja, es ist schwierig, „Weiblichkeit“ als solche zu symbolisieren. Es ist geradezu außerordentlich kniffelig und das könnte daran liegen, dass es sie nicht gibt. Welches Tier hätte man für Männlichkeit genommen? Einen Hirschkäfer?

Bekackte kleine Chihuahuas

Ich habe ein Problem damit, dass es Sendungen gibt, die „Frauentausch“ heißen. Man kann Frauen nicht tauschen, weil man sie nicht besitzen kann. Ich habe überhaupt ein Problem mit Shows, in denen mit Frauen hantiert wird wie mit bekackten kleinen Chihuahuas, die durch Ringe springen sollen.

Ich habe ein Problem damit, dass es immer noch eine Marke gibt mit dem idiotischen Namen „Du darfst“. Ich muss mir von einer Packung Käse nicht sagen lassen, dass ich sie essen darf. Niemand muss das. Und niemand muss denken, es sei „eine kleine Sünde“, ein Stück Torte zu essen oder drei. Sünde ist, wenn man jemanden umbringt. Wenn man ihn dann noch aufisst, dann ist es Doppelsünde. Aber Torte nicht.

Ich habe ein Problem damit, dass bei Frauen, die sich um ihre Familie kümmern, davon ausgegangen wird, dass sie das dank ihres liebenden Wesens sowieso und gerne tun.

Ich habe ein Problem damit, dass Leute denken, Frauen können heute alles erreichen, weil Angela Merkel ja auch Bundeskanzlerin ist. Ja richtig, ist sie. Sie wird „Mutti“ oder „Angie“ genannt und tut gut daran, jedes Mal die gleiche Kleidung in einer anderen Farbe zu tragen, weil ihr Körper, wenn sie ihn zeigt, zum Zentrum unfassbarer Aufregung wird, egal ob sie ein Ballkleid trägt, jemand sie im Badeanzug fotografiert oder sie einen Fisch isst.

Das ist für niemanden gut

Ja, Frauen können nicht nur Kanzlerin, sondern auch Verteidigungsministerin werden, aber dann wird eben über sie geschrieben: „Unter einem dunkelgrauen Wollmantel trägt sie eine hellblaue Bluse mit grüner Strickjacke, eine dunkle Hose und schwarze Lederstiefeletten mit halbhohen Absätzen.“

Ich habe ein Problem damit, dass Millionen Jungs in dem Glauben aufwachsen, sie seien nur richtige Männer, wenn sie mit genügend Frauen Sex hatten. Das ist für die Männer nicht gut und für die Frauen auch nicht.

Ich habe ein Problem damit, dass Millionen Mädchen sich abhungern, kotzen und ritzen und damit all ihre Wut gegen sich selbst richten statt gegen das, was sie kaputt macht.

Bitte schön.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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14 Kommentare

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  • Guter Artikel Frau Stokowski, aber beim Thema Ballkleid hätten sie wirklich nicht zur WELT verlinken müssen. Zu dem Thema gibt es hunderte andere Belege, ohne dass man die Springer-Presse mit einem Link belohnen muss.

  • danke frau stokowski!

    daß da nicht alle männer immer so mitkommen, ist leider keine überraschung ;(

  • guter artikel!

    mit den üblichen doofen kommentaren ...

    aber nicht aufgeben!

  • Gehe ich als Mann grundsätzlich mit, keine Frage.

     

    Ausgenommen: den Merkelpart. Das liegt eher am Führerkult (Die Raute, Selfies, "Mutti" pushen die Beliebtheitswerte unserer geliebten ewigen Kanzlerin...). Das da Männer in "gleichen" Positionen und selbigen Führerkult ebenso auf das Körperliche angesprochen werden, sehe ich an Berlusconi oder Putin, oder auch Obama.

     

    Politik und Klatsch&Tratsch ist vielleicht ein Ding unserer Zeit.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Der Hirschkäfer als Symbol für Männlichkeit: geschenkt.

     

    Davon abgesehen: wieso denn gerade dann aufhören, wenn es so richtig spannend wird: Was macht Mädels denn kaputt?

     

    Früher, als ehemaliger Frauenversteher wusste ich das. Heute, gereift, erschließt sich mir die weibliche Seele nicht mehr.

  • Dieser Artikel macht mal wieder ganz deutlich das der Feminismus oft kleinkariert und auf Nebensächlichkeiten fixiert ist.

    Engagiert euch lieber richtig als ständig so rum zu jammern. Meine Unterstützung ist euch dann sicher.

    • @rob nes:

      Aber sind es denn nur "kleinkarierte Nebensächlichkeiten"? Sind nicht die vielen kleinen Dinge, die man kritisiert Beispiele dafür, wie unsere Welt kaputt ist und was sich ändern muss? Zu sagen "Die Welt ist Frauenfeindlich" erntet einem ein "Ja und wo zum Beispiel?"

       

      Aber Beispiele auflisten und man wird "Kleinkarriert genannt"? Ja danke.

  • Eine Zeit lang ging's auch ohne, jetzt ist die Margarete doch wieder auf die Tierbilderschiene gerutscht.

    Hirschkäfer beim Blümchensex - ach wie niedlich! Hirschkäfer als Symbol für Männlichkeit - nee! Ich schlage für diesen Zweck das Pantoffeltierchen vor.

  • Hm, "Millionen" Mädchen, die sich abhungern, kotzen und ritzen: Die, die "sich abhungern" und "kotzen" leiden leider einfach an einer Essstörung. Vielleicht sind Magermodels der Auslöser, aber der Grund sind psychische Probleme, die andere Ursachen haben. Das gleiche gilt übrigens auch für Adipositas, obwohl nicht jede übergewichtige Frau essgestört ist, genauso wenig wie jede schlanke Frau oder jedes Dämchen", das mittags vor seinem Salatblättchen sitzt, weil es seine "Figur halten will". "Ritzen" ist ganz klar Borderline und zwar nicht nur ein bisschen. Ich finde es problematisch, das - sowohl Essstörungen als auch Borderline - feministisch zu überhöhen. Ich glaube, dass es zunächst wichtiger und vordringlicher ist, eine Therapie zu machen. Wer fordert, dass Borderliner ihre Wut um jeden Preis nach außen richten, muss - in schweren Fällen - auch Verständnis für verschiedene Formen von Gewalt und Kindesmisshandlungen haben. Das ist - glaube ich - nicht so im feministischen Sinne. Damit ist nicht gesagt, dass Menschen, die an Borderline und/oder Essstörungen leiden, grundsätzlich für so etwas verantwortlich sind und man die Schuld auf sie abschieben kann. Die meisten sind ja tatsächlich auch Opfer. Es geht auch genug Gewalt von Menschen aus, die keine psychischen Probleme haben. Und die meisten psychisch Kranken haben auch keinen Hang zu Gewalt und leiden in erster Linie selbst. Eine Borderline-Frau aber dazu aufzufordern, ihre Wut nach außen zu richten, bedeutet u. U. andere Menschen zu Opfern zu machen und ihnen jede - auch gesellschaftliche - Empathie zu verweigern. So werden eher neue Probleme erzeugt, als dass irgendwem geholfen würde. Besser wäre es m.E. Borderlinerinnen/Frauen mit Essstörungen dazu aufzufordern, innere Stärke und Selbstakzeptanz zu entwickeln und das - gerade in großen Städten manchmal sehr schlecht ausgebaute - psychologische Betreuungsnetz auszuweiten.

  • man koennte zu der liste noch den beissreflex aller tom farmers hinzufuegen

    • @the real günni:

      Im Hintergrund läuft bei mir gerade Arch Enemy.

      No more regrets.

       

      Kannse mal reinhören. Die Bissigkeit zum Reflex sozusagen.

      :-)

  • Schön geschrieben, nur wer ist der Adressat?

    Ich gaube alle diese Fragen werden vor allem von Frau zu Frau gestellt bzw. die dankbare Zielgruppe bei all Ihren Punkten (Frauentauschsendung, Kosmetika, Bluse Frau Merkel) sind: Frauen.

     

    Macht halt mal einen Nicht-geschminkt-Welttag; Nicht-Frauen-Werbung-Tag. Frauen-Orangenhaut-Tag.... sorry!

     

    Lasst die Männer bitte mit euren Unzufriedenheiten in Ruhe. Wir können damit viel besser leben als ihr selbst es könnt!

    • @Tom Farmer:

      Ja, Tom, da sprichst Du etwas an...!

       

      Ihr Männer könnt ja meistens wirklich so richtig gut leben mit den Unzufriedenheiten der Frauen. Könntet ihr das nicht, würdet ihr, wenn ihr tatsächlich auch mal was zu sagen habt, ja etwas ändern an den Dingen, die uns Frauen auf die Palme treiben. Und nein, ich meine jetzt nicht die Orangenhaut. Die kommt in der Kolumne gar nicht vor. Solche Probleme übertragen (ziemlich viele) Frauen ganz gern auf die Kosmetik-Industrie und auf ihr Lieblings-Fitnessstudio, nicht unbedingt auf Frau Stokowski.

       

      Aber lass mal, Tom. Du brauchst Dich gar nicht ärgern. Darüber, beispielsweise, dass Du nicht kapierst, was Margarete Stokowski schreibt. Die Kolumnistin richtet sich (so steht's in Zeile 2 des Absatz' 2) an alle "Freunde des offenen Diskurses. An Leute, die (so steht's in Absatz 1) die Frage stellen: „Habt ihr [denn] keine anderen Probleme?" und Sachen sagen wie: "Na wenn das dein einziges Problem ist, dann Glückwunsch". Und so ein Mensch sind Sie ja offensichtlich nicht.

       

      Sie fragen gar nicht erst. Sie schlagen gleich was vor. Nämlich dass Frauen doch "die Männer bitte [sehr] in Ruhe“ lassen sollen mit ihrem blöden Rumgezicke. Ein Freund des offenen Diskurses tät' so was sicher nicht.

    • @Tom Farmer:

      Könnte es nicht besser kommentieren.

       

      Vielen Dank